Große Marktplätze wie Wish haben sich bereits auf die Umstellung vorbereitet.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Wer gern bei Importhändlern und Anbietern von außerhalb der EU einkauft, wird ab 1. Juli tiefer in die Tasche greifen müssen. Denn dann fällt die Freibetragsgrenze für Sendungen mit geringem Warenwert und auch für Bestellungen, die 22 Euro oder weniger kosten, muss eine Einfuhrumsatzsteuer entrichtet werden. Deren Höhe ist analog zur Umsatzsteuer, beträgt in Österreich also 20 Prozent.

Dennoch sollen den Konsumenten in vielen Fällen zusätzliche und potenziell teure Formalitäten erspart bleiben. Mit einem "Import One Stop Shop" (kurz IOSS) wurde ein System geschaffen, das den Aufwand auf beiden Seiten minimieren soll. DER STANDARD hat mit Martin Füll und Walter Trezek über die Umstellung gesprochen. Sie sind die Gründer von Commerce Logistics Specialists (CLS) mit Sitz in Wien. CLS ist spezialisiert auf digitalen Handel und Logistik und berät in diesem Bereich Händler, Logistikdienstleister und Postunternehmen in der EU, Großbritannien und Asien. Zudem war CLS auch in Arbeitsgruppen der EU-Kommission involviert, die das neue Regelwerk entworfen und umgesetzt haben.

Umsatzsteuer nun ab dem ersten Cent fällig

Grundlegend gilt für alle Sendungen auch unter der Zollgrenze von 150 Euro, dass mit 1. Juli ab dem ersten Cent die Einfuhrumsatzsteuer anfällt und jedes Paket im Vorhinein zur Verzollung angemeldet werden muss. Ein aus China bestelltes Gadget, das vormals zehn Euro kostete, schlägt dann also mit zwölf Euro zu Buche. In den meisten Fällen sollte dies auch der Endpreis für den Kunden sein und die Sendung ohne Verzögerungen zugestellt werden. Das gilt jedenfalls, wenn der Händler sein Geschäft mithilfe des IOSS abwickelt. Dann wird die Einfuhrumsatzsteuer vom Kunden bereits beim Kauf im Ausland bezahlt, basierend auf dem in seinem Land gültigen Steuersatz.

Tut der Händler das nicht, wird die Einfuhrumsatzsteuer bei der Verzollung fällig und muss vom Kunden bezahlt werden. Dieser wiederum wird in der Regel vom Zustelldienst vertreten, der in seinem Namen die Verzollung übernimmt und die Einfuhrumsatzsteuer einhebt. Dafür werden aber Gebühren verrechnet, die etwa bei der Österreichischen Post voraussichtlich bei fünf Euro (für einen Sendungswert mit einem Wert von bis zu 150 Euro) liegen werden.

IOSS soll Anbieter und Kunden entlasten

Nutzt ein Anbieter den IOSS, so übernimmt er die Verantwortung für die Abführung der Einfuhrgebühren. Für die Händler hat der IOSS den Vorteil, dass er sich nicht beim Finanzamt jedes einzelnen EU-Landes registrieren muss, in das er liefert. Er kann die Umsatzsteuer für alle Verkäufe in die EU künftig an ein Finanzamt seiner Wahl monatlich im Nachhinein zahlen, das die Beträge dann anteilig an die Steuerbehörden der anderen EU-Staaten weitergibt.

Für die Händler und Marktplätze bedeutet der IOSS somit eine Erleichterung. Das Verfahren ist im Gegensatz zu einer vollständigen Verzollung für Sendungen ab 150 Euro vollständig digital und kommt mit 26 statt mehr als 80 Datenelementen aus. Bei CLS geht man davon aus, dass die Abwicklungskosten sich im Centbereich bewegen werden. Diese Lösung ist somit auch billiger, als den Import über eine Tochtergesellschaft oder Partnerfirma in der EU abwickeln zu lassen, wie es manche Anbieter bisher gehandhabt haben. Laut den Experten sind alle großen Marktplätze schon vorbereitet und für IOSS registriert.

In den vergangenen Jahren haben viele Importanbieter auch vermehrt Lager in der EU eingerichtet, um Bestellungen direkt von dort versenden zu können. Dies hat aber nichts mit den neuen Regelungen zu tun, sondern soll höhere Kundenzufriedenheit durch die Zustellung binnen weniger Tagen gewährleisten.

IOSS-Verzicht als Wettbewerbsnachteil

Anzumerken ist auch, dass Marktplätze ab 1. Juli die Haftung für die Abfuhr der Umsatzsteuern für auf ihren Plattformen verkaufte Waren übernehmen müssen. Diese Regel gilt, wenn entweder Waren in die EU importiert werden oder Waren innerhalb der EU verschickt werden, der Anbieter selbst aber seinen Sitz in einem Drittstaat hat.

Ein Beispiel wäre die Bestellung eines Artikels von einem chinesischen Händler bei wish.com, unabhängig davon, ob dessen Ware von einer Fabrik in Shenzhen oder einem Lager in der EU versandt wird. In beiden Fällen muss wish.com dafür sorgen, dass die Mehrwertsteuer gegenüber dem Käufer korrekt angezeigt wird, das Geld beim Händler eintreiben und schließlich an das für seine IOSS-Abgaben zuständige Finanzamt in der EU überweisen. Bei Waren, die von einem Händler aus der EU innerhalb der Union über einen Marktplatz verschickt werden, liegt diese Haftung direkt beim Händler.

Holprig werden könnte es für Kunden von Anbietern, die auf die Umstellung noch nicht reagiert haben. Da für alle Pakete eine digitale Verzollung nötig ist und Einfuhrumsatzsteuer anfällt, müssen die Kunden zusätzlich eine Gebühr des Zustelldienstes selbst bezahlen und durch die Abwicklung mit Verzögerungen rechnen. Am längsten wird die Umstellung wohl bei jenen dauern, die sich nicht rechtzeitig um eine Registrierung beim IOSS gekümmert haben, keine Marktplätze bzw. Marktplätze ohne IOSS-Anbindung verwenden oder für ihren Versand auf Postgesellschaften aus Drittstaaten setzen. Langfristig nimmt man an, dass fast jeder Anbieter, der keinen Wettbewerbsnachteil in Kauf nehmen möchte, auf IOSS zurückgreifen wird.

Startschwierigkeiten zu erwarten

CLS rechnet auch mit Schwierigkeiten direkt nach der Umstellung. Denn es gibt keine gesetzlichen Übergangsfristen – ursprünglich hätte die neue Regelung bereits am 1. Jänner in Kraft treten sollen. Und entscheidend dafür, ob eine Sendung noch in die alte Regelung inklusive 22-Euro-Freibetrags oder bereits ins neue Verfahren fällt, ist das Datum des Eintreffens beim Zoll. Sie gilt damit auch für Bestellungen, die vor dem 1. Juli getätigt und ausgeliefert wurden, aber aufgrund der teilweise langen Lieferzeit erst nach dem Monatswechsel in Österreich ankommen.

Füll und Trezek prognostizieren hier in den ersten Wochen "massive Probleme, mit vielen Annahmeverweigerungen, mit empörten Empfängern und ähnlichen Verwerfungen". Onlineshoppern empfiehlt man, im Vorfeld zu prüfen, ob ein Marktplatz oder Händler den IOSS nutzt.

Insgesamt sieht man die neuen Regeln aber "uneingeschränkt positiv". Damit werde die Besserstellung von Importhändlern gegenüber EU-Händlern beendet, es bringe Steuereinnahmen und erleichtere durch bessere Daten den Kampf gegen Steuerbetrug, Produktfälschungen und ähnliche Machenschaften. (Georg Pichler, 29.6.2021)