Um sich schlagen, schreien, um Hilfe rufen sind klare Zeichen dafür, dass ein Schwimmer oder eine Schwimmerin in Gefahr ist. Da heißt es schnell reagieren.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Ein Mensch schlägt wild um sich, ruft um Hilfe, das Wasser spritzt – solche Szenen kennt man zumindest aus der Serie "Baywatch", wenn jemand Gefahr läuft, zu ertrinken. Die mittlerweile über 30 Jahre alte Serie hat die Rettungsschwimmer-Vorstellung einer ganzen Generation geprägt. Doch passiert es wirklich so wie am Strand von Malibu dargestellt? DER STANDARD hat nachgefragt.

"Jugendliche und Erwachsene rufen tatsächlich um Hilfe, rudern mit den Armen oder schreien laut, wenn sie sich in Gefahr befinden", betont Elisabeth Kellner, Rettungsschwimmexpertin beim Wiener Roten Kreuz. Die Gründe für die Gefahr sind unterschiedliche: "Sehr oft steckt Selbstüberschätzung dahinter. Man denkt, die eigene Kondition ist besser, schwimmt zu weit hinaus und wird dann müde. Oder man gerät in eine unerwartete Strömung." Vor allem in offenen Gewässern wie Seen, Flüssen oder dem Meer ist das eine Gefahr. Ein weiterer Grund ist Erschrecken, durch Algen unter den Füßen, große Fische oder weil eine Libelle über den Kopf fliegt. Das kann heftige Panik auslösen.

Auch ein Kreislaufkollaps kann einen in Gefahr bringen, etwa wenn man zu lange in der prallen Sonne war, vielleicht noch wenig gegessen hat. Das kalte Wasser kann dann einen Zusammenbruch auslösen. "Natürlich gibt es auch jene Fälle, wo ein erwachsener Mensch stumm ertrinkt. Aber da steckt im Normalfall ein medizinischer Grund dahinter, etwa ein Herzstillstand", erklärt Kellner.

Aus dem Wasser retten

Was tut man nun, wenn ein Mensch zu ertrinken droht? Da ist schnelles Handeln angesagt. "Es gilt, mehrere Dinge parallel zu tun. Wenn Sie jemanden sehen, der in Not ist, bitten Sie sofort eine umstehende Person, die Rettung zu verständigen. Dann sehen Sie sich nach einer Schwimmhilfe um, eine Luftmatratze etwa oder eine Schwimmnudel. Damit schwimmen Sie dann zu der Person in Gefahr", betont Kellner. Wichtig ist dabei übrigens auch, sich nicht selbst zu überschätzen. Wenn man selbst nicht so ein guter Schwimmer ist, macht es Sinn, jemand zweiten um Unterstützung zu bitten.

Kommt man dann bei der Person an, nicht körpernah hinschwimmen, sondern etwas Abstand halten. "Ertrinkende Menschen sind oft in Panik, schlagen wild um sich, entwickeln enorme Kräfte. Da würde die Gefahr bestehen, dass eine potenzielle Retterin oder ein Retter mit in die Tiefe gezogen wird." Darum die Person versuchen zu beruhigen, im Extremfall sogar warten, bis sie erschöpft ist. Dann nähern, mit der Schwimmhilfe stützen und an einen sicheren Ort schwimmen, das Ufer oder auch eine Badeinsel, wenn diese näher ist.

All das gilt, wenn der oder die Gerettete bei Bewusstsein ist. Bei Bewusstlosigkeit dreht man die Person auf den Rücken und schwimmt mit ihr ans Ufer. Der Kopf muss dabei immer über Wasser sein. "Das kann sehr anstrengend sein", betont Rettungsschwimmexpertin Kellner. "Es gilt, sich da nicht selbst zu überschätzen und schnell zusätzliche Hilfe zu rufen."

Erste Hilfe leisten

Ist die gerettete Person auf dem Trockenen, gilt es als Erstes, zu kontrollieren, ob sie noch atmet. Dafür legt man sie auf den Rücken und überstreckt Kopf und Nacken. So kann man erkennen, ob sich die Brust hebt und senkt. Ist das der Fall, dann in die stabile Seitenlage bringen, idealerweise im Schatten, zudecken und auf die Rettung warten.

Ist keine Atmung mehr auszumachen, dann muss man sofort Erste Hilfe leisten. Als Regel gilt: Man startet mit fünfmal Mund-zu-Mund Beatmung, dann folgen 30 Herzdruckmassagen. Danach folgen je zwei Beatmungen und 30 Massagen. Derzeit setzt man die Mund-zu-Mund-Beatmung übrigens aufgrund von Corona bei fremden Personen aus, die ErsthelferInnen entscheiden selbst, ob sie die Beatmung durchführen. Beim eigenen Kind wird man wohl nicht zögern "Das ist auch in Ordnung so. Das Wichtigste ist, dass das Herz wieder anspringt. Sonst kann ja auch keine Atmung kommen", weiß Kellner.

Für die Herzdruckmassage legt man beide Handballen übereinander auf die Mitte der Brust, streckt die Arme und drückt schnell und kräftig ohne Pause. Dabei muss man immer darauf achten, dass der Kopf überstreckt ist. Sonst rutscht die Zunge zurück, es droht erst recht Erstickungsgefahr. Die Herzdruckmassage wiederholt man so lange, bis entweder wieder ein Herzschlag spürbar ist oder die Sanitäter kommen.

Es gibt kein Falsch

Fehler in dem Sinn gibt es dabei keine. "Das Einzige, was man falsch machen kann, ist, nichts zu tun", appelliert Kellner an potenzielle Retterinnen oder Retter. Manche haben Angst davor, der betroffenen Person eine Rippe zu brechen, die sich dann in die Lunge bohrt. Diese Gefahr ist aber verschwindend gering. Der Druck darf übrigens wirklich fest sein, der Brustkorb muss sich dabei physisch nach unten bewegen. Dass sich das manche Menschen nicht zutrauen, versteht Kellner. Sie empfiehlt deshalb, regelmäßig eine Auffrischung des Erste-Hilfe-Kurses zu machen.

Setzt der Herzschlag wieder ein, ist die Person aber nicht gleich wieder topfit und steht auf. Es gilt, unbedingt das Eintreffen der Sanitäter abzuwarten, die den oder die Betroffene dann ins Krankenhaus bringen. Denn, betont Kellner: " Dringt Wasser in die Lunge ein, besteht bis zu 72 Stunden danach die Gefahr einer Lungenembolie. Das kann dann zu multiplem Organversagen und bis zum Tod führen."

Kleinkinder ertrinken leise

Anders sieht es übrigens bei Kindern bis drei Jahre aus. Fallen sie ins Wasser, gehen sie nämlich ganz still unter. "Die Stimmritze verschließt sich, sie können gar nicht schreien. Außerdem haben sie noch den Totstellreflex. Das heißt, sie werden ganz starr und sinken sehr schnell nach unten." In dem Alter darf man Kinder deshalb auf keinen Fall unbeaufsichtigt lassen. Auch Schwimmhilfen sind keine Ausrede, Schwimmflügerln, -reifen oder -scheiben sind eben nur Hilfen, sie bewahren keineswegs vor dem Ertrinken. Kinder können herausrutschen oder mit dem Kopf voraus ins Wasser kippen. Von selber heben sie ihn dann nicht mehr. Sie können deshalb auch schon bei einer Wassertiefe von 20 bis 30 Zentimeter ertrinken.

Und auch größere Kinder bis zum Unterstufenalter darf man nicht unbeaufsichtigt lassen. Die machen sich zwar üblicherweise bemerkbar, wenn sie in Panik geraten, aber auch da kann es schnell zu spät sein – vor allem in offenen Gewässern wie Seen oder Flüssen, wo die Sicht im Wasser auch nicht besonders gut ist. Hier empfiehlt sich bunte, grelle Schwimmkleidung, damit man sie immer gleich sehen kann.

Für die Reanimation im Fall der Fälle gelten übrigens die gleichen Regeln wie bei Erwachsenen. Nur bei sehr kleinen Kindern und Babys nimmt man bei der Herzdruckmassage nicht den Handballen, sondern lediglich zwei Finger. Bei Neugeborenen reicht einer.

Alles in allem appelliert Kellner an den gesunden Hausverstand, denn dann lassen sich viele Badeunfälle vermeiden: "Gehen Sie nicht von der prallen Sonne direkt ins Wasser, möglicherweise sogar nach Alkoholkonsum. Kühlen Sie sich vorher ab, damit kein Kreislaufkollaps droht. Schätzen Sie Ihre Kräfte richtig ein, damit Sie nicht zu weit hinaus schwimmen. Beurteilen Sie vorab die örtlichen Gegebenheiten. Wie tief ist das Wasser? Kann man da hineinköpfeln? Gibt es eventuell Strömungen oder gefährliche Stellen? Gibt es andere potenzielle Gefahrenquellen? Wenn man das alles bedenkt, ist Schwimmen ein großartiger Sport, den man ganz entspannt genießen kann." (Pia Kruckenhauser, 24.6.2021)