Mit einer Kapazität für bis zu 3.500 jüdischen Flüchtlingen war das Camp Givat Avoda (in der heutigen Anton-Wallner-Kaserne) von 1946-48 wie eine "Stadt in der Stadt" in Saalfelden, das damals 5.500 Einwohner hatte.

Foto: Moshe Talit

Es sind besondere Momente in der Gedenkkultur, wenn Zeitzeugen an die Orte ihrer Kindheit oder Jugend zurückkehren. Heuer ist das beim 15. Alpine Peace Crossing im Pinzgau wieder einmal der Fall: Der israelische Bildhauer Moshe Frumin reist zur Enthüllung seiner Skulptur Davidsharfe diesen Freitag nach Saalfelden.

Die drei Meter hohe Nachbildung einer Lyra steht vor der Wallnerkaserne in Saalfelden. Sie erinnert an das Lager Givat Avoda (Hügel der Arbeit), in dem nach Ende des Zweiten Weltkrieges tausende, überwiegend jüdische Displaced Persons untergebracht waren und auf ihre Flucht nach Palästina hofften. Die zweite Lyra gleicher Art steht auf einem Platz in Tel Aviv.

Die Lyra vor der Wallnerkaserne
Foto: APC

Von Polen über Salzburg nach Palästina

Moshe Frumin war als kleiner Bub einer dieser Flüchtlinge und verbrachte 1946/47 rund ein Jahr in dem Lager. Seine Familie stammte aus Polen, den Nazis entkamen sie durch die Flucht nach Usbekistan; nach der Befreiung Polens versuchte seine Mutter Yehudit, mit ihm in Polen wieder Fuß zu fassen, flüchtete jedoch erneut aufgrund der antisemitischen Pogromstimmung. 1948 schaffte es Yehudit Frumin mit dem kleinen Moshe nach Israel. Jetzt besucht er nach 75 Jahren wieder Saalfelden und nimmt an der offiziellen Übergabe seiner Skulptur teil.

Der kleine Moshe Frumin mit seiner Mutter 1946 oder 1947 in Saalfelden.
Foto: Frumin

Gedenkwanderung über den Tauern

Initiiert wurde die Errichtung des Symbols der Versöhnung vom Verein Alpine Peace Crossing. Der Verein für aktive Gedenk- und Erinnerungskultur APC (Alpine Peace Crossing) wurde vom gebürtigen Salzburger Ernst Löschner gegründet, um an die lange vergessene Flucht von Jüdinnen und Juden über die Alpen 1947 zu erinnern.

Jedes Jahr findet in Erinnerung an die Flucht von Salzburg nach Italien eine Gedenkwanderung über den 2634 Meter hohen Krimmler Tauern statt. Heuer wird das Alpine Peace Crossing von 25. bis 26. Juni stattfinden. Der Übergang nach Italien sei aber heuer aufgrund der Schneelage nicht möglich, man werde auf der Passhöhe wieder umkehren müssen, sagt APC-Vorsitzender Robert Obermair.

8000 Flüchtlinge

Dass im Sommer 1947 tausende jüdische Flüchtlinge den gefährlichen Weg über den Krimmler Tauern nehmen mussten, lag an der Politik der Briten. Um die Fluchtbewegung nach Palästina abzuwürgen, schlossen die Franzosen auf Druck der Briten die Brennerroute. Die US-Behörden hingegen erlaubten den Übergang nach Italien, und so blieb der schmale Gebirgsstreifen zwischen Salzburg und Italien die einzige Möglichkeit.

Bis dato ziemlich unklar blieb, wie viele Personen im Sommer 1947 tatsächlich den Marsch über den Bergpass vom Krimmler Achental ins Südtiroler Ahrntal geschafft hatten. Bisher war meist von rund 5000 Menschen die Rede.

Bergführer Viktor Knopf (Bildmitte) umringt von Flüchtlingen vor dem Abmarsch vom Krimmler Tauernhaus auf dem Weg über die Krimmler Tauern nach Kasern/Südtirol. Neben ihm sein polnischer Co-Bergführer Bolec Chojnacki. Insgesamt waren von Mai bis Oktober 1947 bei zirka 40 Überquerungen acht jüdische Bergführer aus dem Lager Givat Avoda im Einsatz
Foto: Pinzgauer Bezirksarchiv

APC-Gründer Ernst Löschner ist es nun gelungen, anhand von Zeitzeugenberichten und auch einer exakten Auswertung der regionalen Wetterdaten eine genauere Zahl zu bestimmen: Da der Sommer 1947 in Bezug auf Temperatur, Schneelage und Niederschlag ein "Jahrhundertsommer" gewesen sei, dürften es mit 8000 Personen deutlich mehr als die bisher kolportierten 5000 Flüchtlinge gewesen sein. (Thomas Neuhold, 24.6.2021)