Die Touristen kehren langsam nach Wien zurück, Kandidaten für den Börsengang lassen noch auf sich warten.

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Die Wiener Börse feiert heuer ihr 250-jähriges Bestehen. Die 1771 gegründete Institution bietet zahlreichen etablierten Unternehmen einen attraktiven Handelsplatz und ist vor allem im Anleihemarkt gut aufgestellt. In einem wichtigen Bereich aber herrscht seit vielen Jahren Flaute: Während international Börsengänge boomen, finden in Wien kaum Initial Public Offerings (IPOs) statt.

Mit einem Börsengang kann ein Unternehmen Eigenkapital im großen Umfang lukrieren – was auch so manchen heimischen KMUs guttun würde. Allerdings ist ein Börsengang ein enormer Schritt: Sie müssen bereits im Vorfeld eine Vielzahl an Regularien strikt einhalten – von Veröffentlichungspflichten über die Einhaltung gesetzlicher Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung bis zur Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern, die sich um Compliance und die Investorenpflege kümmern müssen.

All das führt zu Kosten und zum Aufbau von Strukturen, die vor allem junge Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Ein Unternehmen, das an die Börse gehen will, benötigt daher allein schon zur Bewältigung all dieser Pflichten und Kosten eine gewisse Größe und einen bestimmten Reifegrad. Denn werden sie nach einem Listing den Regularien nicht gerecht, dann drohen existenzbedrohende Verwaltungsstrafen.

Was Österreich bietet

Tatsächlich herrschen in vielen Ländern eine andere Börsenkultur, ein anderes Investorenverhalten und auch andere Regeln, die jedoch nicht unbedingt nur Vorteile bieten. Österreich kann mit einem definierten – wenn auch sehr umfangreichen – Rechtsrahmen, langjähriger Erfahrung, Rechtssicherheit, Missbrauchs-, Geldwäsche-, Betrugskontrolle, funktionierenden Behörden, innovationsfreundlichem Klima und einem ausgeprägten Förderwesen aufwarten.

Diese Stärken könnten, wenn sie besser bekannt wären, so manchem, auch internationalen, Investor eine Investition in ein in Österreich notiertes Unternehmen schmackhaft machen – und damit auch Börsenkandidaten für Wien gewinnen. Vor allem könnte man vermeiden, dass österreichische Unternehmen einen Bogen um Wien machen und sich gleich auf eine ausländische Börse listen.

Um Börsenkandidaten bewerben

Allerdings ist der IPO-Markt international heiß umkämpft. So muss man sich heutzutage aktiv um Börsenkandidaten bewerben, anstatt nur auf deren Initiative zu warten. Und für eine erfolgreiche IPO-Offensive braucht es auch den Mut, gewisse bestehende Strukturen aufzugeben, um technische und bürokratische Hürden zu beseitigen und so die Attraktivität für Investoren und Emittentin zu erhöhen.

Erste Schritte wurden in der Corona-Pandemie gesetzt, indem beispielsweise virtuelle Hauptversammlungen ermöglicht wurden, die zuvor in dieser Form undenkbar waren. Das war ein wichtiges Signal, das auch nach der Gesundheitskrise anhalten muss.

Der Weg in die richtige Richtung ist damit zwar schon eingeschlagen, die Umsetzung muss aber rasch, zielstrebig und nachhaltig erfolgen, und zwar unter Einbindung aller Mitspieler, die für die Abwicklung der Börsentransaktionen erforderlich sind. Ein Hindernis für ausländische Gesellschaften, die ein Listing in Wien erwägen, ist der Börsenzulassungsprozess.

Einem Börsenkandidaten muss zukünftig schnell klar sein, ob ein Antrag in Österreich Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Diese Entscheidung darf nicht erst am Ende eines Bewerbungsprozesses auf Diskretionsbasis erfolgen. Weitere Hürden sind der technischen Abwicklung geschuldet, die dringend reformiert gehört.

Steuerliche Erleichterung

Auch steuerliche Aspekte sollten hier nicht außer Acht gelassen werden. Die Anhebung der Kapitalertragssteuer (KESt) auf Dividenden 2016 hat nicht für ein investorenfreundlicheres Klima gesorgt.

Derzeit wird allerdings über die Wiedereinführung einer Behaltefrist diskutiert, was eine steuerliche Erleichterung mit sich bringen würde. Das würde ein langfristiges Engagement am Kapitalmarkt fördern und so für weitere Stabilität sorgen, was nicht nur für die Wiener Börse, sondern auch für den Wirtschaftsstandort von Vorteil wäre.

Ein neues Segment

Ebenso ist eine stetige Weiterentwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen erforderlich. So wurde 2019 ein neues Segment namens "direct market" eingeführt, das auf die in Österreich weitverbreiteten KMUs abzielt und ihnen den Zugang zur Börse erleichtert.

Eine weitere Chance würde auch das wachsende internationale Interesse an Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) bieten – Mantelgesellschaften, die den Gang an die Börse erleichtern. Vieles wird dabei auch von der Frage abhängen, wer in Europa den Mut hat, SPAC-Listings zu etablieren. Die Zeit dafür wäre jedenfalls gekommen.

Insgesamt verfügt Österreich über die Voraussetzungen für Börsengänge, sowohl nationaler als auch internationaler Natur. Allerdings kann nur durch die ständige Weiterentwicklung auf Basis hoher Qualitätsstandards sowie den Ausbau der internationalen Bekanntmachung Österreichs als sicherer, innovativer Wirtschafts- und Rechtsstandort die Steigerung von IPOs in Österreich erreicht werden. Dazu muss eben gerade ein technisch und administrativ interessantes Gesamtpaket angeboten werden.

Angesichts vieler attraktiver Börsenplätze im Ausland kann Wien sich wohl nur als Nischenmarkt positionieren. Aber auch das wäre es wert. (Ewald Oberhammer, 24.6.2021)