Entspannung hieß das Motto vergangene Woche bei der Assoziation des Europäischen Business (AEB) in Russland. Die AEB hatte zum Sommerfest geladen und feierte zu den Klängen von Louis Armstrongs "Summertime" sich selbst, ihr 25-Jahr-Jubiläum, aber auch die aus Sicht der europäischen Wirtschaftselite wieder in die richtige Spur kommenden ökonomischen Entwicklungen.

Dieser Eindruck hat sich durch die Vorstellung des traditionell von der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) herausgegebenen Geschäftsklimaindexes nun verstärkt. Vom "Boom in der Krise" sprach AHK-Vorstandschef Matthias Schepp am Mittwoch bei der Präsentation. Denn 95 Prozent der befragten Unternehmer sind zumindest zufrieden mit ihrem eigenen Geschäft. Gut die Hälfte will neue Mitarbeiter einstellen, und immerhin fast die Hälfte (46,9 Prozent) plant Investitionen in den nächsten zwölf Monaten. Bevorzugte Investitionsstandorte bleiben Moskau und Moskauer Umland, St. Petersburg und die Region Kaluga mit ihrem Automobilcluster. Die Umfrageergebnisse sind die besten seit einigen Jahren.

Keine Atempause, die Wirtschaft wird gestählt, es geht voran – meinen zumindest die deutschen Unternehmer in Russland.
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Österreichs Wirtschaftsdelegierter Rudolf Lukavsky teilt den Optimismus der Deutschen: "Nach den Rückgängen der österreichischen Exporte im Vorjahr ist wieder mit einer kräftigen Erhöhung der Exporte zu rechnen, ausgehend von stärkerer Nachfrage und Investitionen der russischen Industrie", sagte er dem STANDARD. Auch bei Investitionen erwartet er in den nächsten Jahren Zuwächse. Heuer planen konkret Kronospan und Lasselsberger neue Fabriken in Russland.

Wirtschaft läuft wieder

Die Investitionspläne der Unternehmen gründen sich auf eine insgesamt positive Einschätzung der gesamten Wirtschaftsentwicklung in Russland. 2020 sank das russische BIP mit drei Prozent im globalen Vergleich moderat. Heuer soll es etwa um den gleichen Betrag wieder steigen. Dass sich das allgemeine Geschäftsklima seit Anfang 2021 verschlechtert habe, glauben nur 21,3 Prozent in der AHK-Umfrage, während gleichzeitig 50,2 Prozent einen positiven oder sogar sehr positiven Trend sehen. Zwei Drittel der Befragten erwarten gleichzeitig einen Aufschwung in Russland in der zweiten Jahreshälfte.

Besonderes Wachstum versprechen die Branchen IT, Pharma und Landwirtschaft. Aber auch im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz sehen die Unternehmer großes Potenzial. "In der russischen Machtelite hat in den vergangenen eineinhalb Jahren ein dramatisches Umdenken in Bezug auf Klimawandel und Green-Deal-Politik der EU stattgefunden", meint Schepp. Die Wichtigkeit ökologisch sauberer Politik sei auch im Kreml inzwischen erkannt worden.

Boom in der Krise, die Stimmung bei Unternehmen ist gut.
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AHK-Präsident Rainer Seele betonte dabei den Wert der umstrittenen Pipeline Nordstream 2 als "Brückentechnologie auf dem Weg zur Energiewende". Als Chef der OMV ist Seele an der Realisierung der Gaspipeline direkt beteiligt. Seinen Angaben nach hat Nordstream 2 aber gesamteuropäische Bedeutung.

Sanktionen stören weiter

"Nach dem vielversprechenden Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Joe Biden und Wladimir Putin sind Politiker in Washington, Brüssel und Moskau, aber auch in Berlin, Paris, London und Kiew gefragt, neue Wege zur Deeskalation zu finden und die Sanktionsschraube zurückzudrehen", sprach sich Seele für einen Abbau der Sanktionen aus. Sanktionen finden traditionell bei Unternehmern wenig Anklang. In den letzten Jahren haben sich gleich mehrere Handelskammern und die AEB immer wieder für eine zumindest schrittweise Rücknahme der Sanktionen eingesetzt.

Neben dem volatilen Wechselkurs gelten die Sanktionen auch der neuesten Umfrage zufolge als größter Störfaktor bei den Russlandgeschäften. Eine schnelle Verbesserung ist hier aufgrund der politischen Spannungen und der jüngsten Krisen nicht zu erwarten.

Auch die jüngsten Covid-Trends könnten die Entwicklung dämpfen. "Wir hoffen, dass sich die Lage bis Jahresende normalisiert, aber die Entwicklung der letzten Tage in Moskau zeigt, dass sich die Krise noch hinziehen kann", warnt der Chef der Österreich-Werbung Gerald Böhm. In Russland breitet sich die Delta-Mutation des Virus derzeit rasch aus und hat zu ersten Einschränkungen geführt. (André Ballin aus Moskau, 25.6.2021)