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Klobige, sperrige Güter haben es heuer besonders schwer. Sie beiben auf dem Weg nach Europa stecken.

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Wien – Lego geizt mit seinen Plastikteilen. Schon bisher musste sich der Handel gedulden, bis der Spielzeugriese seine bunten Figuren nicht nur im eigenen Onlineshop anpries, sondern für den allgemeinen Verkauf freigab. Seit Corona ist um neue Minimännchen, die wie in der Autoindustrie nicht auf Lager, sondern nur auf Bedarf produziert werden, noch mehr Griss.

Engpässe in der Logistik drosseln den Nachschub. Keiner könne garantieren, ob alles bestellte Spielzeug pünktlich im Handel lande, erzählt Johannes Schüssler, Spartenobmann der Branche in der Wirtschaftskammer. "Wir sind als Spielwarenhändler stark von der knappen Warenverfügbarkeit betroffen." Ob man heuer alle Wünsche der Kunden zu Weihnachten erfüllen könne, sei ungewiss.

Drei Viertel der österreichischen Händler hadern derzeit mit Lieferverzögerungen, zeigt eine aktuelle Studie des Beraters EY im Auftrag des Handelsverbands. Unter großen Ketten sind es gar neun von zehn. Zugleich aber werden viele ihre bestehende Ware nicht los.

Zu schwach ist die Einkaufslust nach dem Ende der Lockdowns, als dass der Handel zurück in gewohnte Bahnen finden könnte. Statt impulsiv zu shoppen, beschränken sich viele Kunden damit, den Bedarf des Alltags zu decken. Um andere Begehrlichkeiten zu wecken, fehlt es vielerorts an frischem Nachschub. "Es gibt zu viel Altes und zu wenig Neues, um die Frequenz im Handel anzukurbeln", fasst Nikolaus Köchelhuber, Konsumgüterexperte bei EY, das Dilemma der Branche nach eineinhalb Jahren Coronapandemie zusammen.

Erzeugerpreise steigen

Harald Gutschi, Chef des Onlinekonzerns Unito, sieht Österreich in der größten Beschaffungskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Allein im vergangenen Monat seien in China die Erzeugerpreise um gut neun Prozent gestiegen. Gutschi klagt über einen massiven Mangel an Containern. Unito selbst verzichte derzeit darauf, Ware aus Fernost zu importieren, denn dies rechne sich erst wieder ab Containerkosten von weniger als 5000 Dollar. "Andernfalls müssten wir etwa die Preise für weiße Ware um 15 anheben. Das lässt sich bei den Kunden nicht durchsetzen."

Auf bis zu sechs Monate Lieferzeit müssen sich die Österreicher bei einzelnen Marken für Kühlschränke einstellen, rechnet Gutschi vor. Wer schneller Kühlung braucht, muss von ihnen Abstand nehmen und auf alternative Modelle umsatteln. Neben Elektronikketten, die den Mangel an Chips zu spüren bekommt, sind vor allem der Sportartikel- und Spielwarenhandel von den Turbulenzen in den Logistikketten betroffen. Hifi-Geschäfte müssen Kunden vertrösten. Aber auch viele Modeketten rennen um ihr Leiberl, seit Corona große Textilfabriken in Ländern wie Bangladesch in die Knie zwang. Selbst wenn es nicht an Verfügbarkeit scheitert, so bleiben vor allem klobige Güter auf dem Weg nach Europa stecken. Stehen sie dann doch vor der Haustür, gilt es die Not an Handwerkern zu meistern.

"Wer Ware hat, gewinnt"

Die Beschaffungskrise werde Österreich bis Jahresende beschäftigen, ist sich Gutschi sicher. "Wer Ware hat, gewinnt." Den Peak hält er jedoch für überwunden. Auch über der Inflationsrate steigende Preise im Einzelhandel erwartet er trotz hohen Margendrucks nicht: Magere Kundenfrequenz lasse Spielraum nach oben nicht zu.

Österreich Händler haben seit dem Ausbruch der Pandemie im Schnitt 25 Prozent des Umsatzes verloren, geht aus der EY-Umfrage unter 136 Unternehmen hervor. Ein Drittel der Befragten erzielte in dieser Zeit auch Zuwächse. Heuer brachen ihre Umsätze im Vergleich zum Vorjahr unter dem Strich um vier Prozent ein. Je kleiner ein Händler und je weniger internetaffin, desto stärker geriet er in die Bredouille.

Zehn Prozent schlossen Filialen, drei Viertel schafften es, den Personalstand zu halten. Handelsverbandschef Rainer Will sieht letztlich von Euphorie keine Spur und immer noch 5000 Händler in ihrer Existenz gefährdet. Über die Höhe der Staatshilfen herrsche Zufriedenheit, über ihre Abwicklung nicht.

Retten ohne Bürokratie

Wenn ein Haus lichterloh brennt und dieses mit dem Wasserschlauch gelöscht wird, darf es keine langwierigen Anträge geben, ob man den Wasserhahn überhaupt aufdrehen darf, sagt Will. Er pocht auf ein Vorziehen der Steuerreform, um die Kaufkraft zu stabilisieren, und erneuert seine Forderung nach einer Abschaffung der Mietvertragsgebühr. Diese mache es vor allem für kleine Händler schwer, sich gute Standorte zu sichern. Österreich stehe damit in Europa überdies alleine da.

"Es braucht eine gezieltere Förderung für kleine und mittlere Betriebe", ergänzt Gutschi. Die Hälfte der Händler befürchte einen Rückgang stationärer Geschäfte. Strukturwandel lasse sich nicht aufhalten, aber verzögern, was Zeit gebe, sich an das neue Umfeld anzupassen (Verena Kainrath, 24.6.2021)