Endlich! Mit ihrer Forderung nach leichteren Einbürgerungsbestimmungen für Zuwanderer haben die Sozialdemokraten endlich einmal klare Linie gezeigt und nicht nur eine Konfrontation mit den Türkisen riskiert, sondern auch mit ihrem eigenen rechten Flügel. Das war sowohl anständig wie auch mutig. Und bitter nötig, wenn man diese Partei als verlässliche Vertreterin der Schwachen in der Gesellschaft noch ernst nehmen soll.

Bisher hat sich die SPÖ in der Opposition vor allem auf Kritik an Korruption und Forderungen nach höheren Löhnen und Beihilfen konzentriert. No na. Berechtigt und ehrenwert, aber kaum inspirierend und auch kaum gefährlich. Wenn sie nun das wichtige und kontroverse Thema Integration aufgreift, ist es kein Wunder, dass es von allen Seiten Kritik hagelt.

Linke Willkommenskultur, sagt die ÖVP. Entwertung der Staatsbürgerschaft. Und natürlich parteipolitisch motiviert: Die SPÖ will bei den Migranten Stimmen fischen. Schlechtes Timing, sagen viele der allgegenwärtigen Politikbeobachter. Ausgerechnet jetzt, da die ÖVP in Schwierigkeiten steckt, mit einem unpopulären Thema daherkommen ist ein Schuss ins eigene Knie. So was Blödes! Diese Sozis lernen’s nie.

Die allermeisten Experten und alle, die beruflich oder privat mit Migranten zu tun haben, sehen die Sache allerdings anders. Sie weisen darauf hin, dass Österreich es Zuwanderern schwerer macht als alle anderen Staaten in der EU außer Bulgarien, Staatsbürger zu werden. Dass ein Drittel der in Wien lebenden Menschen, obwohl sie hier arbeiten und Steuern zahlen, nicht wählen dürfen. Ist das Demokratie?

Keine Chance

Dass hier geborene Kinder, die kein anderes Land und keine andere Sprache kennen als Deutsch, "Ausländer" sind und mit dem Bewusstsein aufwachsen: Du gehörst nicht zu uns. Und dass zehntausende gut integrierte Familien, die wir hier gut brauchen können, wegen der hohen Einbürgerungsgebühren keine Chance haben, sich hier jemals sicher und zu Hause zu fühlen. Diese Regierung redet ständig von Integration, sagte vor kurzem eine Praktikerin, aber gleichzeitig ist sie es, die eine wirksame Integration verhindert.

Und was hat es mit dem Vorwurf auf sich, die SPÖ wolle einfach von Migranten gewählt werden? Die Sozialdemokratie ist aus der Arbeiterbewegung entstanden. Die Arbeiterklasse in Österreich besteht heute mehrheitlich aus Zugewanderten. Sie sind die natürliche Klientel einer Partei, die sich immer noch als Arbeiterpartei versteht. Freilich, das gefällt vielen nicht, die sich durchaus mit Recht auch als abgehängt, benachteiligt, ungerecht behandelt fühlen. Sie empfinden die Migranten als Konkurrenz, obwohl nicht wenige von ihnen auch zugewanderte, oft tschechische, Vorfahren haben. Diese "echten Österreicher" sind empfänglich für Parolen wie "Unser Geld für unsere Leut".

Das ist ein Dilemma, das die Sozialdemokraten aushalten und ansprechen müssen. Sie könnten sich dabei auf das alte und vielfach vergessene Prinzip der Solidarität berufen, das unabhängig von Herkunft und "Rasse" für alle gilt. Leichtere Einbürgerung bedeutet nicht blindes Gutmenschentum und auch nicht "alle hereinlassen". Es heißt einfach, das Vernünftige und Anständige zu tun. Und es gibt, über alle Parteigrenzen hinweg, auch genügend Österreicher, die die Parteitaktiererei und das Schielen auf die Neidgenossenschaft satthaben. Wie sagte der Bundespräsident? So sind wir nicht. Zumindest nicht alle. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 24.6.2021)