Im Augarten zu sitzen und einfach nur genießen zu können war nicht immer selbstverständlich.

Foto: Florentina Olareanu

Es ist erst lächerliche dreißig bis vierzig Jahre her, da hat einem der meist heimtückisch versteckte Gärtner, wenn man der Rasenkante auch nur annähernd zu nahe gekommen ist, bereits eine vierzehntägige Traumreise zum Teufel angetragen. Der Augarten war seinerzeit mehr etwas für die Augen als für den Gebrauch. Gebrauchen durften ihn nur Schülerinnen und Schüler, die auf der Tartanbahn der Jahnwiese im Rahmen des Turnunterrichts den vorabendlichen Rausch unauffällig rauszuschwitzen trachteten.

Heute ist der Augarten eine riesige Picknickwiese, wo äußerlich wie auch im Herzen jung Gebliebene im Gras dem Gras frönen, dem Ballspiel huldigen oder in der Sonne einfach die Seele baumeln lassen. Radfahren ist verboten, das weiß nur niemand, und die großen Hunde lassen die kleinen Kinder meist in Ruhe.

In Überresten eines an den Zweiten Weltkrieg erinnernden Bunkers, wo einst Awawa und Bunkerei Erfrischungen anboten, hat die Schankwirtschaft ihr Angebot ausgerollt. Der Gastgarten liegt größtenteils schattig an der Mauer zur Oberen Augartenstraße – über die sich seinerzeit die Kinder illegalen Zutritt zum Augarten verschafft haben. Das ist nicht mehr nötig, die Mauer ist schon lange geöffnet und der Zutritt entsprechend leicht gemacht.

Der Augarten war früher nur über wenige Eingänge zugänglich. Sein Sich-Öffnen gegenüber den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger zeigt sich auch durch die Vielzahl der Zugangsmöglichkeiten, die sukzessive geschaffen wurden.

Der schönste Blick

Die Schankwirtschaft, nach außen sympathisch improvisiert und ideal für Großeltern samt Enkerln, ist ein hochprofessioneller Ganzjahresbetrieb mit Räumlichkeiten für Feiern und andere Veranstaltungen.

Die zentrale Lage schlechthin hat das Lokal Sperling im Augarten. Auch hier gab es bereits gastronomische Vorgängerbetriebe. Innen bunt und kreativ ausgestaltet, draußen einfach den besten Blick im gesamten Augarten – plus Sonnengarantie bei Sonnenschein. Hier gibt es hervorragende Küche in kleineren Portionen, so richtig schön zum Gustieren, während man beim Betrachten des Treibens auf den Wiesen und Alleen von innerer Ruhe durchdrungen wird. Die Betreiber Aurelio Nitsche und Andreas Sael sind erfahrungsgemäß absolute Qualitätsgaranten, die Servicetruppe agiert hochprofessionell und freundlich. Unbedingt das Bao Bun Duo mit Gans und Schweinebauch probieren – schlicht göttlich!

Zwischen Weltkriegsbunker und Porzellanmanufaktur hat sich der Augarten auch kulinarisch gemausert.
Foto: Christian Fischer

Und doch: Es geht noch schöner! Dort, wo die Bäume nicht mehr zu Knusper-Noggern geschnitten sind, sondern sich in ihrer gesamten Pracht über Jahrzehnte hinweg entfalten durften, dort ist es so ungemein schön, dass einem der Atem stockt. Kein Wunder, dass dort fast immer schon die Kunst zu Hause war. Mit dem Auszug der TBA21 blieb das Gustinus-Ambrosi-Areal wegen Vandalismus jedoch versperrt. Jetzt haben sich Health Kitchen und Brotzeit zusammengetan, entsprechen den Vorgaben der Bundesgärten und haben La Grande Dame eröffnet. Benannt ist das Lokal nach der zweihundertfünfzig Jahre alten Platane, die den Gästen Schatten, den Lichterketten Gerüst und den Anrainern Schalldämpfung schenkt – denn hier sorgen Live-DJs für hintergründige Sounduntermalung. Drinks, Häppchen und kleine Gerichte, Liegestühle, Fatboys und Picknickdecken – der Sonnenuntergang möge beginnen.

Die romantische Ecke

Doch es gibt ein weiteres Highlight für den Konsum im Freien: Im so herrlich verwilderten Naturgarten des Filmarchivs Austria im Augartenspitz hat der Grünstern-Kinoheurige aufgesperrt. Ist es in La Grande Dame eine gewaltige Platane für eine kunstaffine Jeunesse dorée, so scharen sich hier cineastisch motivierte Hipster unter einer nicht minder mächtigen Silberpappel.

Romantischer ist es vermutlich nirgendwo sonst in Wien. Lichterketten, Tische und Sessel auf der Wiese, ein entzückender Schattengarten, riesige Bäume, dichtes Buschwerk, nostalgische Fassaden – und doch, wo man einen Platz bekommen möchte, darüber muss man schweigen (Wittgenstein). (Gregor Fauma, 24.6.2021)