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Wien – Der Tritt in die Pedale eröffnet neue Wege durch Stadt und Land. Mit Muskelkraft lässt sich Freiheit zurückholen, die Corona seit mehr als einem Jahr hart beschneidet. Radfahren boomt mehr denn je. Eine halbe Million Räder wurde in Österreich 2020 in Summe verkauft, um 100.000 mehr als im Jahr zuvor. Und es hätten noch mehr sein können, wenn Lieferengpässe der Industrie den Markt nicht gebremst hätten, sagt Holger Schwarting, Chef von Sport 2000.

Seine Handelsgruppe steigerte den Radumsatz im Corona-Jahr um ein Fünftel und machte alle Einbußen wett, die den Lockdowns geschuldet waren. Denn auch der Absatz rund um Berg- und Laufsport legte um zehn Prozent zu. Unterm Strich setzten 237 Sport-2000-Händler 2020 in Österreich 590 Millionen Euro um – das ist ein Zuwachs von elf Millionen Euro in Zeiten, in denen der Rest der Wirtschaft weitgehend stillstand.

Mangel an Ersatzteilen

Wie geölt läuft das Radgeschäft dennoch nicht. Fabriken in China standen teils monatelang still. Mit der Produktion nicht mehr nach kam unter anderem Shimano. Der Spezialist für Gangschaltungen ist bis 2023 ausverkauft, erzählt Schwarting. Auch an Ersatzteilen, vom Radschlauch bis zum Bremsbelag, herrscht Mangel. "Es reicht, wenn ein Lieferant ausfällt, schon steht die gesamte Kette still." Zusätzlich verdreifachten sich die Kosten für Container in China.

Die Preise für Fahrräder zogen heuer daher um fünf Prozent an. "Und die Konsumenten waren bereit, mehr dafür zu bezahlen." Nach oben trieb ihre Kosten der Wettlauf um E-Bikes. In den vergangenen Jahren lagen die Radausgaben der Österreicher im Schnitt bei 700 Euro. Für ein E-Bike müssen im Handel freilich meist zumindest 2.700 Euro hingeblättert werden.

Bis die Sportindustrie die Lieferengpässe bei Rädern, aber auch rund um Sportschuhe und Fitnessgeräte in den Griff bekommt, wird es bis 2023 dauern, fürchtet Schwarting. "Derzeit verlangen Hersteller vom Handel erstmals in unserer Historie eine Vorausplanung für zwei Jahre."

Skiindustrie hält Innovationen zurück

Ganz andere Regeln gelten heuer in der Skibranche. Die vergangene Wintersaison brachte für das Gros der Händler in Tourismushochburgen im Westen Österreichs einen Totalausfall. Für Sport 2000 führte das Ranking im Skiverleih ein Händler in Mönichkirchen in Niederösterreich an, erzählt Schwarting. "Auch das wird es in unserer Geschichte wohl nie wieder geben."

Die Industrie zog daher an einem Strang, stellte sämtliche Innovationen um ein Jahr zurück, damit die unverkaufte Ware in den Lagern der Händler kommenden Winter nicht alt aussieht. Schwarting sieht darin für Konsumenten keine Nachteile; wirklich Bahnbrechendes bei Skiern sei ja schließlich auch nicht zu erwarten.

Fällt die Skisaison diesen Winter Corona erneut zum Opfer, wird es für die Sportbranche eng, sagt er. Ein Drittel der Betriebe würde ohne Förderungen nicht überleben. Bei Sport 2000 holten sich bisher überwiegend Händler aus dem Westen staatliche Hilfe. Unternehmern im Osten verschaffte die Bereitschaft, mehr Geld für Fitness auszugeben, ausreichend Luft.

Zweistellige Zuwachsraten spielt es im Sporthandel auf Dauer nicht. Die Österreicher werden sich künftig auch Reisen und Wirtshausbesuche wieder mehr kosten lassen. (Verena Kainrath, 24.6.2021)