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Der belarussiche Machthaber Lukaschenko besuchte das Logistikzentrum des österreichischen Spanplattenherstellers Kronospan (Symbolbild).

Foto: reuters/INTS KALNINS

Minsk/Wien – Am Donnerstag, just an jenem Tag, an dem die neuen EU-Wirtschaftssanktionen gegen sein Land in Kraft treten, hat der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko einen Betrieb des österreichischen Spanplattenherstellers Kronospan besucht. Im Außenministerium in Wien sprach man von einem "plumpen Versuch der Instrumentalisierung des Unternehmens für innenpolitische Zwecke", Kritik kam auch von der Opposition des Landes.

Bei einem Besuch eines Logistikzentrums von Kronospan im Westen des Landes hatte Lukaschenko am Donnerstagvormittag dem in Salzburg beheimateten Konzern nahegelegt, nicht nur Halbfabrikate zu erzeugen, sondern vor Ort auch selbst Möbel zu produzieren. "Je größer der Mehrwert in Belarus ist, desto stärker wir Sie auch unterstützen", zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Belta.

Holzverarbeitung nicht sanktioniert

"Mit diesem Betriebsbesuch wollte Lukaschenko zeigen, wie gekonnt er die Sanktionen des Westens umgeht und dass der Westen weder geeint noch entschieden auftritt", erklärte der APA am Donnerstag Franak Wjatschorka. Der derzeit im litauischen Exil lebende außenpolitischer Berater der Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja verwies auf nicht realisierte Vorschläge der belarussischen Opposition, Sanktionen nicht nur in Bezug auf die Öl- und chemischen Industrie zu beschließen, sondern diese auch auf die holz- und metallverarbeitende Industrie des Landes auszuweiten.

"Es handelt sich hier um den plumpen Versuch einer Instrumentalisierung von österreichischen Unternehmen für innenpolitische Zwecke durch das Regime in Belarus. Das lehnen wir ganz entschieden ab", kommentierte ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums am Donnerstagvormittag. Die unerträgliche Repression müsse endlich aufhören und der Weg des Dialogs mit der Zivilgesellschaft eingeschlagen werden, erklärte er.

Gleichzeitig betonte der Vertreter des Außenministeriums die wichtige Rolle, die europäische Firmen in Belarus spielten. "Sie waren und sind eine wichtige Lebenslinie für die Bevölkerung und ein Fenster zum Westen", sagte er. Auch sei die wirtschaftliche Perspektive für den demokratischen Prozess und einen friedlichen Übergang im Land von großer Bedeutung.

Nicht nur Kronospan wird instrumentalisiert

Litauen wirft seinem Nachbarstaat Belarus vor, zunehmend Migranten als politische Waffen gegen die EU einzusetzen. Es sei jetzt offizielle Politik der Führung in Minsk, Flüchtlinge über die Grenze zu schicken, sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Nauseda warf der Führung in Minsk vor, gezielt weitere Migranten aus Irak, Iran und Syrien ins Land zu holen, um sie dann in die EU abzuschieben. Litauen brauche EU-Unterstützung bei der Grenzsicherung.

"Es gibt zusätzliche Flüge von Minsk nach Bagdad und anderen Orten der Region", kritisierte Nauseda. In Minsk würden derzeit 1.500 Iraker darauf warten, die Grenze zur EU überwinden zu können. Litauen unterstütze die Entscheidung der EU, verschärfte Sanktionen gegen die belarussische Führung wegen der Unterdrückung der dortigen Opposition zu verhängen.

Wirtschaftssanktionen seit Donnerstag in Kraft

Die EU hat am Donnerstag die kürzlich beschlossenen Wirtschaftssanktionen gegen Belarus in Kraft gesetzt. Die Strafmaßnahmen, treffen unter anderem die Kali- und Düngemittelindustrie sowie Tabak- und Mineralölunternehmen und den Finanzdienstleistungssektor des Landes.

Mit den Wirtschaftssanktionen will die EU den Druck auf den Machtapparat Lukaschenkos und dessen anhaltende Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition weiter erhöhen. Konkreter Auslöser war die aus EU-Sicht illegale Festnahme des regierungskritischen Bloggers Roman Protassewitsch. Belarussische Behörden hatten eine von Athen nach Vilnius in Litauen fliegende Passagiermaschine zu einer Zwischenlandung in Minsk gezwungen, um des Bloggers habhaft zu werden.

Prozess gegen Blogger Tichanowski angelaufen

In Belarus gibt es seit der Präsidentenwahl am 9. August vergangenen Jahres Proteste gegen Lukaschenko. Dabei gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Menschenrechtler berichten über Folter in den Gefängnissen. Gegen Lukaschenko selbst und Dutzende andere Unterstützer gibt es schon seit längerem Strafmaßnahmen.

Mehr als ein Jahr nach seiner Festnahme hat in Belarus nun der Prozess gegen den Blogger Sergej Tichanowski begonnen, der bei der Präsidentenwahl gegen Lukaschenko kandidieren wollte. Seine Ehefrau Swetlana Tichanowskaja schrieb auf Telegram, das Gericht tage unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Stadt Gomel. Neben dem Blogger seien fünf weitere Männer angeklagt. Tichanowski wird etwa die Organisation von Massenunruhen vorgeworfen. Er war Ende Mai vergangenen Jahres beim Sammeln von Unterschriften für seine Kandidatur festgenommen worden.

Egal, welches Urteil gesprochen werde, "jeder versteht, dass es sich nicht um einen Prozess handelt, sondern um die persönliche Rache und Vergeltung desjenigen, der mit Gewalt die Macht ergriffen hat", schrieb die im EU-Ausland lebende Bürgerrechtlerin Tichanowskaja am Donnerstag. Sie hatte anstelle ihres Mannes bei der Wahl kandidiert und nach Meinung vieler die Abstimmung deutlich gewonnen. (red, Reuters, APA, 24.6.2021)