Microsofts Panos Panay bei der Vorstellung von Windows 11.

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Es war im Juli 2015, da hat Microsoft die bis heute aktuellste Generation seines Betriebssystems veröffentlicht, und zwar nicht bloß irgendeine: Windows 10 soll die letzte große Version der Software werden, hieß es damals im Brustton der Überzeugung. Dies mit einer durchaus nachvollziehbaren Argumentation: Statt der Veröffentlichung großer Windows-Updates alle paar Jahre setzt man seitdem auf kontinuierliche Weiterentwicklung. Ein Modell, in dem große Versionssprünge nur mehr begrenzt Sinn ergeben. Sechs Jahre später ist nun plötzlich alles wieder anders – also zumindest, was die Namenswahl anbelangt.

Neuer Look

Mit Windows 11 hat Microsoft nun einen ersten Blick auf die nächste Generation seines Betriebssystems gewährt. Der "Blick" spielt dabei tatsächlich eine entscheidende Rolle, sind doch viele der Neuerungen oberflächlicher Natur. Microsoft hat dem Betriebssystem eine Art optische Generalüberholung verpasst. Die auffälligste Neuerung ist dabei ein vollständig neu gestaltetes Startmenü: Die aus der Windows 8-Ära bekannten "Live Tiles" wurden gestrichen, stattdessen werden die am meisten genutzten Apps und Dokumente sowie Empfehlungen dazu angezeigt. Zudem gibt es die Möglichkeit, ausgewählte Apps zu "pinnen", um sie dauerhaft an dieser Stelle zu platzieren. Den Rest gibt es dann über eine zentrale Suche oder einen Knopf, der zu sämtlichen Apps führt.

Der Desktop von Windows 11 samt dem neuen Startmenü.
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Diskussionsstoff liefert die Platzierung des Startknopfes: Dieser ist nun nämlich im Taskbar mittig angebracht anstatt wie über viele Jahre hinweg gewohnt im linken unteren Eck. Bevor nun langjährige Nutzer Panik bekommen: Diese Anordnung soll sich angeblich rückgängig machen lassen. Eine Art nächste Generation der Anordnung von Fenstern gibt es unter dem Namen "Snap Layouts". Über die Taskzeile lassen sich Fenster künftig in einer Reihe unterschiedlicher Layouts anordnen. Das Konzept erinnert insofern an Tiling Window Manager, wie sie zuletzt immer beliebter geworden sind. Diese Layouts sollen dabei auch automatisch an die Bildschirmgröße angepasst werden. Dazu passend gibt es auch noch die "Snap Groups", über die mehrere Anwendungen gemeinsam im Panel zusammengefasst werden können. Ein Klick auf das entsprechende Icon öffnet dann all die Fenster der unterschiedlichen Programme im gewählten Layout.

Erinnerungen

Den ganz großen Bruch mit dem Aussehen von Windows 10 sollte man übrigens nicht erwarten, die neue Version stellt eher eine Verfeinerung des Bestehenden dar. Vor allem aber sieht sie sehr stark nach dem aus, was vor nicht allzu langer Zeit noch als Windows 10X bekannt war. Unter diesem Namen hatte Microsoft lange an eine Art reduziertes Windows und damit einen Konkurrenten zu Googles – gerade im wichtigen US-Bildungsbereich derzeit extrem erfolgreichen – Chrome OS gedacht. Doch diese Pläne wurden mittlerweile verworfen, die dabei entstandenen User-Interface-Ideen scheint man nun aber wiederzuverwerten.

Der neue Widget-Support in Windows 11.
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Doch die Neuerungen von Windows 11 bleiben nicht nur an der Oberfläche. So kündigt Microsoft etwa deutliche Verbesserungen für die oft kritisierte Update-Auslieferung an. Updates sollen nicht nur 40 Prozent kleiner sein, sie sollen künftig vor allem im Hintergrund installiert werden, wodurch lange Wartezeiten beim Neustart entfallen sollen. Dazu verspricht Microsoft eine gesteigerte Performance in vielen Bereichen – etwa beim Aufwachen aus dem Schlafmodus – sowie reduzierten Stromverbrauch. Und auch sicherer soll das Betriebssystem geworden sein.

Android-Support für Windows

Die Android-Version von Tiktok direkt unter Windows.
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Microsoft-Teams-Integration im Desktop.
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Microsoft hatte aber noch eine echte Überraschung bereit: Windows 11 soll nämlich Android-Apps nativ unterstützen. Sie können also direkt aus dem Microsoft Store installiert und am Windows-Desktop genutzt werden. Dies inkludiert auch die Integration mit dem Taskbar des Betriebssystems und natürlich dem Startmenü. Die Apps bekommt man dabei direkt über eine Partnerschaft mit Amazon und dessen App Store. Das heißt auch: Programme, die fix von Googles Play Services abhängig sind, werden hier wohl nicht laufen. Die technische Basis für den Android-App-Support stammt übrigens von Intel und dessen Bridge-Technik.

Ein weiterer Neuzugang ist die fixe Integration von Microsoft Teams in den Desktop. Künftig soll über ein Icon im Taskbar schnell direkt auf aktuelle Chats und andere Kommunikationsformen zugegriffen werden können. Ebenfalls verbessert soll die Touch-, Pen- und Sprachsteuerung von Windows 11 sein. Auf Tablets optimiert man etwa das Layout für die Benutzung mit den Fingern. Bei der Nutzung eines Pens gibt es künftig haptisches Feedback in Form von Vibrationen.

Spiele

Die Integration unterschiedlicher Plattformen spielt derzeit bei vielen Herstellern eine wichtige Rolle. Im Falle von Windows 11 äußert sich dieser Trend durch eine stärkere Einbindung der Xbox App und des Xbox Game Pass. Damit gibt es dann auch einen zentralen Anlaufpunkt für den Spielestreamingdienst des Unternehmens. Den bewirbt man mit dem Hinweis, dass so High-End-Spiele selbst auf schwacher Hardware laufen. Auch sonst gibt es neue Funktionen für Spiele unter Windows, indem Auto HDR in das Betriebssystem integriert wird, wodurch also viele Titel besser aussehen sollen. Und von der Xbox Series X übernimmt man eine Technik namens "Direct Storage", die signifikant bessere Performance verspricht.

Microsoft Store

Was für Apple der App Store und für Google der Play Store, ist für Microsoft der – uhm – Microsoft Store. Also zumindest, wenn man nach der Absicht des Softwareherstellers geht, bildet doch der für Windows gedachte Store bisher im besten Fall eine Randerscheinung bei der Verbreitung neuer Software. Dies würde Microsoft natürlich gerne ändern, und so kündigt man jetzt eine Reihe von Neuerungen an, die das Interesse der Entwickler frisch befeuern sollen.

Lockerungen der Regeln sollen neue Anwendungen in den Microsoft Store locken. Bei Adobe hat das schon mal funktioniert.
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Die Wichtigste davon: Microsoft lockert die Regeln für zur Aufnahme zugelassene Apps massiv. Mussten bisher sämtliche Programme in Microsofts eigenes MSIX-Format umgewandelt werden, fällt diese Vorschrift nun ebenso wie der Zwang zur Nutzung von Microsofts Update-System. Dies könnte den Weg für beliebte Programme wie die Browser Chrome und Firefox oder auch das Videokonferenz-Tool Zoom frei machen. Alles Programme, die man im Microsoft Store bisher vermisst. Bereits bestätigt ist etwa die Aufnahme der Adobe Creative Cloud.

Für Entwickler dürfte aber noch eine andere Neuerung von besonderem Interesse sein: Künftig sollen sie nämlich eigene Bezahldienste verwenden dürfen. Das heißt vor allem: Wer will, kann auf diesem Weg die 15-prozentige Beteiligung von Microsoft an jeder Transaktion umschiffen. Interessant ist das nicht zuletzt für Dienste wie die Spieleplattform Steam oder auch den Epic Games Store. Das mag aus einer finanziellen Perspektive zunächst kontraproduktiv wirken, für Microsoft könnte die Rechnung aber trotzdem aufgehen. Immerhin hat man wenig zu verlieren, da die mit dem Microsoft Store lukrierten Einnahmen ohnehin vergleichsweise gering sind, eine größere Relevanz des Stores könnte also auch neue Entwickler anziehen, die sehr wohl das Microsoft-Angebot nutzen wollen. Nicht zuletzt ist das auch ein politisches Instrument, hatte Microsoft doch in den vergangenen Monaten immer offensiver Apple für seine strikten Regeln rund um den App Store gegeißelt.

Ausblick

All das wirft die Frage auf: Wann können Interessierte es ausprobieren? Die gute Nachricht: bald. Laut Microsoft soll der erste Windows 11 Insider Build bereits Anfang kommender Woche verfügbar sein. Das Unternehmen betont aber gleich, dass diese Testversion noch nicht vollständig ist und einige der aktuellen Ankündigungen erst in den kommenden Monaten einfließen sollen. Die fertige Version von Windows 11 soll dann gegen Ende des Jahres für alle erhältlich sein. Folgende Updates sollen künftig im jährlichen Rhythmus erscheinen. Für bestehende Windows 10-Nutzer soll das Upgrade übrigens kostenlos sein. Die Mindestanforderungen für die neue Softwaregeneration umreißt Microsoft mit einer 64-Bit CPU, 4 GB RAM und 64 GB lokalem Speicherplatz. (Andreas Proschofsky, 24.6.2021)

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