Ein goldfarbenes Halsband, verziert mit einem Familienwappen und der Angabe "1689", stellte Mitarbeiter des Rijksmuseum jahrzehntelang vor ein Rätsel. Es ähnelte eher einem Folterwerkzeug als einem Schmuckstück. Sie katalogisierten es als Hundehalsband – und entgingen so der Konfrontation mit einer besonders demütigenden Praxis der Sklaverei.

Dabei hätte nur ein Blick in die eigene Sammlung gereicht, um das Halsband auf Gemälden der Zeit zu finden. Die Träger waren stets junge Diener afrikanischer Herkunft. Offiziell galten sie nicht als Sklaven, denn Menschenhandel betrieben die Niederländer nur außerhalb ihrer Grenzen. Rechtlich waren sie frei, im Gegensatz zu über 600.000 Leibeigenen, die auf Zuckerrohrplantagen der Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) schufteten, von Brasilien über Surinam bis nach Südafrika. Erst 1863 rangen sich die Niederlande zur Abschaffung der Sklaverei durch.

Verschlepptes "Humankapital"

Warum musste dann aber auch das ins Kernland verschleppte "Humankapital" wie ein Haustier markiert werden? In der Ausstellung Sklaverei, der ersten, die das Rijksmuseum dem Thema widmet, liegt das Halsband auf einem hohen Podest. Das Porträt des Grafen Maurits van Nassau la Lecq zu Pferd hängt tiefer, als man es gewohnt ist, damit man den schwarzen Jungen links im Bild nicht übersehen kann.

Die späte Praxis beschämender Rechtlosigkeit: Sklaven in niederländischer Überseebesitzung beim Schuften, etwa 1850.
Foto: Figuerinhas/Rijksmuseum

Dass sich Rembrandts Hochzeitsporträts von Marten und Oopjen, die 2016 als ein herausragendes Beispiel von Vertretern des "Goldenen Zeitalters" erworben wurden, ihren Raum mit Werkzeugen für den Zuckerrohranbau teilen müssen, ist natürlich auch kein Zufall. Die parteiisch die Perspektive der Opfer einnehmende Architektur lässt keinen Zweifel: Im Vordergrund stehen die Umstände, unter denen das Paar zu seinem Reichtum gekommen ist.

Anerkennung des Leids

Genau nach diesen dunklen Schatten fragen seit Jahren vor allem schwarze Niederländer, die für das Leiden ihrer Vorfahren Anerkennung einfordern. Die Rassismusdebatte hat ihre Stimmen lauter werden lassen,und siehe da, das altehrwürdige Rijksmuseum schärft den Blick auf seine Depots. Im Zuge der Recherchen kristallisierte sich heraus, dass Marten Erbe eines der größten Zuckerhändler Amsterdams war. Oopjen heiratete später Maerten Daey, der auf Zuckerplantagen in Brasilien gearbeitet und dort eine versklavte Frau vergewaltigt hatte. Das Ausmaß der familiären Verstrickungen wird im Raumtext und via Audioguide erzählt, so wie bei anderen exemplarischen Profiteuren und Opfern. Sie treffen in einem Labyrinth aus Spiegelwänden, Settings, Vitrinen, Karten und Schriftquellen aufeinander.

Instrumente, mit denen Brandzeichen gesetzt wurden, und Fußfesselbalken mit schweren Ketten zeugen von einem System, das Menschen zu gewinnbringenden Objekten reduzierte. Wie etwa der Amsterdamer Plantagenbesitzer Jonas Witsen, der sein Anwesen in Surinam nie besucht hat. Stattdessen ließ er den Maler Dirk Valkenburg vor Ort Gemälde anfertigen, überwiegend Landschaften, bis auf eine Ausnahme. Sie gibt einer Gruppe von Sklaven ein Gesicht. Vor allem die Spiegel haben es in sich, rufen sie doch über die Konfrontation mit dem eigenen Antlitz zur Reflexion über die im Kontext von Eroberung und Unterdrückung gar nicht so goldige Landesgeschichte auf.

Wachsender Widerstand

Gleich mehrere Freiheitskämpfer stehen für den wachsenden Widerstand. Von Tula auf Curaçao ist zwar kein zeitgenössisches Porträt vorhanden, dafür aber Material über ihn aus dem Nationalarchiv. Als die Sklaverei in Frankreich während der Revolution ihr Ende fand, rief Tula 1795 zur Revolte auf. Viele Leidensgenossen folgten ihm. Vergeblich. Die niederländischen Siedler schlugen den Protest nieder und folterten den Anführer zu Tode. Der Balinese Surapati wiederum, der in Indonesien bis heute als Nationalheld gefeiert wird, taucht auf einem Gemälde von Jacob Coeman unter den Mitgliedern der Familie seines Besitzers Pieter Cnoll auf. Noch deutet nichts darauf hin, dass sich der junge Diener mit dem Sonnenschirm in der Hand kurz danach zum wichtigsten Gegner der VOC entwickeln wird.

Im letzten Saal dokumentieren Gesetzestexte das Ende der 250 Jahre dauernden Sklaverei, flankiert von einer Perleninstallation. Sie entführt auf Sint Eustatius, wo Sklaven mit Perlen bezahlt wurden. So sollte verhindert werden, dass sie an der Geldwirtschaft teilnehmen. Nach ihrer Befreiung warfen sie die Perlen zurück ins Meer, damit auch diese symbolisch ihre Unabhängigkeit zurückerlangen konnten. (Alexandra Wach aus Amsterdam, 25.6.2021)