Wandel durch Annäherung: So wurde vor gut fünfzig Jahren die Strategieänderung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik genannt. Mitten im Kalten Krieg sollte nicht mehr (nur) auf Konfrontation gesetzt werden, sondern auf Verständigung, auf kleine Schritte der Kooperation.

Daran fühlt man sich erinnert, wenn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Pakt mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für einen Strategiewechsel der EU im Verhältnis zu Russland plädiert. Es soll wieder Dialog geben. Seit 2014 herrscht auf höchster politischer Ebene Eiszeit, werden die Beziehungen immer schlechter. Es brauchte also durchaus ein neues Momentum im europäisch-russischen Verhältnis. Schwache EU-Sanktionen haben bisher fast nichts bewirkt.

Die gute Frage ist aber: Kann ein Wandel allein durch Reden erzielt werden? Da sind große Zweifel angebracht. Präsident Wladimir Putins Aussagen ist selten zu trauen. Und die 27 EU-Staaten reden außenpolitisch mit vielen Zungen.

Willy Brandts Ostpolitik zeichnete sich dadurch aus, dass sich die BRD im freien Westen die Finanzierung der kommunistisch geführten DDR leisten konnte. Es gab viele konkrete Annäherungsprojekte, aber bis 1989 keinen Durchbruch. Daher gilt heute auch für das gemeinsame Europa: Man sollte sich keine falschen Hoffnungen zu Putin und Russland machen. Aber es ist richtig, den Dialog offensiv anzubieten. Was sonst? (Thomas Mayer, 24.6.2021)