Welche Akten wurden genau geliefert? Die Opposition will der Frage noch einmal nachgehen.

Foto: Fischer

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat dem Straflandesgericht Wien am Donnerstagvormittag die Exekutionsanordnung übermittelt, die auf einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs beruht. Im Finanzministerium sollen jetzt jene Daten sichergestellt und gesichtet werden, die nach Meinung der Opposition offenbar bewusst nicht dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss geliefert wurden – und die es nach Angaben von Finanzminister Gernot Blümel überhaupt nicht gibt. Dabei soll es sich in erster Linie um E-Mails von leitenden Beamten des Ressorts an Mitarbeiter handeln. Der VfGH hatte dem Anliegen der Opposition auf Aktenlieferung bereits am 3. März stattgegeben. Das, was bisher ans Parlament geliefert wurde, kann nach Einschätzung der Opposition nur einen Bruchteil der tatsächlichen Korrespondenz ausmachen.

Was jetzt erfolgt, ist auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss endet nämlich nach dem Willen der Regierungsparteien ÖVP und Grüne am 15. Juli. Bis dahin müssten die Akten nicht nur gefunden und gesichtet, sondern auch dem Parlament übermittelt worden sein. Bis Herbst können die Abgeordneten sie dann lesen. Auch Van der Bellen wies auf die Dringlichkeit hin und stellte fest: "Was bis dahin nicht geliefert wurde, kann nicht mehr berücksichtigt werden."

Sabotierte Aufklärung

Die Grünen hatten ihre Weigerung, den U-Ausschuss um drei Monate zu verlängern, mit dem Argument begründet, die Opposition könne jederzeit einen neuen Ausschuss einsetzen. Die Opposition sieht darin die Sabotage ihrer Aufklärungsarbeit, da ein neuer Ausschuss wieder bei null anfangen müsste und die bis dahin gelieferten Akten nicht verwendet werden könnten. Das gesamte Prozedere müsste erneut durchlaufen werden, das würde wieder Monate dauern. "Es ist Schluss mit Aufklären", warnt die Neos-Abgeordnete Stefanie Krisper. Im Parlament hielt die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer dagegen: Würde man mit der Opposition stimmen, riskierte man Neuwahlen. "Es wäre naiv zu glauben, die ÖVP würde sich das gefallen lassen." Am Freitag bekräftigten die Grünen, trotz der neuen Lage den Ausschuss nicht verlängern zu wollen – oder zu können. "Das Straflandesgericht soll jetzt ohne politischen Druck seiner Arbeit nachgehen. Ganz unabhängig davon, ob etwas gefunden wird oder nicht, kann die Opposition als Minderheit jederzeit einen neuen U-Ausschuss einsetzen. Ich hoffe, sie macht von diesem lange erkämpften Recht Gebrauch", sagte Fraktionsführerin Nina Tomaselli zum STANDARD.

Im Wiener Landesgericht wurde der Antrag des Bundespräsidenten mittels Zufallsgenerator einer Haft- und Rechtsschutzrichterin zugewiesen. Laut Van der Bellen hat sie drei Aufgaben: die Daten sicherzustellen, zu prüfen, welche Daten privat sind, und diese auszuscheiden sowie, drittens, die Daten soweit möglich bis zum 15. Juli 2021 dem Untersuchungsausschuss vorzulegen.

Polizeibegleitung

Er selbst könne nicht beurteilen, ob die Aktenlieferung vollständig erfolgt sei, hatte Van der Bellen am Mittwoch erklärt: "Die einen sagen so, die anderen sagen so." Jetzt sei das Gericht am Zug. Diesem empfahl der Bundespräsident, auch Datenforensiker und IT-Fachkräfte heranzuziehen. Der Richterin ist es laut Van der Bellen auch erlaubt, zur Durchsetzung des Auftrags "allenfalls erforderliche Zwangsmittel" und "geeignete Personen in nötiger Anzahl und notwendige Sachmittel" einzusetzen, auch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Die Richterin könnte also mit Polizeibegleitung im Finanzministerium auftauchen.

Der sechsseitige Exekutionsantrag des Bundespräsidenten ist online abrufbar. (Fabian Schmid, Michael Völker, 24.6.2021)