"Mit der Haushaltsabgabe verteilt sich der Beitrag auf mehr Menschen – damit kann es für alle billiger als die GIS werden", sagt Henrike Brandstötter (Neos).

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"Ende der blauen Seite" steht unter den Maßnahmen des vorige Woche von der Mitgliederversammlung beschlossenen Positionspapiers der Neos zur Medienpolitik: "Die derzeitige Startseite von 'orf.at' wird durch die Startseite des Austro-Players abgelöst." Wie erklärt die Mediensprecherin der Neos, Henrike Brandstötter, den doch etwas radikal klingenden Plan, die meistgenutzte österreichische Newsseite abzuschaffen?

Brandstötter verweist im STANDARD-Gespräch auf 643 Millionen Euro aus den GIS-Gebühren pro Jahr plus 220 Millionen Euro aus Werbung und spricht von Marktverzerrung.

STANDARD: Wollen die Neos tatsächlich die blaue Seite – also die gewohnten Newsseiten von "orf.at" – abschaffen?

Brandstötter: Wir wollen aufräumen und sortieren: Wofür ist der ORF zuständig und wofür nicht. Die blauen Seiten sind eine Konkurrenz zu den klassischen privaten Medien. Aufgabe des ORF ist es nicht, mit Tageszeitungen, deren digitalen Ausgaben und klassischen Text-Newsfeeds zu konkurrieren, sondern insbesondere mit Bewegtbildern auf der Startseite auf sein Programm und seine Inhalte hinzuweisen und diese zu vertiefen oder exklusiv dort anzubieten.

STANDARD: Der Vorschlag der Neos ist also: Die blaue Seite soll zur Startseite der geplanten Streamingplattform ORF-Player werden?

Brandstötter: Der ORF soll – wie ARD und ZDF – seine eigenen Sendungen online promoten können. Also macht es beim Aufräumen Sinn, statt des Textangebots der blauen Seite hier einen "Austro-Player" zu positionieren – mit Inhalten auch von Privaten und anderen öffentlich-rechtlichen Anbietern. Dafür soll der ORF aber auch Formate alleine für online produzieren dürfen – oder online zuerst zeigen können.

STANDARD: Anlass für das am Wochenende beschlossene Neos-Positionspapier zum ORF war offenbar die anstehende Bestellung des nächsten ORF-Generaldirektors am 10. August.

Brandstötter: Das war auch unser Learning aus der Öbag: Also kam die Forderung nach einem Vorstand mit mindestens drei Mitgliedern statt des Alleingeschäftsführers für den ORF wie bisher zu unseren bekannten Positionen: Hauptversammlung statt des Stiftungsrats, besetzt mit gelosten Personen aus der Bevölkerung, Repräsentantinnen und Repräsentanten von Institutionen der Zivilgesellschaft und nur mehr einer Person pro Parlamentsklub. Diese Hauptversammlung wählt auf Basis von Ausschreibungen und Hearings ein Präsidium, eine Art Aufsichtsrat. Und das Präsidium bestellt einen Vorstand.

STANDARD: Die Neos wollten vor ein paar Jahren noch die GIS abschaffen, jetzt steht auch im beschlossenen Positionspapier eine Haushaltsabgabe für den ORF.

Brandstötter: Wir wollten die GIS immer abdrehen. Jetzt drehen wir sie ab, und stattdessen kommt die Haushaltsabgabe. Wir bekennen uns ja zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und wir bekennen uns auch zu einer Finanzierung dieses öffentlich-rechtlichen Angebots – aber einer gerechteren. GIS für TV- und Radionutzung, aber nicht für Streamingnutzung derselben Inhalte, ist nicht gerecht.

STANDARD: Das sehen vielleicht nicht alle Userinnen und User so.

Brandstötter: Mit der Haushaltsabgabe verteilt sich der Beitrag auf mehr Menschen – damit kann es für alle billiger als die GIS werden. Und wenn man sie – wie in Italien – mit der Stromrechnung einhebt, erspart man sich zudem die Organisation der GIS.

STANDARD: Sie wollen im Gegenzug auch die Werbung im Fernsehen reduzieren – laut Papier keine Spots mehr nach 20 Uhr wie bei ARD und ZDF.

Brandstötter: Wenn Sie mich fragen: Die Werbezeit im ORF insgesamt sollte auf die Hälfte reduziert werden. Damit würden auch die Bonusspots, sogenannte Naturalrabatte, eingeschränkt, mit denen der ORF Privatradios an die Wand drückt. (fid, 25.6.2021)