Es gibt Leute, die behaupten, die besten Fußballerfrisuren seien jene von gestern. Meist wird dann auf Stefan Effenberg (Tiger auf dem Hinterkopf!), Paul Gascoigne (hat von Haarverlängerung bis Glatze alles mitgemacht) oder Toni Polster (der lockigste Vokuhila ever) verwiesen: Das waren noch echte Typen mit echten Frisuren!

Kantig, unangepasst, nicht so glattgestriegelt wie die verwöhnten Bengel von heute, die sich sogar während des Lockdowns professionell frisieren ließen. Bei genauerer Betrachtung muss man aber sagen: Das ist zu einem guten Stück nostalgischer Blödsinn. Haarige Typen finden sich auf dem grünen Rasen nach wie vor, da muss man gar nicht lange suchen.

Da wäre etwa die österreichische Mannschaft mit ihrer ausgeprägten Vorliebe für schulterlanges Haar: Xaver Schlager zwirbelt die blonden Strähnen zum Man-Bun, Florian Grillitsch, Marcel Sabitzer (siehe Bild) und Aleksandar Dragovic kombinieren den Dutt mit Bart und Bärtchen. Oder ist das schon fast wieder angepasst und zu wenig exzentrisch?

Blondiertes Zitat

Wenden wir uns also den historischen Zitaten zu, die derzeit auf dem Feld auflaufen. Sich zu legendären Fußballerfrisuren aus den Neunzigern zu bekennen schadet nie. Phil Foden zum Beispiel gibt sich alle Mühe, in die Fußstapfen eines Enfant terrible zu treten. Der 21-jährige Brite trägt Platinblond. Eine Referenz an den legendären Paul Gascoigne? "Gazza" lief während der EM 1996 ebenfalls mit raspelkurzem, wasserstoffblondem, in der Stirn in Linie geschnittenem Haar auf. Die Exzentrik half leider wenig: Die Engländer verloren damals das finale Elf meterschießen gegen Deutschland.

Diesmal soll es anders laufen. Phil Foden überredete die Teamkameraden: Sollten wir den EM-Titel holen, müsst ihr euch blondieren lassen! Mal schauen, ob das nicht abschreckend wirkt ... Nachahmer für seinen Look gibt es jedenfalls bei der Konkurrenz: Auch die Schweizer Granit Xhaka und Manuel Akanji sind hell erblondet.

Phil Foden

Bild nicht mehr verfügbar.

Phil Foden.
Foto: REUTERS/Carl Recine

Er fällt nicht nur auf dem Rasen auf. Der Engländer Phil Foden zitiert mit seinem wasserstoffblonden Lego-Haar Paul Gascoigne, das Enfant terrible des englischen Fußballs der Neunzigerjahre. Die Frisur wird wahrscheinlich irgendwann als Jugendsünde verbucht: Phil Foden ist zwar schon zweifacher Vater, aber erst 21. Da kommt sicher noch was!

Valentino Lazaro

Valentino Lazaro.
Foto: imago images/Norbert Schmidt

Der 25-jährige Steirer Lazaro ist kreativ am und im Kopf. Nicht nur, dass er an sieben Positionen spielen kann, von Offensive bis Defensive, auch bei den Frisuren glänzt der österreichische Nationalspieler durch Vielseitigkeit. Ob Zopferl oder Dreads – um Lazaros Kopf wirbeln wilde Haargeflechte, während er den Ball jagt. Aktuell gefällt er mit einer Hommage an Reggaelegende Bob Marley.

Alex Král

Bild nicht mehr verfügbar.

Alex Král.
Foto: REUTERS/Carl Recine

Jahrzehnte nach Herbert "Schneckerl" Prohaska hat’s wieder einer kapiert: Die echte Fußballerfrisur, wie wir sie in den Achtzigern im Sender FS1 sahen, muss aus kleinen Locken bestehen. Der tschechische defensive Mittelfeldspieler Alex Král ist bei dieser EM der beste Verteidiger – des Minipli. Schneckerl sind die fußballerischste Frisur überhaupt!

Neymar

Bild nicht mehr verfügbar.

Neymar.
Foto: AP Photo/Jorge Saenz

Neymar, mit vollem Namen Neymar da Silva Santos Júnior, fehlt in keiner Auflistung etwas in die Hose gegangener Coiffeurbesuche von Superkickern. Die Charakterisierung der Haartracht des 29-jährigen Brasilianers reicht je nach Saison von Spaghettieis bis pinke Pseudotolle. Auf diesem Bild tippen wir auf totes Felltier, gepickt mit Seitenstreifen.

Marcel Sabitzer

Marcel Sabitzer (rechts) mit Florian Grillitsch.
Foto: JOHN THYS / AFP

Der Man-Bun erlebte jüngst ein Comeback, auch Brad Pitt trug ihn bei den Oscars 2021. Ob der ein Vorbild für den lässigen Haarknödel von Teamstürmer Marcel Sabitzer war? Eher orientiert sich der Welser an Duttträger und Starkicker Zlatan Ibrahimovic. Der zieht gar Parallelen zum biblischen Samson: Haare ab, Kraft weg. Daher: Die Matte bleibt, der Bun lebt. (Anne Feldkamp, Nina Wessely, Sascha Aumüller, Maik Hausenblas, Markus Böhm, 25.6.2021)