Am Ort des Polizeieinsatzes in Teplice entstand eine spontane Gedenkstätte.

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Sein richtiger Name war Stanislav Tomáš, derzeit aber ist er vor allem als "tschechischer George Floyd" bekannt: Vergangenes Wochenende verstarb der 46-jährige Angehörige der Roma-Minderheit im nordböhmischen Teplice nach einem Polizeieinsatz. Ähnlich wie im Fall des Afroamerikaners Floyd in den USA kniete ein Polizist mehrere Minuten auf seinem Nacken, der Mann starb wenig später auf dem Weg ins Krankenhaus im Rettungswagen.

Und ähnlich wie vergangenes Jahr in Minneapolis waren es auch in Teplice Handyvideos, die den Vorfall an die Öffentlichkeit brachten. Während man also am Freitag auf die für den Abend geplante Verkündung des Strafmaßes für jenen US-Polizisten wartete, der bereits zuvor des Mordes an George Floyd schuldig gesprochen worden war, diskutierte auch Tschechien über einen Fall von Polizeigewalt, der mit einem Toten endete – und bei dem ebenfalls die Frage nach einem möglichen rassistischen Kontext gestellt wird.

Hinweis auf Drogen

Zu dem Einsatz war es am vergangenen Samstagnachmittag gekommen. Zwei Männer, einer davon Stanislav Tomáš, waren in Streit geraten. Im Zuge der Handgreiflichkeiten wurde ein geparktes Auto mutwillig beschädigt. Auch von dieser Szene kursierten im Netz später Videos. Als die Polizei eintraf, soll sich Tomáš vehement gegen seine Festnahme zur Wehr gesetzt haben. Die Beamten fixierten ihn daraufhin am Boden, einer drückte ihm sein Knie in den Nacken.

Die Polizisten hätten allerdings ausschließlich "Zwangsmaßnahmen gesetzt, die der Intensität des Angriffs entsprachen", wie die örtliche Polizeidirektion später erklärte. Auch die für interne Ermittlungen zuständige Generalinspektion der Sicherheitskräfte teilte am Donnerstag mit, in der Sache zunächst kein Strafverfahren einleiten zu wollen. Dabei berief sie sich unter anderem auf das Obduktionsergebnis: Im Körper des Mannes habe man Methamphetamin festgestellt, jedoch keinerlei Hinweise auf Ersticken oder Organschäden durch den Polizeieinsatz.

Kritiker bemängeln dennoch die Härte des Einsatzes und die ihrer Ansicht nach vorschnellen Festlegungen aus den Reihen der Politik. "Wenn der Mann keine Drogen genommen hätte, dann würde er heute noch leben", hatte etwa der sozialdemokratische Innenminister Jan Hamáček zuvor erklärt. Premierminister Andrej Babiš von der liberal-populistischen Partei Ano sagte: "Wer Autos demoliert, aggressiv ist und sogar einen Polizisten beißt, der kann nicht erwarten, dass man ihn mit Samthandschuhen anfasst." Vertreter der Roma-Minderheit in Tschechien beklagten, dass die Regierungsverantwortlichen damit das Vertrauen in unabhängige Ermittlungen untergraben hätten.

Europarat schaltet sich ein

Die Polizei selbst hatte bereits am Montag getwittert: "Kein tschechischer Floyd!" Der Einsatz "gegen den mehrfachen Wiederholungstäter" sei gesetzeskonform verlaufen. Das wiederum rief Kritiker auf den Plan, die darauf hinwiesen, dass die Veröffentlichung früherer Verurteilungen eines Menschen ohne triftigen Grund – wie etwa bei einer Fahndung – nicht zulässig sei. Und ein solcher Grund liege bei einem Toten wohl nicht vor.

Inzwischen haben auch der Europarat und die tschechische Zweigstelle von Amnesty International eine gründliche Untersuchung des Falls gefordert. Die Polizei rief die Bevölkerung auf, ihr eventuell noch nicht bekannte Videoaufnahmen der Ereignisse zur Verfügung zu stellen. Auch die Generalinspektion der Sicherheitskräfte, die am Donnerstag keinen Straftatbestand seitens der Beamten erkannt hat, will die Angelegenheit laut einer Sprecherin weiterverfolgen. (Gerald Schubert, 25.6.2021)