Um die Gründerzeithäuser Geblergasse 11 und 13 mit Geothermie zu versorgen, wurden im Innenhof 18 Bohrungen durchgeführt.

Foto: Lisi Zeininger

Im Jahr 1865 hätte wohl niemand gedacht, dass der gründerzeitliche Wohnblock, bestehend aus 18 Bauten in Wien-Hernals, zu einem weltweiten Vorzeigeprojekt in Sachen Energiewende wird. Umbenannt zu "Smart Block Geblergasse" und ausgestattet mit Solar- und Geothermieenergie zur Wärme- und Stromversorgung hat sich der Althausbestand aber zu einem solchen gemausert. Fachleute reisen von Helsinki bis Paris an, um das Energiesystem der zwei bereits sanierten Bauten zu begutachten.

Machbarkeitsstudie

Den Umbauarbeiten vorangegangen waren die Forschungsprojekte "Smart Block" und "Smart Block II Energy". Darin haben Forscher rund um die Architekten Angelika und Johannes Zeininger eine Machbarkeitsstudie zur klimaneutralen Sanierung durchgeführt. Die beiden sind auch Eigentümer einer Liegenschaft und für die Umsetzung verantwortlich.

"Die bestehende Stadt muss für das 21. Jahrhundert reorganisiert werden. Das bedeutet: Althaussanierungen forcieren und nachhaltige Energieversorgung umsetzen", sagt Johannes Zeininger. Denn während klimaneutrale Energieversorgung im Neubau bereits State of the Art sei, stehe diese im Bestand noch am Anfang. Umso erfreulicher, dass zwei Häuser im Smart Block Geblergasse bereits CO2-neutral laufen.

Der Schlüssel zum klimaneutralen Erfolg liegt im sogenannten Anergienetz. Die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) definiert ein Anergienetz als Rohrleitungssystem zwischen Gebäuden. Darin fließt Wasser mit einer Temperatur von vier bis 20 Grad. "Zudem verbinden diese Rohre drei Anlagenteile", fügt Zeininger hinzu. Diese sind: Wärmequellen (Solarkollektoren, Abwärme aus Kühlung), Wärmespeicher (Erdwärmesonden im Erdreich) und Wärmeverbraucher (Gebäude mit Wärmepumpe).

"Im Sommer sammeln wir Wärme im Überfluss und schicken sie in den Boden, um sie für den Winter zu speichern", erklärt Zeininger. Gleichzeitig werden die Leitungen der Fußbodenheizung während der heißen Monate mit dem Rücklauf aus den Erdsonden mit rund 20 Grad kühlem Wasser durchgespült. "Dadurch entsteht eine CO2-freie Temperierung der Räume, die nicht wie eine Klimaanlage zusätzlich heiße Luft in die Stadt hinausbläst", sagt der Architekt.

Bohrungen im Innenhof

Um diese Erdwärmebatterie herzustellen, wurden im Innenhof 18 Bohrungen mit bis zu 110 Metern Tiefe durchgeführt. Kenntnisse zur Bodenbeschaffenheit, thermische Berechnungen und präzise bauliche Umsetzung seien da entscheidend, sagt Zeininger. "Technische Fehler können das gesamte System aus dem Gleichgewicht bringen."

Die gesamten Sanierungskosten der Liegenschaft will Zeininger nicht nennen. Nur so viel: Neben der sogenannten Sockelförderung, einer Förderung in der Althaussanierung des Wohnfonds Wien, wurden auch die Anlagenkosten für das Anergienetz mit 30 Prozent bezuschusst. Trotzdem sei das Fördersystem zu träge: "Gegenüber von unserem Pilotprojekt wird derzeit ein Gründerzeithaus voll gefördert saniert, das nach Fertigstellung mit einer Gasverbrennungsanlage betrieben wird. Das ist mittlerweile ein Umweltskandal. Gas sollte nicht mehr gefördert werden."

Als Teil der Machbarkeitsstudie sind im Übrigen auch die Kosten anderer Energiesysteme evaluiert worden. Die Experten haben Erdgas, Fernwärme und die Geothermie-Solar-Wärmepumpen-Anlage verglichen. Das Ergebnis: Gerechnet auf 20 Jahre verursachen Erdgas und das CO2-freie Versorgungssystem ähnliche Kosten. Fernwärme liegt sogar etwas darüber.

"Pionierleistung" prämiert

Vor wenigen Tagen wurde der Smart Block Geblergasse mit dem Wiener Stadterneuerungspreis in der Kategorie "Pionierleistung" ausgezeichnet. Die Begründung der Jury: "Bei diesem Revitalisierungsprojekt entstand das erste nachhaltige Anergienetz in einem gründerzeitlichen Häuserblock – ganz im Zeichen der aktiven Energiewende."

Zeininger freut sich über die Auszeichnung, übt aber auch Kritik: Mittlerweile habe zwar "auch Österreich bei der energetischen Gebäudeversorgung von der bisherigen schlurfenden Gangart auf Dauerlauf umgestellt". Trotzdem werde es eng für die politischen Ziele bis 2050. "Damit das Klima nicht mehr als 1,5 Grad ansteigt, werden wir einen Sprint einlegen müssen." (Julia Beirer, 26.6.2021)