Das Sokrates-Projekt der Central European University richtet sich an Personen, die kaum oder keine Möglichkeit zu universitärer Bildung hatten.

Foto: CEU / Peter Lorenz

Der griechische Philosoph Sokrates ist Namensgeber eines Bildungsprogramms an der Central European University (CEU). Er gilt als Begründer der philosophischen Methode des strukturierten Dialogs, der Mäeutik. Und auch beim Sokrates-Projekt an der CEU steht der Diskurs zu sozialwissenschaftlichen und humanistischen Themen im Zentrum.

In Budapest fand 2019 das Pilotprojekt statt, nach der Übersiedelung der CEU nach Wien startet das Programm in Kooperation mit dem Bard College Berlin ab Herbst auch in Österreich. Es richtet sich an Personen, die bisher keine oder kaum eine Möglichkeit für universitäre Bildung hatten. Außer dem Interesse an sozial- und geisteswissenschaftlichen Themen und der Bereitschaft zur Diskussion müssen die Teilnehmer keine weiteren Voraussetzungen mitbringen.

Die Kurse sind kostenlos, alle Kursmaterialien werden zur Verfügung gestellt. Und – abhängig von den dann geltenden Covid-Maßnahmen – es gibt auch eine Kinderbetreuung für Teilnehmer mit kleinen Kindern. Möglich gemacht werde dies durch Förderungen des Open Society University Networks (OSUN), sagt Aaron Lambert, Leiter des Sokrates-Projekts. In kleinen Gruppen mit maximal 20 Teilnehmern soll, angeleitet von Universitätsprofessoren und Dozierenden der CEU und anderer Institutionen, rund zwei Stunden pro Woche diskutiert werden.

Ermutigung

Ganz bewusst habe man sich für ein diskursives Format entschieden, ergänzt Lambert. "Denn dieses Projekt soll eine transformierende Wirkung erzielen. Die Teilnehmer sollen ermutigt werden, sich kritisch mit gesellschaftlichen und philosophischen Themen auseinanderzusetzen. Und: Kritische Menschen sind auch engagiertere Menschen." Das Lernen an sich sei bereichernd, nicht das Erlangen von bestimmten Qualifikationen. Lambert ist überzeugt, dass jeder lernen kann, wenn er die richtigen Bildungsangebote bekommt.

Schon der erste Durchgang in Budapest habe alle Erwartungen weit übertroffen, sagt er. Das Feedback von Lehrenden und Teilnehmern sei sehr positiv gewesen. Für die Kurse im Herbst – sie laufen über zwei Monate – wurde als Thema Freiheit & Gesellschaft gewählt. Anmeldungen sind noch bis 10. Juli möglich. Es gibt Kurse in Deutsch und auch in Englisch, alle Angebote sind fächerübergreifend.

Offener Zugang

Die Kurse seien anspruchsvoll und auf Universitätsniveau, sagt Lambert. So soll etwa bei einem deutschsprachigen Kurs das Thema Freiheit & Gesellschaft anhand dystopischer Texte von Autoren wie George Orwell und Aldous Huxley in Verbindung mit den bestehenden Möglichkeiten von Big Tech und Data-Tracking diskutiert sowie aus literarischer, philosophischer und rechtlicher Sicht über unterschiedliche Verständnisse von Freiheit als grundlegender Rahmenbedingung für das Funktionieren einer Gesellschaft diskutiert werden.

Sowohl mit Texten von William Shakespeare als auch mit frühen modernen Theorien der Freiheit wird bei einem der beiden englischsprachigen Kurse gearbeitet. Der Begriff der menschlichen Freiheit im moralischen, sozialen und politischen Denken soll analysiert und in Verbindung mit theatralischen Darstellungen des Themas Freiheit gebracht werden. Absolventinnen und Absolventen des Sokrates-Projekts erhalten für die Teilnahme ein akademisches Zertifikat.

Erfahrungsgemäß seien die Kurse in der Landessprache für die Teilnehmer attraktiver, sagt Lambert. Denn wer einen schwierigeren Zugang zur Bildung habe, sei auch bei Fremdsprachen oft nicht so sattelfest. Daher wünsche er sich auch, die Kurse in weiteren Sprachen wie türkisch oder serbokroatisch in Österreich anzubieten. Eine Expansion in den ländlichen Raum ist eine weitere Zukunftsvision. Mit den bestehenden Förderungen sei jedenfalls eine Laufzeit des Projekts für zwei Jahre gewährleistet. Wie es dann weitergeht, sei derzeit noch ungewiss. (Gudrun Ostermann, 1.7.2021)