DJ Ötzi ist ein sympathischer Kerl. Aber ob er wirklich die Zielgruppe ins Herz trifft, bleibt zu bezweifeln.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Musik! Das ist die einzige Droge, die einem nicht schadet und trotzdem ein Wohlgefühl verbreitet, wie die New Yorker Schriftstellerin Fran Lebowitz so treffend feststellte. Ein gutes Gefühl nach einem miserablen Jahr haben vor allem die Jungen verdient. Sie haben ihre Freunde und Freundinnen nicht getroffen, hatten Unterricht mit überforderten Eltern im Rücken und überarbeiteten Lehrern und Lehrerinnen auf dem Schirm, durften nicht einmal sporteln, bangten teils um Verwandte, die ein erhöhtes Risiko hatten, schwer an dem vermaledeiten Covid zu erkranken. Und dann, als sie sich langsam wieder heraustrauten, in die Parks, an die Flussufer auf die Plätze, wurde mit Polizeieinsätzen reagiert.

Genug gelitten. Es ist Zeit, dass man eine ganze Generation belohnt. Oder, wie es aus dem Büro des Unterrichtsminister Heinz Faßmann (ÖVP) heißt: Noch einmal gemeinsam dieses Jahr abschließen, etwas gemeinsam erleben. Wer hätte da nicht an ein Konzert mit DJ Ötzi gedacht? Schon während der Pandemie sang er als Möbelhaus-Barde tröstende Worte: "Du musst nicht in die Welt hinaus, am schönsten ist es doch zu Haus!"

Häme in den sozialen Medien

Im Ernst: DJ Ötzi? In sozialen Medien brodelte die Häme über für das am Montag zwischen 10.05 und 11.35 Uhr von einer Schule in Wiener Neustadt in alle Klassen der Republik gestreamte Konzert mit DJ Ötzi, Pizzera & Jaus, Alle Achtung und Tina Naderer. Auch im nordkoreanischen Zentralfernsehen, ah falsch, auf ORF eins natürlich, wird das Konzert live durch geschaltet.

"Ist das jetzt das Klatschen für Schüler?", fragt eine Teenagerin im Netz. "Umgekehrte Psychologie", vermutet hingegen ein Vater eines Gymnasiasten, denn "der normale Unterricht ist cooler!". Ein anderer Vater kritisiert, dass ihm die Wertschätzung für alle, die Bildung während der Pandemie weiter möglich machten, bei dieser Aktion gänzlich fehle, und eine Lehrerin meint mit Zwinkersmiley: "Ach blöd, da haben wir Wandertag."

DJ Ötzi ist ein sympathischer Kerl, die anderen Künstlerinnen und Künstler, die alle gratis auftreten, das muss man dankend anerkennen, sicher auch. Aber ob sie wirklich die Zielgruppe, der man eine Freude machen wollte, ins Herz treffen, bleibt zu bezweifeln. Ins Zwerchfell vielleicht, aber möglicherweise aus den ganz falschen Gründen. Aus dem Ministerium ist zu erfahren, die Auswahl der Acts erfolgte durch die Schule in Wiener Neustadt. Vielleicht hätte man das nicht verraten sollen. Die anderen Städte denken jetzt vielleicht: Wiener Neustadt, wir müssen reden. (Colette M. Schmidt, 25.6.2021)