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Das Warten hat ein Ende: Firmen stellen wieder ein – das birgt Chancen für viele Junge, von denen viele über ein Jahr in der Luft gehangen sind
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Personalberater haben seit einigen Wochen ein "Problem". Und das ist eine gute Nachricht. Es handelt sich nämlich um "extreme Arbeitskräfteknappheit", formuliert Martin Mayer, Chef der großen Personalberatung Iventa. Das bedeutet: Nachdem die Corona-Impfungen zügig laufen und das Infektionsgeschehen zurückgeht, lösen Unternehmen quer durch alle Branchen ihre Handbremsen der vergangenen Pandemiemonate und suchen wieder Einsteigerinnen und Einsteiger. Aktuell, sagt Mayer, wird von Firmen auf dem Niveau des Jahres 2019 gesucht – allerdings gebe es, sagt Mayer, um rund 25 Prozent weniger Bewerber. Der Grund? "Die Leute wollen jetzt einmal durchatmen, nicht schnell was Neues anfangen, einmal Urlaub machen, Normalität erleben."

1. Trend: Alle sind auf einer Ebene
Ein eigenes Geschoß für die Cheftruppe, die hinter verschlossenen Türen hockt und geheim alles entscheidet – das ist vorbei. Wer Innovationen will, wer engagierte Teams will, delegiert Führungsaufgaben an die jeweiligen Experten. "Agil" heißt der Trend, der Chefs teilweise entthront, Verantwortung und Entscheidungskompetenz neu verteilt und damit eine Menge Chancen für Einsteiger bringt.

Im Herbst sei "große Dynamik" zu erwarten. Dass nun an einer (tageweisen) Rückkehr in die Büros und Werke gearbeitet wird, ist eine weitere gute Nachricht für Einsteiger, für alle, die eine Lehrstelle oder einen Ausbildungsplatz suchen. Denn waren Unternehmen in Corona-Zeiten und Zeiten pandemiebedingter Arbeitserschwernis durch Homeoffice sehr verhalten mit Neueinstellungen und rein virtuellen Onboardings, so lösen sich die Bremsklötze jetzt, und die Personalstrategie für die Zukunft liegt auf dem Entscheidertisch.

Im Hintergrund spielen die großen Themen jungen Berufseinsteigern in die Hände. Dazu gehört der Green Deal der EU, der die Klimaneutralität des Kontinents bis 2050 als Ziel hat und in den hunderte Milliarden Euro für die Transformation von Energie, Mobilität, Bauen, Transport, Landwirtschaft fließen. Damit entstehen nicht nur tausende neue Jobs, sondern auch große Chancen für Gründerinnen und Gründer. Denn auch die Förderstrukturen werden nach und nach auf Grün umgestellt.

Neue Berufsbilder

Dazu kommt die fortschreitende Digitalisierung. Microsoft etwa plant um rund eine Milliarde Euro Investitionen in Data-Centers in Österreich, die zusätzlich 29.000 Jobs schaffen sollen. Das klingt wunderbar, lässt aber auch Kritiker auf den Plan treten: Vernichtet nicht die ebenfalls fortschreitende Automatisierung Arbeitsplätze? Jüngst publizierte die Intelligence-Unit des Economist eine Untersuchung, wonach bis 2025 rund 50 Prozent aller Arbeitsstunden von Maschinen erledigt werden. Klingt beängstigend. "Finde ich nicht", sagt Microsoft-Österreich-Chef Hermann Erlach.

2. Trend: Arbeiten von überall
Die hippe Workation – Arbeiten aus der Hängematte am weißen Sandstrand – wird ein Minderheitenprogramm bleiben. Aber da "hybrid" als eine Mischung von Büro und anderen Arbeitsorten der Trend quer durch alle Branchen ist, werden traditionelle Bürogeherjobs jetzt flexibel. Zumindest ein paar Tage Homeoffice werden möglich sein. Im Büro trifft man dann die Kollegenschar, kommt rein zum Austausch, zum Einschulen und für Meetings.

"Wir sehen die vielen neuen Berufsbilder rund um die neuen Technologien noch gar nicht, aber sie entstehen. Und wir Menschen gehören in den Kreativbereich." Und wer nicht ganz toll kreativ ist? "Nicht alle neuen Jobchancen sind super high demanding", so der Microsoft-Boss. Auch in der sogenannten Plattformökonomie – etwa bei Lieferdiensten, aber auch in der Clickwork – sieht er fortlaufend bessere Chancen und Bedingungen durch Digitalisierung.

Dass Handwerk und Gewerbe weiterhin zu den Zukunftsbereichen gehören, merkt man allein beim Suchen nach solchen Dienstleistungen. Österreichs Industrie klagt nun wieder besonders laut über Fachkräftemangel im industrienahen Handwerk, bei Schlossern, Schweißern, Elektrotechnikerinnen. Ein besonders großer Faktor, der sehr günstig auf die Jobchancen Junger wirkt, ist die demografische Kurve. Es gibt immer mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen für den Arbeitsmarkt. Und da so gut wie alle Berufsbilder digitalem Wandel unterliegen, werden die Jobinhalte tendenziell auch spannender und "menschlicher". Ein Beispiel dafür ist etwa der Banken- und Finanzbereich: Während einfache Kontogeschäfte nun übers Handy laufen, steigt gleichzeitig der Beratungsbedarf von Mensch zu Mensch. Expertise ist gefragt – und nicht der manuell angebrachte Stempel auf dem Erlagschein.

Bildung als Zukunftsbranche

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Der Sommer kann kommen – auch Jobtechnisch
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Da inmitten der schnellen Veränderungen Neues zu erlernen zu einer lebensbegleitenden Aufgabe und die Halbwertszeit von Fachwissen immer kürzer wird, sind Bildung und Weiterbildung ein weiterer Trendbereich, in dem sich ein großes Chancenportfolio auftut. Schon jetzt mangelt es an Lehrerinnen in den Schulen, Kindergartenpädagogen stehen ebenfalls ganz oben auf der Liste der Mangelberufe. Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen durch die Inklusion und der zunehmend bedeutenden psychischen Gesundheit in unseren turbulenten Umwelten wird gerade im Bildungsbereich künftig auch viel Fachwissen rundherum benötigt – etwa aus der Arbeitspsychologie, Freizeitpädagogik, Mediation, aber auch der Ernährungs- und Gesundheitsberatung.

3. Trend: Lernen hoch drei
Lebenslanges Lernen ist kein reines Lippenbekenntnis mehr. Unternehmen sind nicht nur für die fachliche Weiterbildung, die im Job gebraucht wird, zuständig. Sie müssen ihre Mitarbeiter vielmehr befähigen, all die Belastungen der digitalen Arbeitswelt gut zu meistern. Persönliches Wachstum, Widerstandsfähigkeit und Erholungsfähigkeit sind ebenfalls permanente Lernaufgabe geworden.

Der Bereich Gesundheit liegt sowieso ganz vorn in Sachen Zukunftschancen. Tausende Pflegefachkräfte werden in den kommenden Jahren benötigt, ganze Generationen in der Ärzteschaft vom Hausarzt bis zu vielen fachärztlichen Bereichen gehen in Pension. Neue Berufsbilder entstehen, weil Gesundheit zu einem Hauptlebensthema geworden ist.

Organisationen und Unternehmen brauchen also dringend Nachwuchskräfte. Dass firmenweise ganze Belegschaften in Pension gehen, zeigt sich etwa an der ÖBB, die in den kommenden Jahren aufgrund von Pensionierungen rund 10.000 neue Arbeitskräfte quer durch die Bereiche sucht. Zukünftige Geschäftsfelder wie die Stromgewinnung oder der Artenschutz, die im Aufbau oder in der Planung sind, sind da noch gar nicht eingerechnet.

Zwang zur Neuausrichtung

Damit wandelt sich die Arbeitswelt auch auf einer weiteren Ebene, jener der Unternehmenskultur. Zwar wird seit vielen Jahren darüber geredet, dass streng hierarchische Verhältnisse zwischen Bossen und Untergebenen nicht mehr zeitgemäß sind, und darüber nachgedacht, wie neues Arbeiten von überall aus und abseits klassischer Bürozeiten möglich werden kann – aber nun ist der Zwang zu einer Neuausrichtung wirklich da. Und damit gelten die Wünsche und Ansprüche der Mitarbeitenden auch viel mehr, der Spielraum zur Mitgestaltung der Arbeit, des Arbeitsplatzes und des Arbeitsorts ist nun wirklich da. Wer als Arbeitgeber attraktiv sein will, kann sich nicht mehr auf Kommando und Kontrolle berufen.

Das ist eigentlich eine gute Folge der Pandemie: Sie hat gezeigt, dass Arbeit nicht zwangsläufig im Büro stattfinden muss. Und dass Leistung nicht dasselbe ist wie Anwesenheit. Oder dass schlechte Führungskräfte, die ihre Teams nur hetzen und sich nicht für die Bedürfnisse ihrer Leute interessieren, keinen Mehrwert für die Firma bringen, sondern lediglich Menschen verbrauchen. Weiterbildung entwickelt sich derzeit auch vom Stellenwert eines Geschenks oder von der fachlichen Notwendigkeit zu einer Selbstverständlichkeit aufseiten des Arbeitgebers, vor allem in den Bereichen der Persönlichkeitsentwicklung.

4. Trend: Gesunde Arbeit
Wenn der alte Spruch vom Sich-zum-Krüppel-Hackeln aus dem Sprachgebrauch verschwindet, wird wohl niemand traurig sein. Und wir sind auf dem Weg dorthin: Denn noch nie waren Arbeitsgesundheit, psychischer Schutz, Burnout-Vorsorge, ausreichend Pausen und Erholung ein so großes Thema für Unternehmen. Die Gesundheitsangebote sprießen aus dem Boden, und die Benefits gehen in Richtung Gesundheitsangebot statt Dienstauto.

Das neue Miteinander in der neuen Arbeitswelt kann nur auf Vertrauen basieren. Innovationen und die Bewältigung all der großen Herausforderungen brauchen Kooperation, Kollaboration und Kokreation. Diese Erkenntnis ist da. Und viele Firmenkulturen richten sich jetzt danach aus, flachen ihre Hierarchien ab, berufen mehr Junge in Führungsteams und sorgen dafür, dass die bestmöglichen Bedingungen für die Vereinbarkeit privater Interessen oder Verpflichtungen und der Arbeit da sind. Apropos: Vereinbarkeit heißt nicht nur, dass man Zeit hat, die Kinder von der Schule abzuholen. Sondern dass man Zeit hat, das zu tun, was einem wichtig ist im Leben – egal ob Wandern oder Ehrenamt. Das nur zu versprechen, geht nicht mehr. Über Social Media und Bewertungsplattformen wie Kununu oder Glassdoor gelangt die Wahrheit schnell ans Licht. Wer Junge braucht, kann sich Fake nicht mehr leisten. (Karin Bauer, 26.6.2021)