Sind sie sauer? Äpfel zählen zu den basischen Lebensmitteln. Nicht umsonst lautet die Devise: An apple a day keeps the doctor away.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Philippa Hoyos, Ernährungswissenschafterin und Mitbegründerin der Basenbox.

Foto: Daniel Auer

Du bist, was du isst – das gilt heute mehr denn je. Wer sich ganz allgemein mit dem Thema gesunde Ernährung auseinandersetzt, weiß, dass es dabei eigentlich immer auf dieselben Prinzipien hinausläuft: viel Gemüse, Vollkornprodukte, Obst, wenig Fleisch, ausreichend Flüssigkeit. Dafür kein Fastfood, Softdrinks, Zucker, Fett oder Alkohol.

Durch eine ausgewogene Ernährung kann jeder etwas zu einem starken Immunsystem beitragen. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um Bakterien, Viren und andere Erreger zu bekämpfen und langfristig gesund zu bleiben. Einer Publikation in der Fachzeitschrift "BMJ Nutrition Prevention & Health" zufolge erleiden Menschen mit einer pflanzenbasierten Ernährung zu 73 Prozent seltener einen mittelschweren bis schweren Covid-19-Verlauf als Fleischesser. Warum das so ist, ist noch nicht geklärt.

Forscherinnen und Forscher vermuten, dass pflanzliche Nahrung reicher an jenen Nährstoffen ist, die das Immunsystem stärken. Das allgemeine Erkrankungsrisiko und die Dauer einer Infektion lassen sich durch die Essgewohnheiten aber nicht beeinflussen.

Philippa Hoyos ist Ernährungswissenschafterin und Mitgründerin der Basenbox, eines Essenslieferservices in Wien. Das Wiener Food-Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen die Vorteile einer basischen Ernährung näherzubringen.

STANDARD: Wer sich gesund ernährt, lebt länger – lässt sich das pauschalisieren?

Hoyos: Unsere Ernährung ist die Grundlage für eine funktionierende Abwehrkraft. Wir brauchen eine Vielzahl an sogenannten bioaktiven Pflanzenstoffen, um eine starke Barriere gegen Pathogene aufzubauen, die uns sonst krankmachen würden. Die Gesundheit unserer Organe stellt das Rückgrat unseres Immunsystems dar. Neben Nieren, Leber, Lunge und der Haut spielen der Darm und sein Mikrobiom, also die Bakterienwelt in unserem Körper, zentrale Rollen.

STANDARD: Müssen wir darauf im Alter stärker achten als in jungen Jahren?

Hoyos: Nachdem die Abwehrkräfte normalerweise im Alter abnehmen, ist es umso wichtiger, in fortgeschrittenen Lebensjahren auch mehr immununterstützende Lebensmittel zu sich zu nehmen. Aber genauso ist es erwiesen, dass durch den Konsum von viel Gemüse und Obst in jungen Jahren auch die Abwehrkräfte im Alter stärker bleiben.

STANDARD: Wer also überwiegend pflanzlich isst, tut nachhaltig etwas für sein Immunsystem?

Hoyos: In der Natur bringen Pflanzen eine beispiellose Dichte an immunrelevanten Nährstoffen mit. Gemüse, Nüsse, Samen, Sprossen, Obst – sie alle spenden unzählige Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe. Diese können wir über die Ernährung unserer Immunabwehr zuführen. Einfacher geht es kaum.

STANDARD: Die Basenbox hat sich auf basische Ernährung spezialisiert. Was genau ist das?

Hoyos: Um es auf den Punkt zu bringen: Die basische Ernährung ist eine ausgewogene Form der pflanzlichen Ernährung, durch die es nicht zu Mangelerscheinungen kommen kann. Der Fokus liegt dabei auf Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Samen, Nüssen und Vollkornprodukten.

STANDARD: Was wäre das Gegenteil davon? Was sollte man meiden?

Hoyos: Lebensmittel wie Fleisch, Milchprodukte, Zucker und Weißmehl. Sie hinterlassen im Körper Säuren, die unser Stoffwechsel neutralisieren muss. Werden über unsere Ernährung auf Dauer viele Säuren zugeführt, kostet das unseren Körper Kraft. Eine ausgewogene, basische Ernährung entlastet uns also und versorgt den Körper mit allem, was er braucht, um entspannt und effizient funktionieren zu können

STANDARD: Lässt sich Übersäuerung auch objektiv messen?

Hoyos: Wir müssen hier zwischen zwei Arten von Übersäuerung unterscheiden, und zwar zwischen einer akuten und einer chronischen Übersäuerung. Bei der akuten Übersäuerung, der Azidose, bewegt sich der pH-Wert unseres sonst basischen Blutes in den sauren Bereich. Dies lässt sich messen – und ist lebensbedrohlich. Bei einer chronischen Übersäuerung hingegen bleibt der pH-Wert des Blutes konstant, aber andere Teile des Körpers kämpfen mit zu vielen Säuren.

STANDARD: Wie schnell kann eine solche Übersäuerung chronisch werden?

Hoyos: Ein solcher Zustand entwickelt sich über einen längeren Zeitraum hinweg durch einen zu sauren Lebensstil. Das ist zwar nicht akut lebensbedrohlich, sollte aber unbedingt wieder ausbalanciert werden, da es sonst Langzeitfolgen haben kann. Das beste Mittel ist basische Ernährung, denn eine mangelhafte Ernährung ist eine der Hauptursachen für chronische Übersäuerung. Oft wird empfohlen, Übersäuerung anhand der Messung des Urins durch pH-Teststreifen zu ermitteln. Davon raten wir ab, da der pH-Wert über den Tag stark schwankt und gewisse Lebensmittel das Ergebnis verfälschen können.

STANDARD: Studien zufolge kann unsere Ernährung auch maßgeblich den Verlauf einer Covid-Infektion beeinflussen.

Hoyos: Ich bin zwar keine Virologin oder Covid-19-Expertin, dennoch überraschen mich die Studienergebnisse überhaupt nicht. Denn unsere Ernährung hat nachweislich einen positiven oder negativen Einfluss auf unsere Gesundheit, inklusive unserer Immunabwehr und körpereigener Genesungsprozesse. Es ist erstaunlich, dass dieser Zusammenhang in der Pandemie kaum bis gar nicht thematisiert wurde.

STANDARD: Während der Lockdowns haben viele zugenommen, europaweit zum Teil bis zu sechs Kilo. Wie konnte es so weit kommen?

Hoyos: Das ist zwar keine gesunde, aber eine nachvollziehbare Entwicklung. Denn das Essen hat nicht nur eine körperliche, sondern auch eine psychische Komponente. Während sicher viele situationsbedingt zu Frustessern wurden, sind die meisten Kilos aufgrund von Langeweile, Bewegungsmangel und Kühlschranknähe dazugekommen.

STANDARD: Heißt das, wir haben einfach zu viel gesnackt?

Hoyos: Absolut. Wenn wir uns über den Tag verteilt von Snacks ernähren und uns dabei nicht ausreichend bewegen, dann ist an Fettverbrennung nicht zu denken. Ganz im Gegenteil.

STANDARD: Machen sich die Vorteile einer pflanzlichen Ernährung auch körperlich bemerkbar?

Hoyos: Die meisten unserer Kunden freuen sich über mehr Energie und Leichtigkeit im Alltag, einen besseren Stoffwechsel und darüber, mehr über Ernährung gelernt zu haben. Ganz typisch ist auch Gewichtsverlust, wobei der gar nicht im Fokus steht. Wir nennen das immer den positiven Nebeneffekt unserer Basenkur.

STANDARD: Welche grundlegenden basischen Tricks kann jeder im Alltag anwenden, um sich und seinem Körper Gutes zu tun?

Hoyos: Am besten, man konzentriert sich darauf, was gut für einen ist und Spaß macht, und nicht darauf, auf was man alles verzichten muss. Dabei ist "eat the rainbow" ein toller Ansatz. Es geht darum, möglichst viel Gemüse in unterschiedlichsten Farben zu essen.

STANDARD: Aber was tun jene, die auf Fleisch so gar nicht verzichten wollen?

Hoyos: Für die "Fleischtiger" da draußen gibt es einen Trick: ganz einfach das Verhältnis auf dem Teller umdrehen – das Fleisch wird zur Beilage und das Gemüse zum Hauptbestandteil. Somit ist schon viel getan. (Julia Palmai, 11.7.2021)