Warum soll es Vermögenssteuern geben? Wieso braucht es keine? Im Gastkommentar schreibt Barbara Blaha vom Momentum Institut, wieso diese Steuern sinnvoll wären. Günter Stummvoll von der Initiative Standort hält dagegen.

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Pro Vermögenssteuern

Barbara Blaha

Es klingt ein wenig, als wären wir im falschen Film. Mitten in der größten Krise seit Jahrzehnten explodieren neben Armut und Arbeitslosigkeit auch ausgerechnet die Vermögen der Superreichen. Deren Vermögenszuwächse haben sich vom realen Wirtschaftsgeschehen offenbar völlig entkoppelt. Das gilt nicht nur für Jeff Bezos, dessen Reichtum sich auf 200 Milliarden Euro fast verdoppelte.

Die steigende Vermögenskonzentration war auch vor der Pandemie problematisch. Dank großzügiger Finanzspritzen, niedriger Steuern und der als Nebeneffekt der Rettungspakete florierenden Finanzmärkte hat sich die Schieflage aber noch einmal deutlich verstärkt. Auch in Österreich sind Milliardäre in der Krise reicher geworden. Mit ein Grund dafür: Hierzulande wurde bei Unternehmenshilfen geklotzt statt gekleckert – in manchen Branchen wurden dabei direkt Dividendenzahlungen an die Eigentümerinnen und Eigentümer subventioniert. Während Hilfen nun verlängert werden und das Konjunkturpaket ebenso zum großen Teil aus Subventionen für Firmen besteht, sollen jene, die Corona-bedingt ihren Job verloren haben, künftig am besten noch weniger Arbeitslosengeld bekommen.

Wann, wenn nicht jetzt, ist also die Zeit für einen stärkeren Beitrag von großen Vermögen? Wir kämpfen mit der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, die überdies (Mutationen!) noch nicht gesichert vorbei ist. Sogar in der Finanzkrise konnte mit der Banken-Abgabe zumindest teilweise dafür gesorgt werden, dass die Lasten gerechter verteilt wurden.

Zwei Modelle

Zu trennen gilt es freilich zwei Modelle: einmalige Vermögensabgaben wie jene in Deutschland 1952, die über 30 Jahre abbezahlt werden konnten. Die jährliche Belastung lag bei 1,67 Prozent, konnte also leicht aus Erträgen finanziert werden. Oder die dauerhafte Einführung von fairen Steuern auf Vermögen und Vermögenserträgen, wie sie etwa auch die OECD seit Jahren empfiehlt. Denn hierzulande besteuern wir Einkommen aus menschlicher Arbeit hoch, jenes auf Kapital niedrig. Und wer in der Geburtslotterie gewonnen hat und eine Erbschaft erhält, zahlt dafür gar keine Steuern, selbst wenn es um Millionen oder Milliarden geht.

Gegen all diese Vorschläge lautet die übliche Erwiderung: Es wäre schlecht für die Unternehmen. Das private Vermögen wäre ja schließlich in Unternehmen gebunden. Das ist aber ein vorgeschobenes Argument. Erstens steckt bei weitem nicht alles Vermögen in Unternehmensanteilen, sondern eben auch in Immobilien, Jachten, Kunstsammlungen und so weiter. Zweitens ist Kapital in Unternehmen ja gerade mit dem Ziel veranlagt, Erträge zu generieren, aus denen dann auch eine Vermögenssteuer bezahlt werden kann. Zudem profitieren die Eigner großer Vermögen auch von steuerlichen "Gestaltungsmöglichkeiten", von denen Durchschnittsverdiener nur träumen können. Das gilt für Unternehmensgewinne, die mitunter in Steuersümpfe verschoben werden, wo sie wenig oder kaum besteuert werden, bis zur Gegenrechnung von Spekulationsverlusten mit Einkommen.

Und zuletzt: Wäre es wirklich unverhältnismäßig oder schwer verkraftbar, wenn der Staat sich über ein paar Jahre so viel Vermögenssteuer holt, dass beispielsweise Dietrich Mateschitz dann 26 statt 27 Milliarden schwer ist?

Umgekehrt ist es eher so, dass selbst die weitreichendsten Vorschläge für Vermögenssteuern das Problem der zunehmenden Vermögenskonzentration nicht lösen. Sie verhindern nicht, dass einige wenige ein immer größeres Stück des Kuchens bekommen, sie machen die Dynamik nur (leicht) langsamer. Das verursacht auch ein demokratisches Problem: Denn Superreiche können sich alles kaufen – von Einfluss über Lobby-Vereine, persönlichen Zugang zu Politik bis zu TV-Sendern und anderen Medien, die dann mit aller ökonomischer Macht die eigene politische Meinung verbreiten. (Barbara Blaha)

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Kontra Vermögenssteuern

Günter Stummvoll

Für ein Comeback der Wirtschaft nach der Pandemie brauchen wir jetzt eine Wachstumsstrategie. Nur dadurch können Arbeitsplätze geschaffen und die Kosten des Corona-Managements hereingebracht werden. Denn die Schuldenquote muss wieder sinken, aber nicht durch Steuererhöhungen, die Gift für den Wirtschaftsstandort wären, das heißt für Arbeitsplätze, Einkommenschancen und soziale Sicherheit, sondern durch eine Erhöhung des Sozialprodukts und die daraus resultierenden Steuermehreinnahmen. Dennoch werden von linker Seite – nicht ganz unerwartet – Steuererhöhungen, vor allem eine Vermögenssteuer oder Eigentumssteuer, als Lösung genannt.

Ein Hauptargument ist dabei, dass es in Österreich angeblich keine Vermögenssteuer gibt. Das ist aber leider nicht richtig. Richtig ist, dass Österreich alles im Zusammenhang mit Eigentum, Besitz und Vermögen heute schon besteuert. Dazu kommt eine progressive Einkommensteuer bis 55 Prozent. Weltweit gibt es eigentlich nur zwei Systeme: entweder eine hohe Einkommensbesteuerung (wie bei uns) und dann keine Vermögenssteuern oder niedrige Einkommenssteuern und dann Vermögenssteuern. Wir haben leider beides: eine sehr hohe Einkommenssteuer und eine Menge vermögensbezogener Steuern und damit die fünfthöchste Abgaben- und Steuerquote in der EU.

Doch der Reihe nach: Vermögenserwerb wird besteuert zum Beispiel durch die Grunderwerbssteuer (1,3–1,4 Milliarden Euro) und die NoVA (ca. 500 Millionen Euro). Vermögensbesitz wird besteuert durch die Grundsteuer (ca. 730 Millionen Euro), die Bodenwertabgabe (fünf Millionen Euro), motorbezogene Versicherungssteuer (2,6 Milliarden Euro), Versicherungssteuer (1,25 Milliarden Euro) und Stabilitätsabgabe (230 Millionen Euro). Für Vermögenserträge gibt es vor allem die Kapitalertragssteuer (ca. 2,6 Milliarden Euro) und die Einkommenssteuer für Einkommen aus Vermietung und Verpachtung (ca. 800–900 Millionen Euro). Bei der Vermögensveräußerung fällt vor allem die ImmoESt ins Gewicht (ca. 800 Millionen Euro). Dies ist keine umfassende, sondern eine beispielhafte Aufzählung vermögensbezogener Steuern.

In Summe ergibt dies fast zehn Milliarden Euro vermögensbezogene Steuern. Dazu kommt noch die "Vermögenssteuer für jedermann" (Copyright Franz Schellhorn, Agenda Austria). Sie ergibt sich aus der Kombination von Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und der Inflation. Diese schleichende Enteignung wird auf circa fünf Milliarden Euro geschätzt. Insgesamt werden somit in Österreich Eigentum und Besitz jedes Jahr durch Steuern und Zinspolitik um 15 Milliarden Euro reduziert.

Im Übrigen wird in der Debatte um Vermögenssteuern eine unglaubliche Manipulation mit der Sprache betrieben. Es ist ständig von Superreichen, Milliardären und Millionären die Rede, wenn man sich aber die konkreten Vorschläge für Vermögenssteuern in Österreich ansieht, etwa von SPÖ oder der Arbeiterkammer, so ist man schon ab einer Million Eigentum oder Besitz superreich. Das heißt, wer eine Eigentumswohnung besitzt, deren Wert in den letzten Jahren gestiegen ist, vielleicht noch einen kleinen Zweitwohnsitz hat und ein Auto, gilt schon als superreich. Sie sagen Millionär, sie meinen aber uns! Der Mittelstand würde mit voller Wucht getroffen, ebenso die private Vorsorge.

Schrittweise Enteignung

Das häufig geäußerte Argument der Verteilungsgerechtigkeit ist geradezu pervers. Denn jemandem etwas von seinem Eigentum wegzunehmen soll gerecht sein? Eigentum ist ein Grundwert in einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, ist Voraussetzung für Freiheit und Unabhängigkeit. Statt einer schrittweisen Enteignung muss die gesellschaftspolitische Herausforderung darin bestehen, möglichst vielen Menschen durch steuerliche Entlastungen einen Eigentumserwerb möglich zu machen. (Günter Stummvoll, 26.6.2021)