Da ist es ein Glück, dass ein Bundeskanzler kein Wissenschafter ist: Sebastian Kurz bei Christian Drosten in Berlin.

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Gesundheitsminister Kurz und Wirtschaftsminister Kurz war am Dienstag in Berlin, wo er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht traf, dafür aber umso intensiver den Bund der deutschen Industrie und einen Corona-Papst. Den Bund hat er getroffen, um deutsche Industrielle in einem sogenannten Impulsreferat zu belehren, "dass Europa in jeder Hinsicht wettbewerbsfähig bleiben muss", so der "Kurier".

Schaulaufen

Dass er mit diesem Impuls viel Applaus einheimst, war nicht anders zu erwarten. "Die Presse" insinuierte in der Reise dezent einen Fluchtversuch aus Wien, meinte sie doch: Der Besuch in Berlin zählte gewiss zu den angenehmeren Terminen des Kanzlers, handelte es sich doch bei diesem Termin um den "Tag der Industrie", ein Schaulaufen der Spitzenpolitik und Wirtschaftsbosse.

Es wär’ nicht Kurz, versäumte er ein Schaulaufen. Als der Wirtschaft verbundenes Blatt meldete "Die Presse" vom Schaulaufen, man habe Kurz zu Österreichs Erreichen des Fußball-EM-Achtelfinales gratuliert, worauf Kurz schlagfertig den Erfolg "historisch" nannte. Was des Kanzlers Wirtschaftsweisheiten betraf, begnügte sich das Blatt mit dem Satz: Kurz mahnte in seiner Rede vor den Industriellen ein, dass die Politik sich stärker dem Thema "Wettbewerbsfähigkeit" widmen müsse. Wenn er sich nur daran hält.

Ganze sieben Sätze

Deutlich ausführlicher als die beiden genannten Zeitungen, nämlich mit ganzen sieben Sätzen, berichtete die "Kronen Zeitung" von der Reise, hat sie doch mehr als andere Blätter abzuarbeiten. In diesem Sinne wusste sie, der Auftritt von Sebastian Kurz in Berlin mit einer Rede am Tag der Industrie hat in unserem Nachbarland beachtliches mediales Interesse ausgelöst. Kurz selbst genoss die Medienpräsenz, worauf er daheim inzwischen ja verzichten muss, er war auch sichtlich bemüht, das Verhältnis möglichst positiv zu halten.

Was man sich darunter vorstellen soll, blieb offen. Kürzer als andere Blätter berichtete die "Krone" hingegen vom Besuch Kurz’ bei dem Virologen Drosten, wobei sie die kalmierenden Bemühungen des Kanzlers gegenüber dem Virologen hervorhob. Kurz sieht das Risiko, aber keinen Anlass für Panik. Solange die Impfungen gegen alle Varianten wirksam sind, können wir beruhigt bleiben. "Außerdem ist Österreich mit zwei Millionen Testungen in der Woche international der Spitzenreiter."

Warum, wurde nicht ganz klar

Anders "Die Presse", die ihren Leserinnen und Lesern den Mund mit dem vierspaltigen Titel wässrig machte: Was Kurz mit dem "Corona-Papst" besprochen hat. Von dem Gespräch mit dem Chefvirologen, auch Corona-Koryphäe genannt, war zu erfahren, Kurz wäre danach jetzt "fast ein bisschen erleichtert" gewesen. Warum, wurde nicht ganz klar, zumal die Virologen-Koryphäe anders als Kurz eine Prognose für die nächsten Monate nicht wagte. Er riet auch noch, den Blick nach England zu richten. "Man sieht, dass dort die Zahlen aufgrund der Delta-Variante ansteigen".

Der "Kurier" machte Kanzlerdemut zum Thema des Tages: Was der Kanzler vom Star-Virologen lernt. Das will man natürlich wissen. Was Kurz aus diesem Treffen mitgenommen hat? Wichtig ist nicht, welche Variante des Coronavirus gerade in Europa oder Österreich zirkuliert, sondern etwas völlig anderes, nämlich: dass möglichst viele Menschen möglichst bald geimpft sind.

Haben wir das nicht schon vor dem Besuch beim Virologen gehört? Schließlich sei es undenkbar, "dass sich alle einschränken müssen, weil sich einige Wenige nicht impfen lassen wollen." Wie lässt sich das nur Kickl beibringen?

Ein Glück, dass der Kanzler kein Wissenschafter ist

Virologe Drosten verzieht bei alldem keine Miene, registriert der "Kurier", geschweige denn, dass er die Nähe der Mikrofonstangen sucht. So konnte der "Kurier" zwar vermelden, der Kanzler holte sich Ezzes von Europas bekanntestem Virologen, aber worin bestehen sie nun? Ist die Pandemie für Geimpfte also wirklich erledigt? Christian Drosten würde das so nie sagen. Das wäre ihm zu platt, zu unwissenschaftlich. Da ist es ein Glück, dass ein Bundeskanzler kein Wissenschafter ist.

Megaskandal

Einen Megaskandal konnte die "Krone" dank der FPÖ enthüllen. Umweltsprecherin "spritzt" Ökositzung für Fußballspiel. Grün-Politikerin ließ sich entschuldigen: "Muss babysitten." Diese Heuchelei der Sonderklasse einer Wiener Gemeinderätin namens Huem Otero Garcia konnte FPÖ-Gemeinderat Udo Guggenberger nicht auf sich beruhen lassen. Er fordert den Rücktritt der gebürtigen Kolumbianerin. Der Umwelt zuliebe. (Günter Traxler, 26.6.2021)