In der Mitte Bassist und Bandchef von Shake Stew, Lukas Kranzelbinder: "Ich weiß von allen, dass sie weit übers Limit gehen können."

Foto: Severin Koller

Fragen wird ja wohl noch gestattet sein! Es handelt sich schließlich um eine Band, die das Prinzip "offenes Kunstwerk" ziemlich raffiniert umsetzt. Bei Shake Stew führte die Verbindung von individueller improvisatorischer Freiheit und notierter Struktur immer schon zu formvollendeten Gebilden, die ihr Geheimnis nie ganz preisgaben.

Also: Hat sich das Verhältnis von Komposition und Improvisation im Laufe der Jahre verändert? Bassist und Bandleader Lukas Kranzelbinder atmet tief durch: "Puh ... Da müsste man das Sora-Institut vielleicht einmal engagieren, um eine unabhängige Analyse zu erstellen", zeigt sich der Mann ratlos. Gesprächiger ist er aber beim Thema "Wer passt zu Shake Stew?".

Gewisse Körperlichkeit

"Ich denke, eine Grundeigenschaft, die alle Musiker und Musikerinnen von Shake Stew verbindet, ist das intensive Wahrnehmen von und das Eintauchen in die Musik. Ich weiß von allen, dass sie weit übers Limit gehen können." Eine gewisse Körperlichkeit beim Musizieren sei dabei "auch sehr wichtig, das hört man in unseren Stücken immer wieder sehr stark". Wer die Band einmal gehört hat, staunt auch über bisweilen episch anmutende Passagen, die winzige Haltepunkte und Motive aufweisen. Sie werden zum Ausgangspunkt auch kollektiver Spontaneität. Shake Stew ist hellwache Versenkungsmusik, bei der mehrstimmig an einem abstrakten Musikgemälde gearbeitet wird.

Neues Mitglied

Neu dabei ist nun am Freitag im Konzerthaus Saxofonistin Astrid Wiesinger, um das Album (A)live! zu präsentieren. Sie ist übrigens Teil einer Formation, die unlängst den neuen Deutschen Jazzpreis gewonnen hat. Für Kranzelbinder "ein Wahnsinn! Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir ja als Band in der internationalen Kategorie ausgezeichnet wurden und die 25 Jurymitglieder keinerlei Vorschläge erhalten haben, sondern nach eigener Wahrnehmung Bands nannten."

Der Preis tue vor allem in der momentanen Situation gut, "da man das Gefühl hat, mit Schwung aus der Pandemie zurück ins Musikleben starten zu können".

Wenn es ihn noch gäbe, wären Shake Stew wohl hierzulande für den Hans-Koller-Preis vorgesehen, den Kranzelbinder vermisst. "Die an Absurdität und Ignoranz kaum zu überbietende Kategorie Jazz/World/Blues beim Amadeus Award kann ja nicht wirklich alles sein, was ein musikalisch so vielfältiges Land zu bieten hat ..." Stimmt. (Ljubiša Tošic, 25.6.2021)