Die deutsche Staatsanwaltschaft führt Vorermittlungen gegen eine Apotheke in Koblenz (Rheinland-Pfalz). Die Apothekerin hatte homöopathische "Pfizer/BioNTech Covid-19-Vaccine" verkauft. Die Apothekerin gibt an, ihre "Arzneien" aus Resten tatsächlicher Impfstoffe hergestellt zu haben. Die Staatsanwaltschaft will nun prüfen, "ob gegen arzneimittelrechtliche oder sonstige Vorschriften verstoßen wurde". Die staatsanwaltliche Prüfung ist ein schöne Sache, sie kommt allerdings gut 200 Jahre zu spät. Seit so vielen Jahren tanzen gewissenlose Hersteller in Zusammenarbeit mit ebensolchen Ärzten und Apothekern der Wissenschaft, der Justiz und nicht zuletzt den Patienten auf der Nase herum. 

"Impfstoff" in der "Potenz D 30": Da geht uns die Materie aus

Die Formulierungen der Staatsanwaltschaft und die Berichterstattung darüber zeigen, wie verfahren der Karren ist und wie erfolgreich die Homöopathie-Branche auch Entscheidungsträgern Flöhe ins Ohr gesetzt hat. Die Apothekerin gibt an, aus Impfstoffresten Globuli in der "Potenz D 30" hergestellt zu haben. Nachgerechnet: "D 30" bedeutet in etwa die Verdünnung eines Tropfens Substanz in einem fiktiven Schwimmbecken mit mehren Millionen Kilometern Breite, Höhe und Tiefe. Man kann es auch so sagen: Auf unserem Planeten gibt es weder ausrechend Wasser noch sonstige Materie, um auch nur ein Molekül eines angeblichen Wirkstoffs in der "Potenz D 30" in welcher Substanz auch immer zu verdünnen.     

Narrenfreiheit für Homöopathen 

Die Apothekerin beruft sich darauf, dass der Bürgermeister zugestimmt hatte, die Reste eines tatsächlichen Impfstoffes einer Impfstation zu verwenden. Der Bürgermeister hat offenkundig keine Ahnung vom Humbug Homöopathie und hat sich von einer Apothekerin pflanzen lassen, die natürlich weiß: Ihre D-30-Globuli hätte sie auch aus aus dem Reifenabrieb vom Asphalt eines Parkplatzes nach einem GTI-Treffen oder aus der Schokoglasur eines Twinni-Eisriegels herstellen können. Es ist völlig irrelevant, ob die Apothekerin tatsächlich Tröpfchen aus Impfstoffresten verquirlt hat oder ob sie einfach die Gunst der Stunde und die Angst der Patienten nutzte, um ihren Bestand an Rohglobuli in Fläschchen zu füllen und die Zuckerkugeln mit der Etiketten-Aufschrift "Pfizer/BioNTech Covid-19-Vaccine D 30" zu veredeln. Was wir der Staatsanwaltschaft flüstern wollen: Für eine Molkerei gelten bei der Herstellung von Erdbeer-Joghurt strengere Vorschriften in Sachen Inhaltsstoff als für Apotheken. Für die gilt, genauer gesagt, nur eines: die Narrenfreiheit.  

Gegen eine Apothekerin in Deutschland wird nun ermittelt.
Foto: imago/Jochen Tack

Homöopathie leitet weder etwas ein noch aus

Die Apothekerin beruft sich darauf, dass es sich dabei gar nicht um einen Impfersatz handle, sondern um ein Mittel zur "besseren Verträglichkeit" einer Impfung und zur "Ausleitung" von unerwünschten Zusatzstoffen der Vakzine. Auch hier wollen wir der Justiz zuflüstern: Die Homöopathie leitet nicht nur in diesem Fall, sondern stets weder etwas ein noch etwas aus. Das gilt aber nicht nur bei Corona-Globuli, sondern auch bei Dackelmuttermlich-, Dieselabgase- und Beton-Globuli. Es gilt bei allen Globuli: nichts drin, nichts dran, nichts drauf. Der einzig messbare stoffliche Fluss in dem Setting ist der von der Geldbörse der Patienten in die Kasse der Pharmazeuten, Ärzte und Hersteller.  

Jeder Apotheker, der Homöopathika verkauft, verletzt die Berufspflicht

Die Landesapothekenaufsicht in Rheinland-Pfalz kündigte bereits im April an, man werde überprüfen, ob die Apothekerin in dem Fall ihre Berufspflicht verletzt hätte. Gerne helfen wir dem Amt dabei, die Büchse der Pandora zu öffnen: Jeder Apotheker, der homöopathische Hochpotenzen über den Tresen schiebt, verletzt seine Berufspflicht. Nicht mehr und nicht weniger als ein Kfz-Mechaniker, der anstelle von Bremsflüssigkeit heiße Luft in die Bremsleitung füllt. Das ist falsch, und zwar völlig unabhängig davon, wie vielen Menschen heiße Luft gefällt. 

Homöopathische Ärzte schieben Apotheken den Schwarzen Peter zu

Kalte Füße hat, ob der peinlichen Angelegenheit, auch der "Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte" (DZhÄ) bekommen. Er appelliert an die "Eigenverantwortung der Apotheker", wenn sie aus Impfstoffen homöopathische Präparate herstellen. Wir lesen auf der Webseite der Juxärzte: "Eine explizite Aufklärung darüber, dass diese Präparate definitiv kein Ersatz für eine Impfung sind, ist zwingend erforderlich." Wir hoffen darauf, dass die homöopathischen Ärzte der Stiftung Gurutest ein Ohr leihen. In eventu flüstern wir ihnen zu: Homöopathische Präparate niemals ein Ersatz für irgendwas. Sieht man vom Streuselzucker ab, der die Schokotorte ziert, der aber im Supermarkt günstiger zu beziehen ist. Liebe homöopathische Ärzte, die ihr Globuli verschreibt, egal ob bei Männerschnupfen oder bei Covid-19: Ihr seid Teil des Problems und nicht der Lösung. Und das nicht nur dann, wenn Apotheken mit Corona-Impfstoff-Globuli das Geschäft wittern.  

Richtige Adresse, aber die falschen Fragen

Lange Rede, kurzer Sinn: Eine Staatsanwaltschaft in Deutschland ist den Richtigen auf der Spur, aber rundum werden die falschen Fragen gestellt. Die Frage ist nicht, ob bei "Covid-19 Impfglobuli" im Frühjahr 2021 ein paar Apotheken mit Eurozeichen in den Augen über das Ziel hinaus geschossen haben. Die Fragen lauten: Wie lange lässt sich der Gesetzgeber den Humbug mit der Homöopathie noch gefallen? Welche Rolle spielen Ärzte- und Apothekerkammern in diesem unwürdigen Spiel? Wann reicht es übers Ohr gehauenen Patienten, denen wirkstoff- und wirkungslose Medizinen untergejubelt werden?  

Post scriptum: Bizarre Angebote rund um homöopathische Impfstoffe gibt es auch in Österreich: Die Linzer Auhof-Apotheke vertrieb einen homöopathischen "Corona Impf-Komplex". Bezogen hat die Apotheke die "Arzneimittel" von einer Energetikerin aus dem Mühlviertel, die fehlende pharmazeutische oder medizinische Ausbildung offenbar mit einer gehörigen Portion Chuzpe wettmacht. Die Energetikerin beschwingt ihre Globuli mit "Zahlenreihen". Die Metatron-Apotheke in Meidling vertrieb eine homöopathische "Covid Pfizer/BionTech Impfstoffnosode". Der Apotheker teilte mir per Mail mit: "Es gibt Anwendungsbeobachtungen von Ärzten, dass solche Produkte die Verträglichkeit (von Impfungen, Anm.) verbessern können." Heute würde ich dem Herrn Magister zurückschreiben: Es gibt Beobachtungen der Stiftung Gurutest, dass solche Angebote nur unter einem Begriff zusammenzufassen sind: Betrug. Aber vielleicht wird auch hier die Staatsanwaltschaft einst tätig. (Christian Kreil, 2.7.2021)

Christian Kreil bloggt seit drei Jahren rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Am 15. Februar erschien sein Buch "Fakemedizin".

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