Das ÖFB-Team kam mit Fortdauer der Partie immer besser in Schwung und forderte die Fußballgroßmacht Italien weit mehr als erwartet.

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Nach einer anfänglich gefälligen, bald durchwachsenen und später nahezu ebenbürtigen Darbietung gegen die nur zwischenzeitlich dominierende Squadra Azzurra hat sich Österreichs entschlossen und mutig auftretendes Nationalteam mit einer äußerst respektablen Leistung im Achtelfinale von der Euro 2021 verabschiedet. Das ÖFB-Team trat am Samstag im Wembley gegen die abgebrühte und nicht erst seit EM-Start im Flow befindliche Elf von Roberto Mancini ambitioniert auf und musste sich letztlich mit einer bitteren Niederlage nach 120 Minuten geschlagen geben. Dass man der zuletzt elfmal in Folge ohne Gegentreffer gebliebenen und mittlerweile 31 Partien ungeschlagenen Squadra (Tordifferenz 34:1) immerhin ein Tor schießen konnte, ist nur ein schwacher Trost.

DANIEL BACHMANN (Tor): Rettete früh (6.) vor dem solo heranstürmenden Ciro Immobile. Hielt den Schuss von Lorenzo Insigne (13.). Glänzte mit der Fußabwehr bei der Chance von Nicolo Barella (15.). Wäre nach einem schnell abgespielten Freistoß beim ansatzlosen Schuss (32.) aus der Distanz von Immobile an die Stange geschlagen gewesen. Musste zwischenzeitlich gar nicht so oft eingreifen. Glanzparade (94.) bei einem Schuss von Joker Federico Chiesa. Wenig später beim Abschluss von eben diesem aus kurzer Distanz zum 0:1 (95.) machtlos. Hielt das ÖFB-Team beim perfekten Freistoß von Insigne (105.) im Spiel, ehe er beim Schuss von Matteo Pessina (105.) zum 0:2 erneut chancenlos war. Schloss mit seiner Leistung nahtlos an das bisher Gezeigte an. Bestätigte erneut seine Wahl zur Nummer eins. Sir Elton John, Anhänger und früherer Präsident von Bachmanns Klub Watford, könnte sich eine Hymne für die Nummer eins des ÖFB ausdenken. Arbeitstitel: Like a rock in the surf.

STEFAN LAINER (Außenverteidiger, rechts, bis 114.): Der Kilometerfresser par excellence wirkte bei den spontanen Antritten von Leonardo Spinazzola zunächst des Öfteren überfordert. War bei der Chance von Insigne (13.) nicht am Posten. Wurde bei der Chance von Barella von Spinazzola (15.) erneut vernascht. Mit Unterstützung von Konrad Laimer klappte die Absicherung der rechten Flanke allmählich besser. Wäre er in der 75. Minute nicht aus Abseits (VAR!) gestartet, hätte es Elfer geben müssen. Klärte im Finish der regulären Spielzeit eine Freistoßflanke (90+5.) souverän per Kopf.

CHRISTOPHER TRIMMEL (Außenverteidiger, rechts, ab 114.): Bewahrte das ÖFB-Team vor dem 1:3 (120.). Sonst zu kurz eingesetzt.

ALEKSANDAR DRAGOVIC (Innenverteidiger): Brillierte durch sein kompromissloses, abgeklärtes, stabiles Spiel in der Defensive, gewann wichtige Zweikämpfe und sorgte auch in der Spieleinleitung für den einen oder anderen Akzent. Zeigte Immobile bereits zu Beginn (5.) den Meister. Bewies auch mit einem weiten Ball in die Offensive (13.) ein überraschend gefühlvolles Fußerl. (34.). War bei einer guten Hereingabe von Berardi (48.) am Posten. Bei seinem ersten, allerdings heftigen Patzer (64.), sprang Hinteregger in die Bresche. Bis zum Ende als Ausputzer voll im Bilde. Herausragend!

MARTIN HINTEREGGER (Innenverteidiger): Bestätigte einmal mehr seine defensiven Qualitäten, auch wenn er etwas riskierte, als er den durchbrechenden Immobile (6.) Bachmann überließ. Äußerst solider Auftritt mit späten Ausflügen in die Offensive. Glänzte bei der Kopfball-Rückenverlängerung (75.) auf den durchbrechenden Lainer (Abseits statt Elfer). Warf sich mit einem Flugkopfball entschlossen und rettend dazwischen (88.). War mit taktischem Foul (103.) zur Stelle, um Schlimmeres zu verhindern. Auffällig kompromissloses Wegräumen von Chiesa (120.) im Strafraum. Wie Dragovic ein Fels in der Brandung.

DAVID ALABA (Außenverteidiger, links): Der Kapitän gab wie gegen die Ukraine erneut (wie seinerzeit bei den Bayern) den Außenpracker. Der 29-Jährige überzeugte mit Übersicht, Passspiel, bei Defensiv- wie Offensivaufgaben. Bewährte sich des Öfteren als Ruhepol, wenn es brannte (23.) oder zu brennen begann (29.). Hatte die Hoheit auf seiner Seite. Rettete beim kollektiven Versagen (25.) gegen Immobile. Hatte beim gut angetragenen Freistoß (52.) von der Strafraumgrenze Pech. War bei einem Querpass von Insigne auf Berardi (56.) zur Stelle, beim Gegentreffer von Chiesa aber leider nicht.

FLORIAN GRILLITSCH (defensives Mittelfeld, bis 106.): Ließ sich bei der Chance von Spinazzola (11.) von Verratti den Ball zu leichtfertig abluchsen. Brachte die Defensive mit einem Rückpass zu Bachmann unnötig in die Bredouille (44.). Ansonsten eine souveräne Darbietung. Unterband etwa die italienischen Angriffsbemühungen (54.) mit einem nüchternen Block. Erneut wie schon im Spiel gegen die Ukraine mit einer starken Performance in der Schaltzentrale. Glänzte durch sein Rollenverständnis als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive. Sicherte ab, überzeugte im Stellungsspiel, mit Zweikampfstärke und Passspiel. Seine gute Flanke (101.) in den Strafraum pflückte sich leider Gianluigi Donnarumma.

XAVER SCHLAGER (defensives Mittelfeld, bis 106.): Profitierte von Grillitsch‘ Präsenz und hätte so vermehrt Akzente im Offensivspiel setzen können, wenn dies die Italiener zugelassen hätten. Ein Missverständnis mit Arnautovic (32.) ließ einen Entlastungsangriff versiegen. Leitete immerhin nach dem Supersolo von Arnautovic den Abschlussversuch von Baumgartner ein. Zeigte wie so oft ein bemühtes, aggressives und dominantes Auftreten, allerdings gegen das sehr präsente Italien mit limitierten Möglichkeiten.

KONRAD LAIMER (offensives Mittelfeld, rechts, bis 114.): Musste Lainer gegen den permanenten Unruheherd Spinazzola unterstützen. Vergab eine aussichtsreiche Konterchance mit einem zu steilen Pass auf Arnautovic (26.). Brachte leider nach starker Balleroberung (58.) keine brauchbare Flanke an. Sprang beim Gegentreffer von Chiesa zum 0:1 knapp am Ball vorbei, während Alaba zur Mitte gerückt war. Sprintete selbst in der 100. Minute noch wie ein putzmunterer Feldhase. Die unermüdliche, aufopferungswillige und gut geölte Laufmaschine präsentierte sich wie üblich äußerst umtriebig, vielseitig und keineswegs ortsgebunden. Beständig wie ein auf 900.000 Kilometer ausgelegtes Turbo-Diesel-Aggregat.

STEFAN ILSANKER (offensives Mittelfeld, rechts, ab 114.): Der gnadenlose Abräumer ohne Furcht und Tadel wurde zu kurz eingesetzt.

MARCEL SABITZER (offensives Mittelfeld): Leitete die Großchance von Arnautovic (18.) mit einem feinen Chip ein. Als permanenter Aktivposten ein unermüdlicher Impulsgeber im Zentrum des offensiven Mittelfelds und auch Vollstrecker. Erwies sich auch im Spiel gegen den Ball als gewohnt lästig. War sich nicht zu schade, hinten auszuhelfen. Wagte einen Distanzschuss (62.), der abgefälscht wurde und Italiens Goalie beinahe in Bedrängnis gebracht hätte. Brachte bei einem Flachschuss (68.) unmittelbar nach dem aberkannten Treffer zu wenig Druck hinter den Ball. War bei 0:2 in der 111. Minute zu ungeduldig und schloss zu überhastet ab.

CHRISTOPH BAUMGARTNER (offensives Mittelfeld, links, bis 90.): Wäre beinahe schon in Minute zwei als Assistent gefeiert worden, seine Hereingabe konnte jedoch nicht verwertet werden. Überzeugte durch variantenreiches Spiel mit guter Übersicht. Musste auch in der Defensive aushelfen. Holte in kritischer Phase einen wichtigen, entlastenden Freistoß (35.) heraus. Musste nach dem Arnautovic-Supersolo (36.) von Donnarumma einstecken. Harmonierte mit Arnautovic und Sabitzer bei einem leider versandeten Angriff (53.). Rackerte bis zum Ende, wurde in der 90. ziemlich platt ausgewechselt.

ALESSANDRO SCHÖPF (offensives Mittelfeld, links, ab 90.): Hätte beinahe eine Kopfballvorlage von Arnautovic nach weitem Abschlag von Bachmann aussichtsreich serviert bekommen. (90+4.). Brav und ambitioniert.

MARKO ARNAUTOVIC (Stürmer, bis 96.): Kassierte nach einem rustikalen Einsteigen früh Gelb. Besorgte den ersten Abschluss (18.) für das ÖFB-Team. Herrliches Dribbling (36.) in Käfigkicker-Manier gegen Francesco Acerbi, Spinazzola und Marco Verratti. Versäumte es bei seinem Solo über links (48.) rechtzeitig abzuschließen. Ließ mit Fortdauer der Partie nach und zu selten seine Klasse aufblitzen, ehe er wieder auf Touren kam. Ließ eine gute Möglichkeit mit einem schwachen Schuss (62.) aus, als er rechts allein zum Abschluss kam. Leitete eine aussichtsreiche Situation ein, indem er Lainer bediente, der allerdings Baumgartner nicht einsetzen konnte. Insgesamt eine Spur zu wenig Brauchbares vom Solostürmer. Bis zur 65. Minute, als er nach Lainers Vorarbeit und Kopfballvorlage von Alaba per Kopf auf 1:0 gestellt hätte, wenn es nicht abseits gewesen wäre. Verzichtete öfter als früher auf seine berühmt-berüchtigten und stets sinnbefreiten Tempodrosselungen, mit denen er vordergründig den Spielfluss des ÖFB-Teams stört und dem Gegner Zeit zur Ordnung gibt.

SASA KALAJDZIC (Stürmer, ab 96.): Kurz nach seiner Einwechslung leider nicht ideal von Schlager bedient. Zeigte später (109.) seine Fähigkeiten, als er im Strafraum den Ball kontrollierte. Abgebrühter Auftritt beim genial vollendeten Anschlusstreffer am kurzen Eck per Kopf (114.) zum 1:2 nach einem von Schaub getretenen Corner.

MICHAEL GREGORITSCH (Stürmer, ab 106.): Der Siegestorschütze gegen Nordmazedonien trat spät in Erscheinung, als er mit Übersicht Sabitzer (111.) einsetzte. Versemmelte den letzten Abschluss (119.).

LOUIS SCHAUB (offensives Mittelfeld, ab 106.): Seinen Prachtschuss aus der Distanz mit der ersten Aktion unmittelbar nach seiner Einwechslung parierte Donnarumma. Feiner Volley (113.) nach Vorarbeit von Kalajdzic. Idealer Assist beim Treffer von Kalajdzic zum 1:2.

FRANCO FODA (Teamchef): Er sah keinen Grund etwas zu ändern und setzte daher auf dieselbe Startelf wie beim überzeugenden Erfolg gegen die Ukraine. Auch das System blieb (mit Alaba links außen, Grillitsch neben Schlager im defensiven Mittelfeld und Arnautovic als Solospitze) unverändert. Mit dem bewährten 4-2-3-1 konnte man die in einem 4-3-3 angetretene Elf von Mancini mit Fortdauer der Partie zunehmend fordern. Verzichtete im Gegensatz zu den Italienern lange auf Wechsel. Vermutlich zu lange. Ließ nach Führung der Italiener nichts unversucht und zog sämtliche Register. Man kann ihm wie dem Team nicht viel vorwerfen. Alles gegeben! (Thomas Hirner, 27.6.2021)