Arnautovic und mit ihm wohl ganz Fußball-Österreich konnten es nicht fassen...

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Nach Prüfung durch den VAR wurde der Treffer wegen minimaler Abseitsstellung von MA7 nicht gegeben.

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Dabei wäre es so schön gewesen.

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Nach dem Abdrehen ...

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...folgte nur ein kurzer Moment kollektiver Freude und Erleichterung.

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London – Die Stimmungslage der österreichischen Teamspieler ist am Samstag nach dem Aus im EM-Achtelfinale zwischen Stolz und Enttäuschung gependelt. Die ÖFB-Kicker brachten Titel-Mitfavorit Italien beim 1:2 nach Verlängerung im Wembley-Stadion ins Wanken, am Ende aber hieß es Koffer packen. "Es ist nicht nur eines der grausamsten Spiele meiner Karriere, sondern eines der grausamsten in der Geschichte des österreichischen Fußballs", lautete die Zusammenfassung von Sasa Kalajdzic.

Für den Stuttgart-Stürmer spiegelte das Ergebnis nicht die wahren Kräfteverhältnisse wider. "Wir waren besser, als es das Resultat zeigt, und hätten uns mindestens ein Elferschießen verdient gehabt." Dennoch sei das Turnier "sehr denkwürdig gewesen", betonte der Schütze des ÖFB-Treffers gegen die Italiener. Dabei seien die Leistungen in der Gruppenphase "vielleicht nicht überragend" gewesen, meinte Kalajdzic. "Aber wir haben trotzdem die nötigen Punkte geholt."

Schmerz überwiegt

Den Auftritt gegen Italien bezeichnete der Angreifer als "historischen Tag für den österreichischen Fußball, aber nicht so, wie wir uns das gewünscht haben". Über seinen spektakulären Treffer, der Italiens Torsperre nach 1.169 Minuten brach, konnte Kalajdzic nicht wirklich jubeln. "Vielleicht ein schönes Tor für die Erinnerung, aber es tut mehr weh, als ich mich freuen kann."

Mehr freuen konnte sich der Zwei-Meter-Stürmer über den Teamgeist innerhalb der ÖFB-Truppe. "Wir sind eine Mannschaft, die im Turnier noch mehr zusammengefunden hat. Wir haben immer an uns geglaubt und die Spiele haben gezeigt, dass wir hierhergehören." Man habe sich bei der EM äußerst positiv präsentiert, meinte Kalajdzic. "Wir haben ganz Europa gezeigt, dass wir richtig gute Fußballer sind, dass es in Österreich nicht nur Skifahrer gibt, sondern auch richtig gute Kicker."

David Alaba pflichtete ihm bei. "Letzten Endes wurden wir für diese Leistung, diese komplette Endrunde nicht belohnt. Das ist sehr bitter. Wenn man sich das Spiel heute anschaut, das tut sehr weh", sagte der künftige Real-Madrid-Profi, ergänzte aber auch: "Wir können stolz auf uns sein, Österreich kann stolz auf uns sein."

Zusammengewachsen

Goalie Daniel Bachmann hob ebenfalls hervor, dass man "ein ganzes Land stolz gemacht" habe. Zudem verwies der Watford-Profi auf den überaus positiven Teamspirit. "Wir sind abseits des Platzes unglaublich zusammengewachsen. Das war abseits der sportlichen Leistungen das Schönste in den letzten Wochen", erklärte der Niederösterreicher.

Arnautovic zog ein zwiespältiges Resümee. "Fazit ist, dass wir zufrieden sein können. Aber ich bin nicht zufrieden. Ich wollte auch ins Viertelfinale, ich denke, das wollten wir alle. Wenn du die Gesichter von allen siehst, sieht man, dass keiner zufrieden ist, dass wir jetzt nach Hause gehen", sagte der China-Legionär.

Arnautovic kein Fan von VAR

Etwa eine Stunde nach Spielende hat die UEFA ein Bild veröffentlicht, auf dem das ganze Drama des ÖFB-Teams beim 1:2 nach Verlängerung zu sehen ist. Wie die kalibrierten Linien zeigten, stand Marko Arnautovic bei der Kopfball-Vorlage von David Alaba eine Schuhlänge im Abseits. Das Tor zum vermeintlichen 1:0 wurde daher vom Video-Assistenten (VAR) zurecht aberkannt.

Trotzdem hatten Arnautovic und seine Teamkollegen große Probleme, sich mit dieser Situation abzufinden. Nicht erst seit dem Spiel am Samstag im Londoner Wembley-Stadion gilt der VAR als Stimmungskiller, weil er Spieler und Fans manchmal minutenlang auf wichtige Entscheidungen warten lässt. "Wir haben schon oft genug diskutiert wegen dieser VAR-Geschichte. Man kann sich nicht mehr freuen, man muss immer warten, bis irgendwelche Leute irgendwas entscheiden, ob das Abseits ist, oder ein Tor ist, oder ein Foul ist", sagte Arnautovic.

Dadurch würden die dem Fußball eigenen Emotionen verloren gehen, betonte der China-Legionär. "Das hat mit Fußball gar nichts mehr zu tun, aber wir müssen das akzeptieren. Für mich persönlich ist es extrem schwer." Laut Arnautovic wäre Österreich im Viertelfinale gewesen, hätte das Tor in der 65. Minute gezählt. "Ich glaube nicht, dass sie zurückgekommen wären."

Die STANDARD-Analyse zum Achtelfinale mit Klaus Schmidt
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Bachmann: "Hochschaubahn der Gefühle"

Diese Meinung vertrat auch Sasa Kalajdzic, der für Arnautovic eingewechselt wurde und die Partie mit seinem Treffer in der 114. Minute noch einmal spannend machte. "Eigentlich hätten wir gewonnen, wenn nicht Marko mit dem Zeh im Abseits gestanden wäre", sagte der Stuttgart-Angreifer. Nach den Angaben von Kalajdzic wurde dem ÖFB-Team vom VAR eine mögliche Sensation gegen den vierfachen Weltmeister "weggerissen. Abseits ist Abseits, aber das ist schon bitter." Goalie Daniel Bachmann beschrieb die Zeit zwischen dem Tor und dessen Aberkennung als "Hochschaubahn der Gefühle".

Foda: "Damit muss man leben"

Ähnlich erging es Teamchef Franco Foda. "Die Emotionalität nach dem Tor war riesengroß. Ich habe in der Situation überhaupt nicht daran gedacht, dass es noch einen Video-Assistenten gibt." Der Deutsche wurde in der Folge vom Vierten Offiziellen darauf hingewiesen, dass der Treffer überprüft werde – und musste wenig später zur Kenntnis nehmen, dass es beim Spielstand von 0:0 blieb. "Dann ist man auf einmal wieder enttäuscht und betrübt", erzählte Foda. "Wären wir da in Führung gegangen, bin ich der Überzeugung, hätten wir das Spiel als Sieger verlassen."

Seine Mannschaft hatte schon davor im Turnier schlechte Erfahrungen mit dem Video-Assistenten gemacht. Beim 0:2 gegen die Niederlande wurde nachträglich ein Elfmeterfoul von Alaba aufgedeckt, das die Führung für die "Oranjes" bedeutete. Trotzdem bleibt Foda ein klarer Befürworter des technischen Hilfsmittels. "Ich bin für den VAR, weil ich schon immer betont habe, dass im Fußball Gerechtigkeit herrschen muss. Heute hat es uns getroffen, damit muss man leben", erklärte der Teamchef. (APA, red, 27.6.2021)