Für einen Moment roch es nach einer Sensation.
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PRO: Niederlage mit Stil

von Philip Bauer

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Das gilt nicht nur für Omas Neunziger und Dienstschluss um 18 Uhr, sondern auch für die Niederlage der österreichischen Nationalmannschaft gegen Italien. Am liebsten hätte man David Alaba und seine Kollegen nach dem Aus bei der Euro 2020 vor Freude abgebusselt. Im Sport zählt eben nicht nur das Ergebnis.

Am Ende hat nur ein Eitzerl gefehlt. Ein Zentimeter da, ein Zentimeter dort. Der Videobeweis, dieser elende Stimmungskiller, kann mit seinen kalibrierten Linien vielleicht den Torjubel verstummen lassen, er darf aber nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen. Die Spieler haben Herz und Lunge auf dem Rasen des Wembley-Stadions gelassen – und sich nebenbei zahlreiche Torchancen erspielt. Alle Achtung.

2016 war Österreich unter Trainer Marcel Koller eines der schwächsten Teams der Endrunde. Es war nicht zum Ansehen, ein Trauerspiel. Davon kann fünf Jahre später keine Rede sein. Im Gegenteil, die Anerkennung ist der Mannschaft von Franco Foda sicher. Man hat Eindruck hinterlassen. Österreich hat sich nach jahrzehntelanger Abwesenheit wieder auf Europas Fußballlandkarte platziert.

Die Squadra Azzurra hat gefeiert, als wäre sie zum fünften Mal Weltmeister geworden. Den Tifosi stand zuvor 120 Minuten der Schweiß auf der Stirn. Klatschen Sie die Patschhände zusammen – denn so sehen hierzulande Sternstunden aus. (Philip Bauer, 27.6.2019)

KONTRA: Niederlage ist Niederlage

von Fritz Neumann

Ja, eh. Toll gespielt, aufopferungsvoll gekämpft, den Favoriten voll gefordert, nie aufgegeben, in den letzten Minuten fast noch zurückgekommen. Jeder einzelne Spieler kann stolz auf sich sein, ganz Österreich kann stolz auf diese Spieler sein, auf dieses Team. Ja, eh.

Aber Sternstunden, echte Sternstunden sehen anders aus. Sternstunden sollten Siege sein. Schade drum, auch weil es dem Land so gut getan hätte, wenn Córdoba endlich überholt worden und also überholt gewesen wäre. Wenn es künftig nicht mehr hieße: Wisst ihr noch, 1978, das 3:2 bei der WM gegen die Deutschen? Sondern: Wisst ihr noch, 2021, das 4:0 im EM-Achtelfinale gegen die Italiener? (Davon, dass die Österreicher dem vom unsäglichen Videoreferee aberkannten 1:0 durch Arnautović im Konter noch drei weitere Tore hätten folgen lassen, müssen wir ausgehen).

Córdoba, wenn ich das schon höre! Als Sternstunde zweifelhaft genug. Schließlich ist es für Österreich selbst in diesem Match um nichts mehr gegangen, man hat halt den Deutschen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ja, eh.

Gegen Italien hat Österreich im fünften Versuch bei einem Großevent zum fünften Mal verloren, übrigens zum fünften Mal mit einem Tor Unterschied. Ja, dieses EM-Achtelfinale war besonders eng, besonders mitreißend, besonders schön, besonders traurig. Aber eine Sternstunde war es nicht. (Fritz Neumann, 27.6.2019)