Hallo, ihr ManCity-Memmen! Noel Gallagher weilte unlängst auf Besuch in Porto.

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Sein größtes Glück: Die widerspenstigen Haare haben den Alterungsprozess bravourös überstanden. Man muss sich Noel Gallagher, einst das sträflich vernachlässigte Kind eines Arbeiterhaushalts am Stadtrand von Manchester, heute als glücklichen Menschen vorstellen. Der garantiert "Bullshit"-freie Brit-Rock seiner Band Oasis prägte in den 1990ern die Adoleszenz von Millionen.

Heute, zwölf Jahre nach Auflösung der Band, zieht Gallagher wahrscheinlich umso fester an seinen Haaren; anders lässt sich sein Glück vermutlich gar nicht fassen. Während Sänger-Bruder Liam bloß ein Einfaltspinsel geblieben ist, der den John Lennon für Brexiteers gibt, erfreut sich Noel eines soliden Rufs: als älterer Staatsmann, Paul-Weller-Kumpel, ManCity-Edelanhänger in einer Person. Er baut noch immer diese soliden, typisch schweifenden Songs, für die mindere Kollegen aus der zweiten Generation des Brit-Rock ihre Oma in den River Tyne tauchen würden.

Gallagher-Songs erfüllen vor allem eine Art von Fürsorgepflicht. Sie pfeifen auf die Erkenntnisse von Barock-Pop und den 7/4-Takt. Sie zeigen sich "Big-Beat"-informiert und lassen Pillenwerfer wie Primal Scream – durch dicke Nebelschwaden hindurch – freundlich grüßen.

Auf dem famosen Sampler "Back the Way We Came Vol. 1" hat Noel Gallagher die Kronjuwelen seines Solo-Schaffens mit den High Flying Birds sorgfältig poliert. Das glitzert und gleißt auf drei CDs psychedelisch. Spotify lehnt der hohe Herr ohnedies ab ("Klingt scheiße"). Hier, in Oden an den Mond, reimt sich sozialamtlich "city" auf "pretty", "time" auf "mine". Zwei nagelneue Songs bezeugen den Bienenfließ unzähliger Pandemietage. Ansonsten werden ein paar Abstecher auf den "Dancefloor" unternommen. Noel macht einen auf dicke Balearen-Hose. Das schunkelt wie früher auf Großmutter Gallaghers Bingo-Party.

Man muss sich den sozialen Aufsteiger Gallagher heute eben als glücklichen Menschen vorstellen. In London besitzt er ein eigenes Studio, in dem er tagelang abtauchen kann, wenn die Gemahlin zuhause wieder einmal den Rotweinkonsum benörgelt. Steht Manchester City doch noch im Champions-League-Finale, wird eben nach Porto gereist (die Memmen ließen gegen den FC Chelsea leider komplett aus!).

Dem nervigen Bruder, dessentwegen Noel einst Oasis verließ, weil der ihn Backstage mit Zwetschken bewarf, begegnet er nur noch, wenn es unvermeidbar ist: etwa zum Truthahnschneiden, zu Weihnachten bei Mama Gallagher. Oder in der mit Edelsteinen ausgelegten VIP-Loge von Scheich Mansour, dem ManCity-Inhaber. Der ist noch um vieles reicher als Noel. Macht nichts, dafür hat letzterer viele hunderttausend Platten verkauft.

Stilles Etihad-Stadion

Ohnedies ist es still geworden im Plüsch des Etihad-Stadions in Manchester. Seit dem Krebstod von Lästerzunge Mark E. Smith (The Fall) hat sich die Phalanx der popkulturell hochwertigen ManCity-Anhänger auffällig verkleinert. Die Zeiten sind schlecht, das Land geht vor die Hunde. Für einen Popsong wie "The Death of You and Me" würden andere Britpopper ihre Gitarre aufessen. Soll Damon Albarn von Blur doch so viele Opern schreiben, wie er will! Die Oasis-Kompilation "Time Flies … 1994–2009" ist seit 398 Wochen ununterbrochen in den britischen Charts gelistet. Noel Gallagher hocherfreut: Ach, deswegen purzeln zuhause immer die Geldscheine aus den Schubladen!

Die Friseurkosten? Fallen bei ihm ohnedies nicht ins Gewicht. Glückliches England! (Ronald Pohl, 28.6.2021)