Die Pandemie hat das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele Frauen verschärft. Trotzdem gab es kaum Angebote und Unterstützung aus der Politik.

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Das Corona-Jahr 2020 war ohne Zweifel ein Ausnahmejahr. Besonders für Frauen bedeutete es seit Ausbruch der Pandemie Mehrfachbelastungen. Sie arbeiteten öfter als Männer in systemrelevanten Berufen im Handel oder im Gesundheitsbereich und schulterten zudem den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung und des Homeschoolings. Trotzdem gingen Politik und Medien kaum auf Herausforderungen, die spezifisch Frauen betrafen, ein. Das zeigt die aktuelle Media-Affairs-Studie "Frauen – Politik – Medien 2020", die am Montag in Wien präsentiert wurde. Einbezogen wurden die Printausgaben von "Kronen Zeitung", "Österreich", "Heute", DER STANDARD, "Presse" und "Kurier" sowie die "Zeit im Bild" und die "ZiB 2" im ORF.

"Die politische Themenvielfalt wurde durch das Coronavirus zum Verschwinden gebracht", erklärte Studienautorin und Media-Affairs-Geschäftsführerin Maria Pernegger. Vor allem Frauenpolitik sei parteiübergreifend zum Nischenthema geworden. Dabei habe die Pandemie nur den Trend der vergangenen Jahre zugespitzt: Frauenpolitik werde nicht als Querschnittsmaterie betrachtet, sondern nur bei bestimmten Anlässen thematisiert oder dann, wenn die Themen polarisieren: Ein Dauerbrenner sei das Kopftuchverbot. Daneben würde vor allem auf Gewalt gegen Frauen fokussiert, sagte Pernegger. Dennoch habe die Berichterstattung über häusliche Gewalt, Sexismus und sexuelle Belästigung deutlich abgenommen. Häusliche Gewalt oder Partnergewalt erreichte 2020 im Vergleich zu 2019 nur mehr die Hälfte der medialen und politischen Aufmerksamkeit.

Finanzielle Fragen bleiben Randerscheinung

Trotz der Auswirkungen der Krise blieben finanzielle und arbeitsmarktpolitische Themen in der Berichterstattung 2020 eine Randerscheinung. Obwohl etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Krisenjahr eine massive Belastung darstellte, widmete sich die Politik dem Thema kaum. Themen wie Lohngerechtigkeit, Pensionen, Altersarmut oder die Vereinbarkeitsfrage seien parteipolitisch unangetastet geblieben, heißt es in der Studie.

WISSEN: Der Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer definiert folgende elf Berufsgruppen als systemrelevant: Ärztinnen und Apotheker, Lehrpersonal, Altenpflegerinnen und Behindertenbetreuer, Kindergartenpädagoginnen und Kinderbetreuer, Bankangestellte, Kassiererinnen und Regalbetreuer im Einzelhandel, Personal der öffentlichen Sicherheit, bei Polizei und Feuerwehr, Berufsfahrer und Lieferdienste sowie Reinigungskräfte.

Dabei könnten besonders jene Frauen profitieren, die Österreich gut durch die Krise gebracht haben – nämlich jene in systemrelevanten Berufen, also etwa Handelsmitarbeiter, Reinigungskräfte, Lehrerinnen, Transportdienstleister oder medizinisches Personal. In acht von den elf als systemkritisch definierten Berufsgruppen überwiege der Frauenanteil, erklärte Pernegger. Insgesamt liege der Anteil bei 60 Prozent. Jene fünf Gruppen mit dem höchsten Frauenanteil würden zudem am wenigsten verdienen. "Typische 'Frauenberufe' werden nicht nur weniger gut bezahlt, sie erreichen auch einen weniger hohen Prestigewert in der Öffentlichkeit", meint die Studienautorin.

Mediale Sichtbarkeit unterdurchschnittlich

Auch die Sichtbarkeit von Frauen in Politik wie Wirtschaft hat einen Dämpfer erlitten. Obwohl Frauen in der Spitzenpolitik angekommen sind, war vor allem das Krisenmanagement in der ersten Hälfte des Jahres reine Männersache – Für die Bundespolitik sprachen fast ausschließlich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Aber auch die Tagespolitik wurde von Männern dominiert. Insgesamt stammte nur ein Drittel der Wortmeldungen in der Bundespolitik von Frauen.

Auch die mediale Bühne gehörte den Männern – und zwar zu 77 Prozent. "Frauen sind als Expertinnen, Medizinerinnen, Unternehmerinnen oder Vertreterinnen von Organisationen unterdurchschnittlich sichtbar", sagt die Medienanalystin. Sogar im plötzlich sehr gefragten Gesundheitsbereich bestimmten zu Beginn der Pandemie einige wenige nationale und internationale (männliche) Mediziner und Virologen den Diskurs. Erst später rückten Medizinerinnen in den Beratungsstäben der Regierung nach.

Nach Branchen betrachtet ist die Sichtbarkeit von Frauen vor allem in prestigeträchtigen und finanzstarken Bereichen zurückgegangen, wie in der Finanzbranche, in der Bau- und Immobilienbranche oder im Sport. Zugewinne gab es hingegen im Sozialbereich, Tourismus und Dienstleistungsbereich.

Diversität bringt Innovation

Pernegger sieht in der Krise dennoch ein Momentum für Chancengerechtigkeit. So würden Frauen in Entscheidungspositionen andere Akzente setzen als Männer und beispielsweise Digitalisierungsprozesse forcieren. Das betonte auch die Vizepräsidentin der Industriellenvereinigung (IV), Sabine Herlitschka, die gemeinsam mit Vertreterinnen der anderen Kooperationspartner Arbeiterkammer (AK), Acredia und RHI Magnesita bei der Studienpräsentation anwesend war. Diversität in der Belegschaft und in Führungspositionen sei ein Innovationsmotor, meinte Herlitschka. Besonders in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen gebe es Nachholbedarf.

AK-Präsidentin Renate Anderl forderte ein Schließen der Einkommensschere bis 2030, faire Bezahlung sogenannter Frauenberufe und den Ausbau der Kinderbetreuung, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Denn auch die Wirtschaft brauche gut ausgebildete Frauen als Arbeitskräfte: "Wir können es uns nicht leisten, ihr Potenzial liegen zu lassen." (Davina Brunnbauer, 28.6.2021)