Noch in den 1990er-Jahren hatte ein Experte die Echtheit dieser von Renoir signierten "Landschaft in der Provence" bestätigt, die nun auf 25.000 bis 50.000 Euro geschätzt wird.

Auktionshaus "im Kinsky"

"Mutter und Kind auf dem Lande", 1885 von Renoir gemalt, lautete die bis 2006 gültige Zuordnung. Die Kinsky-Experten sind von der Echtheit überzeugt.

Auktionshaus "im Kinsky"

Kommende Woche gelangen im Auktionshaus "im Kinsky" zwei Gemälde von Pierre-Auguste Renoir zur Versteigerung. Die Besonderheit: Ihre Schätzwerte wurden verführerisch niedrig angesetzt. 25.000 oder 30.000 Euro für ein Werk von einem der bedeutendsten französischen Maler des Impressionismus? Selbst wenn mehrere Interessenten den Wert mit ihren Geboten im Laufe der Auktion dann höher lizitieren sollten, ist das, verglichen mit internationalen Usancen, schon sehr, ja fast zu günstig.

Der Grund für die Schnäppchen ist schnell ausgemacht: Ein Gremium zieht die Authentizität der Bilder und damit auch die bis Ende der 1990er-Jahre gültige Meinung anerkannter Kunsthistoriker in Zweifel. Die Geschichte ist kein Einzelfall, erzählt jedoch beispielhaft von der Allmacht von Experten, die wahlweise Werte schaffen oder vernichten.

Erbin einer Geschäftsfrau

Nicht selten drängt sich dabei der Verdacht einer Willkür auf. Betroffen davon sind nicht nur renommierte Auktionshäuser und Kunsthändler, sondern auch Museen – und manchmal Privatpersonen. Wie jene Erbin einer österreichischen Geschäftsfrau, die Anfang der 1990er-Jahre bei der Galerie Salis (Salzburg) zwei Renoir-Gemälde erwarb: eine um 1900 entstandene Landschaft in der Provence sowie die kleine Genredarstellung Mutter und Kind auf dem Lande, datiert auf 1895.

Etwa sieben Millionen Schilling, also umgerechnet knapp 509.000 Euro, seien laut dem Auktionshaus für die beiden Bilder damals bezahlt worden. Ein marktkonformer Kaufpreis, auch angesichts der teils prominenten Herkunft: Das Genrestück hatte einst Renoirs Kunsthändler Ambroise Vollard gehandelt, wovon ein Etikett auf der Rückseite zeugt.

Experte für Renoir

Das Landschaftsstück war im Juni 1961 im Auftrag der Artists Guild of America bei Sotheby’s in London versteigert worden und landete bei einem bekannten Kunsthändler in Paris. Francois Daulte, einst Experte für Renoir und Autor des Werkverzeichnisses für Gemälde von 1860 bis 1890, hatte ein Gutachten verfasst und die Aufnahme des Bildes in den Ergänzungsband geplant, starb jedoch 1998 vor der Fertigstellung.

45 Jahre nach der Versteigerung bei Sotheby’s sollten sowohl dieses Bild als auch das Genrestück ebendort neuerlich zum Aufruf gelangen. Die österreichische Geschäftsfrau war mittlerweile verstorben, ihre Tochter erlebte jedoch eine unliebsame Überraschung. Das mittlerweile für Renoir zuständige Wildenstein-Institut, 1970 von einem Spross der gleichnamigen Kunsthändlerdynastie in Paris gegründet, verweigerte eine Expertise. Und zwar ohne Angabe von konkreten Gründen.

Plötzlich wertlos

Sotheby’s sah sich dem hauseigenen Reglement verpflichtet und nahm von einer Versteigerung Abstand. Zurück blieb die erboste Besitzerin zweier Bilder, die sich damit mehr oder weniger als wertlos entpuppten. Die von ihr geforderte Rückabwicklung des 25 Jahre zurückliegenden Kaufs lehnte Thomas Salis jedoch ab, wie er auf Anfrage bestätigt: Den Deal hatte damals sein Geschäftspartner völlig korrekt abgewickelt, zu keinem Zeitpunkt habe es auch nur den geringsten Zweifel an der Authentizität gegeben.

Und an die Echtheit glaubt er bis heute: Es ergebe keinen Sinn und es gebe auch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass diese Bilder nicht von Renoir gemalt worden wären. Eine Meinung, der sich das Auktionshaus "im Kinsky" anschließt: Nach genauer Untersuchung samt stilkritischen Prüfungen sei man zur Überzeugung gelangt, dass es sich um eigenhändige Werke handle.

Förderung der Zugänglichkeit

Dagegen steht das "Wort" des Gremiums, das seit 2016 unter Wildenstein-Plattner-Institut (WPI) firmiert. Dahinter steht – neben dem französischen Kunsthändler und Geschäftsmann Guy Wildenstein – der langjährige CEO und Aufsichtsratsvorsitzende der SAP Hasso Plattner, selbst ein leidenschaftlicher Sammler französischer Impressionisten. Die gemeinnützige Stiftung, mit Hauptsitz in New York und einer Zweigniederlassung in Paris, hat sich der Förderung der Zugänglichkeit, Katalogisierung und Digitalisierung von Archivmaterial verschrieben.

Nebenher expertisiert man eben auch Kunstwerke für digitale Werkverzeichnisse. Um eine fachliche Einordnung zu bekommen, gilt es vorab 2000 Dollar zu überweisen. Das Urteil gibt es in drei Varianten: Das Werk wird oder wird nicht in den digitalen WPI-Katalog aufgenommen, oder es kann keine Feststellung über die Arbeit getroffen werden. Begründungen für den "Schiedsspruch" gibt es keine. Warum man objektivierende Erläuterungen oder Nachweise so einfach schuldig bleiben kann, wäre nicht nur im Falle von Renoir eine berechtigte Frage. (Olga Kronsteiner, 28.6.2021)