Bei einem weiteren Lockdown können Auftraggeber schwer behaupten, dass sie bei der Ausstattung mit IT-Geräten überrascht worden sind.

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Wir erinnern uns: Im Frühjahr 2020 kam es bei öffentlichen Stellen zu einem sehr kurzfristigen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen, um die ersten Auswirkungen der Pandemie zu bewältigen. Öffentliche Stellen benötigten plötzlich zusätzliche IT-Ausstattung für die Umstellung auf Homeoffice, Dienstleistungen für Abwicklung von Corona-Hilfsmaßnahmen, Masken oder Antigentests, um nur einige Beispiele zu nennen. Öffentliche Auftraggeber, die bekanntlich Leistungen ab einer gewissen Höhe nur nach Durchführung von oftmals länger dauernden Vergabeverfahren beschaffen dürfen, mussten rasch reagieren und konnten sich auf vergaberechtliche Ausnahmetatbestände wie die "Notvergabe" stützen.

Eine Notvergabe – um die Sprache des Bundesvergabegesetzes zu verwenden – ist ein vereinfachtes Vergabeverfahren, das ausnahmsweise mit nur einem Bieter durchgeführt werden darf, wenn aufgrund eines für den Auftraggeber unvorhersehbaren Ereignisses "äußerst dringliche zwingende Gründe" vorliegen, die eine rasche Beschaffung erforderlich machen. Ohne Zweifel war das Aufkommen einer Pandemie in diesem Ausmaß für alle unvorhersehbar.

Keine einstweiligen Verfügungen

Auch der Gesetzgeber reagierte schnell und schaffte mit dem Covid-19-Begleitgesetz Vergabe einen Hebel, um die Verzögerung von Notvergaben durch gerichtliche Anfechtungen zu verhindern. Ist nämlich ein interessierter Unternehmer der Ansicht, dass eine Notvergabe unzulässig war, kann er gerichtlich dagegen vorgehen und seine Begehren durch eine einstweilige Verfügung absichern lassen. Eine einstweilige Verfügung verhindert, dass der öffentliche Auftraggeber noch vor der Entscheidung des Gerichts das Vergabeverfahren weiterführt und den Zuschlag erteilt. Das Covid-19-Begleitgesetz Vergabe setzte einstweilige Verfügungen bei bekämpften Notvergaben aus, womit Auftraggeber ungehindert das Vergabeverfahren weiterführen konnten.

Kürzlich haben der National- und der Bundesrat die Verlängerung des ursprünglich nur bis Ende bis Juni geltenden Begleitgesetzes bis Jahresende beschlossen. Der besagte Schutz öffentlicher Auftraggeber vor Verzögerungen von Notvergaben durch gerichtliche Anträge bleibt somit aufrecht.

Signal des Gesetzgebers

Angesichts des stark sinkenden Infektionsgeschehens und der Durchimpfung der Bevölkerung taucht jetzt aber regelmäßig die Frage auf, ob es noch Leistungen gibt, die Covid-bedingt mittels Notvergabe beschafft werden können. Immerhin ist die Pandemie mittlerweile bekannt und nicht mehr unvorhersehbar. Mit der Verlängerung des Covid-19-Begleitgesetzes Vergabe signalisiert der Gesetzgeber, dass – abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie –aus seiner Sicht immer noch pandemiebedingte Notvergaben erforderlich werden können.

Worum könnte es sich da handeln? Viele Fälle, die vor einem Jahr noch eine Notvergabe erforderlich machten, überraschen heute nicht mehr und eignen sich damit auch nicht mehr als Rechtfertigung. Paradebeispiel ist die besagte Beschaffung von IT-Ausstattung fürs Homeoffice. Mittlerweile muss damit gerechnet werden, dass es zu Lockdowns und Umstellung auf Homeoffice kommen kann. Auftraggeber werden sich daher bei der Beschaffung von IT-Ausstattung beim nächsten Lockdown nicht darauf stützen können, dass dies unvorhersehbar war.

Im Einzelfall gerechtfertigt

Sollte hingegen eine neue Virusvariante eine Anpassung von Schutzausrüstung oder Tests erforderlich machen, müssten Auftraggeber rasch reagieren; Notvergaben können im Einzelfall neuerlich zulässig sein. Die Vorhersehbarkeit ist nämlich nicht auf die Corona-Pandemie als solche, sondern auf die mit der Pandemie in Zusammenhang stehenden, jeweils aktuellen Einzelereignisse zu beziehen. Eine Notvergabe erfordert daher in jedem Fall eine genaue Prüfung und Dokumentation ihrer Erforderlichkeit durch den Auftraggeber. (Karlheinz Moick, Sophie Reiter-Werzin, 1.7.2021)