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Irans Botschafter bei der IAEA, Kazem Gharib Abadi, und Vizeaußenminister Abbas Araghchi in Wien.

Foto: AP / Florian Schrötter

Selbst der notorisch optimistische russische Atomverhandler mit dem Iran warnte vor "nicht rechtfertigbaren langfristigen negativen Folgen", sollte der Iran sein Inspektionsüberbrückungsabkommen mit der Internationalen Atomenergiebehörde nicht verlängern. Was Moskaus Botschafter bei der IAEA in Wien, Mikhail Ulyanov, damit meinte: Die wahrscheinlich entscheidende Runde der Wiener Gespräche zur Wiederbelebung des Iran-Atomdeals von 2015 würde noch schwieriger werden, wenn der Iran gleichzeitig seine ohnehin reduzierte Zusammenarbeit mit dem nuklearen "Wachhund" IAEA weiter einschränkt.

Ob die Iraner die Vereinbarung mit der IAEA, die Ende Februar auf drei Monate abgeschlossen und Ende Mai noch einmal verlängert wurde, nun als ausgelaufen betrachten oder nicht, war auch am Montag nicht ganz klar, vier Tage nach dem Stichtag am 24. Juni. Vielleicht auch in Teheran selbst nicht, wo die Atomdealgegner nach der Wahl von Ebrahim Raisi zum iranischen Präsidenten Morgenluft wittern, vielleicht war es aber auch eine gewünschte Ambiguität: Am Sonntag jedenfalls hatte der Präsident des von Hardlinern dominierten Parlaments, Mohamed Bagher Ghalibaf, das provisorische Inspektionsregime für beendet erklärt, am Montag sagte Außenministeriumssprecher Saeed Khatibzadeh hingegen, es gebe noch keine Entscheidung.

Die IAEA sitzt in Wien nicht mit am Verhandlungstisch, aber sie hat die 2015 vereinbarten Regeln für das reduzierte iranische Atomprogramm zu überprüfen. Damals hatte sich der Iran bereiterklärt, dem strengeren "Zusatzprotokoll" für IAEA-Inspektionen zu folgen und zusätzliche Transparenzmaßnahmen zu akzeptieren, wie etwa die Überwachung eines Teils seiner Atomanlagen mit Kameras und Messinstrumenten, deren Bilder und Daten in Echtzeit an die IAEA übertragen werden.

Die IAEA hat aber auch noch eine andere Rechnung offen: Der Iran hat noch immer keine Erklärungen dafür, dass an nicht als Atomanlagen deklarierten Orten Uranpartikel gefunden wurden. Das lässt zumindest vermuten, dass Teheran bei der Offenlegung vergangener Atomaktivitäten nicht die Wahrheit gesagt hat. Dass im Iran an gewissen Aspekten eines Atomwaffenprogramms geforscht wurde, scheint klar, auch wenn die US-Geheimdienste das der Vergangenheit zuordnen.

Schwere Verstöße

Nachdem die USA unter Präsident Donald Trump im Mai 2018 aus dem Atomabkommen ausgestiegen waren und dessen Umsetzung auch international torpediert haben, begann der Iran 2019 ebenfalls die Regeln zu brechen. Dazu gehören mittlerweile substanzielle Überschreitungen bei der Produktion von angereichertem Uran, aber seit Ende Februar auch die Reduktion der Zusammenarbeit mit der IAEA.

Seitdem laufen die IAEA-Kameras und andere Instrumentarien zwar, die Aufzeichnungen bleiben jedoch beim Iran. Auch Inspektionen von iranischen Anlagen ohne Voranmeldungen gibt es nicht mehr. Die "normalen" IAEA-Inspektionen wie vor dem Wiener Abkommen von 2015 – JCPOA, Joint Plan of Action, heißt es offiziell – laufen aber weiter.

In Wien wird seit Anfang April verhandelt, ob die USA zum JCPOA zurückkehren – wofür auch der Iran nicht nur die früheren Regeln wieder einhalten, sondern seinen seither gemachten Sprung nach vorn rückgängig machen müsste. Teheran verlangt Garantien, dass die USA nicht wieder einfach aussteigen. Die USA hingegen wollen nach den Atomverhandlungen weitere Punkte zur Sprache bringen, vom iranischen Raketenprogramm bis zur iranischen Einflusspolitik im Nahen Osten, wovon sich die Partner der USA in der Region bedroht fühlen. Dabei scheint man nicht weiterzukommen.

Die Entscheidung naht

Sowohl Washington als auch Teheran betonen, dass die Verhandlungen in Wien nicht mehr lange dauern können. Die siebente Runde, deren Beginn in den nächsten Tagen erwartet wurde, soll die letzte sein. Noch immer sprechen die USA und der Iran nicht direkt miteinander, sondern durch die anderen Teilnehmer, die EU, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China.

Die US-Regierung von Joe Biden hat am Sonntag jedenfalls klargemacht, dass die Wiener Atomgespräche die USA nicht daran hindern, gegen Verbündete des Iran in der Region vorzugehen. Zum zweiten Mal in Bidens Amtszeit führten die USA Militärschläge gegen mit Teheran verbündete irakische schiitische Milizen in Syrien und im Irak durch.

Dem war ein Drohnenangriff in der Nähe der kurdischen Hauptstadt Erbil im Irak vorangegangen: mutmaßlich von solchen Milizen. Die sogenannten Volksmobilisierungseinheiten (PMU), zu denen aber nicht nur Teheran-treue Elemente gehören, hielten an dem Tag bei Bagdad eine Parade ab, zu der auch der irakische Premierminister Mustafa al-Kadhimi erschienen ist.

Nach dem US-Angriff am Sonntag gab es eine rare offizielle irakische Verurteilung. Kadhimi steckt zwischen Hammer und Amboss der auch im Parlament mächtigen irakischen Milizen und den USA. Er hat im Herbst seine ersten Wahlen zu schlagen und verhandelt mit Washington über die Zukunft der US-Truppen im Irak. Das Parlament verlangt deren Abzug, Kadhimi will aber weiterhin US-Unterstützung gegen den "Islamischen Staat". Gleichzeitig versucht sich Bagdad regional als Akteur zu positionieren: Am Sonntag kam neben dem jordanischen König Abdullah zum ersten Mal seit Mai 1990 – als Hosni Mubarak versuchte, Saddam Hussein vom Einmarsch in Kuwait abzuhalten – wieder ein ägyptischer Präsident nach Bagdad, Abdelfattah al-Sisi. (Gudrun Harrer, 28.6.2021)