Die Meidlinger Kaserne in Wien soll künftig die Zentrale der neuen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) werden.

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Die Regierungsparteien konnten sich mit SPÖ und FPÖ auf die Reform des Verfassungsschutzes einigen. Das haben die Sicherheitssprecher der vier Parteien – Karl Mahrer (ÖVP), Georg Bürstmayr (Grüne), Reinhold Einwallner (SPÖ) und Hannes Amesbauer (FPÖ) – bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstagvormittag bekanntgegeben. Im Plenum des Nationalrats soll der Umbau des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zur Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) kommende Woche mit breiter türkis-grün-rot-blauer Mehrheit beschlossen werden. Die Neos sehen im Gesetzesentwurf zwar auch eine Verbesserung zum jetzigen Zustand des skandalumwitterten BVT, ihnen geht aber die parlamentarische Kontrolle der DSN nicht weit genug.

Lob für Zusammenarbeit

Zur Erinnerung: Türkis-Grün hat bereits im Koalitionsprogramm eine Neuaufstellung des BVT paktiert. So richtig in Fahrt kam das Vorhaben aber erst mit dem Terroranschlag in Wien im November 2020, in dessen Vorfeld dem Verfassungsschutz gravierende Ermittlungspannen unterlaufen waren. Im März hat die Regierung dann einen ersten Entwurf in Begutachtung geschickt, Mitte Juni wurde die Regierungsvorlage im Ministerrat beschlossen. Im Innenausschuss des Nationalrates wurden nun noch einige Punkte im Sinne der Opposition verändert, wie SPÖ und FPÖ positiv hervorhoben. "Vor einem halben Jahr hätte ich noch nicht gedacht, dass ich eine Einigung mitverkünden darf", sagte FPÖ-Sicherheitssprecher Amesbauer. Er sei überrascht, dass die Opposition so stark eingebunden wurde.

Zweiteilung, aber in einer Behörde

Wenig Verhandlungsspielraum gab es allerdings beim Kernstück der Reform, für die die Regierung von vornherein keine Zweidrittelmehrheit braucht. Es ist dies die strukturelle Zweiteilung des Verfassungsschutzes: Die staatspolizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr samt Vernehmungen und Verhaftungen soll künftig strikt getrennt werden von der nachrichtendienstlichen Aufgabe der Informationssammlung zwecks Gefahrenforschung. Experten hielten die international unübliche Vermischung von Nachrichtendienst und Staatspolizei beim BVT schon seit dessen Gründung für verfehlt, auch bei den Partnerdiensten sorgt die Hybridstruktur für Skepsis. Dem begegnet man nun mit der besagten Aufspaltung in zwei Säulen, wobei die Koordination über eine Verbindungsstelle ("Lagezentrum") laufen soll, die über den Informationsfluss und eine etwaige Einschaltung der Kriminalpolizei befindet.

Die SPÖ hätte sich aber eine noch stärkere Trennung gewünscht, indem der Nachrichtendienst als eigene Behörde aus dem Innenministerium herausgelöst wird und nicht mehr unter einem Dach mit der Staatspolizei steht. Die Regierung wollte das nicht und argumentiert, dass der Informationsfluss unter einem Dach rascher funktioniert. Ob das so stimmt, soll eine Evaluierung klären, die die Auswirkungen der Strukturreform bis Ende 2026 in einem Bericht darstellen wird.

Minderheit kann Kontrollkommission einschalten

Der wichtigste – und eine Verfassungsmehrheit erfordernde – Punkt in den Verhandlungen der Parteien war aber der Ausbau der parlamentarischen Kontrolle der DSN. Dafür wird eine dreiköpfige Kontrollkommission mit rotierender Vorsitzführung gegründet, deren Mitglieder vom Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit einmalig für zehn Jahre bestellt werden. Die Kontrollkommission soll unabhängig und weisungsfrei die Arbeit der DSN überprüfen und dem Parlament in Gestalt des ständigen Unterausschusses des Innenausschusses (vulgo Geheimdienstausschuss) darüber jährlich berichten. Die Opposition kann aus den Verhandlungen als Erfolg verbuchen, dass sich der Geheimdienstausschuss per Minderheitenverlangen eines Viertels der Abgeordneten an die Kontrollkommission wenden kann. Teile der Opposition können also von sich aus fragwürdige Vorgänge von der Kommission prüfen lassen, worin SPÖ und FPÖ einen großen Wurf erblicken.

Neos finden Kontrolle immer noch zu schwach

Auch die Neos begrüßen die Aufwertung des Geheimdienstausschusses, den die Abgeordnete Stephanie Krisper im derzeitigen Betrieb als "Geheimnisausschuss" wahrnimmt, weil man dort wenig Relevantes erfahre. Krisper fürchtet jedoch, die neue Kontrollkommission könnte zahnlos bleiben. Diese könne in einem Fall nämlich erst aktiv werden, wenn Ermittlungen abgeschlossen sind – das sei "zu spät". Krisper kritisiert überdies, dass die Kommission nicht kontrollieren dürfe, wenn der Rechtsschutzbeauftragte bereits für einen Fall zuständig sei. "Wir tun uns schwer, eine derartig schwache Kontrollkommission mitzutragen", begründete die Neos-Abgeordnete folglich das pinke Nein zum neuen Gesetz, das mit 1. Dezember 2021 schlagend werden soll. (Theo Anders, 29.6.2021)