Der Eisenberg ist ein Burgenländerwitz, den die Landschaft mit dem Süden des Bundeslandes macht. Wie eine vorwitzige Provokation der Natur steht die prägnante Erhebung in der sonst so flachen pannonischen Tiefebene bei Oberwart und erlaubt weite Blicke bis aufs ungarische Szombathely. Obendrauf auf diesem Weinberg mit bestem Ruf für Blaufränkisch kuscheln sich hübsche Häuschen mit Aussicht aneinander – die sogenannten Kellerstöckl.

Einst waren die Kellerstöckl Wirtschaftsgebäude – heute gelten sie als Sommersehnsucht der Hipster-Touristen.
Foto: imago/imagebroker

Rund 1.400 dieser alten Wirtschaftsgebäude soll es im Südburgenland geben – und in dieser Form fast nur dort. Denn in den meisten anderen Weinbaugebieten Österreichs hat man die Presshäuser und Keller, wie der Name ja eigentlich vermuten ließe, unter der Erde angelegt. Das klassische burgenländische Kellerstöckl ist dagegen ein Stockwerk hoch und besteht zumeist aus einem einzigen Raum. Der Burgenländerwitz ist also auch aus einem weiteren Grund gelungen: Vermutlich sind das die einzigen Keller Österreichs mit Aussicht.

Fleißig tachinieren

Der ursprüngliche Zweck eines Stöckls war es, den Arbeitern im Weinberg zwischendurch eine Schlaf- oder Aufenthaltsgelegenheit zu bieten. Manchmal wurde aber aus der Pause für die Jause ein langer Tag, an dem man in der gemütlichen Stube fleißig Karten spielte. Heutzutage wird in den Weinbergen leider viel zu viel gearbeitet, und die Kellerstöckl verlieren nach und nach ihre ursprüngliche Funktion als Ort des Tachinierens – zumindest für die Einheimischen.

Rund 1.400 dieser alten Wirtschaftsgebäude soll es im Südburgenland geben – und in dieser Form fast nur dort.
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Auf dem Eisenberg ist gefühlt schon jedes zweite Kellerstöckl ein Ferienhaus – und somit ein Ort, in dem nur Fremde tachinieren vulgo urlauben. Der Ausbau und die Vermietung der Gebäude zu touristischen Zwecken wird im Burgenland finanziell gefördert, gerade auch im schwierigen Jahr zwei der Pandemie. Das Angebot hält dennoch kaum mehr der Nachfrage stand, so sehr begeistern sich Paare und Familien vor allem aus dem urbanen Bereich für die originellen Unterkünfte.

Kellerstöckl-Boom

Martina Fank und Ronald Kantauer haben hier unter dem Namen "Weinlofts" schon drei Kellerstöckl zur Vermietung auf Vordermann gebracht. Eines hat Kantauers Großvater gehört, ein anderes dem Urgroßvater. "Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie der Opa immer zum Kartenspielen ins Kellerstöckl geritten ist. Irgendwann später am Tag kam dann das Pferd mit dem Opa zurück", erzählt Kantauer.

Am Eisenberg nahe Oberwart steht ein typisches südburgenländisches Kellerstöckl: aussichtsreich
in den Weinberg gebaut.
Foto: Karin Bonvecchio

Bevor das Paar vor fünf Jahren mit der Renovierung des ersten Häuschens beginnen konnte, mussten es die beiden von einem Vorarlberger zurückkaufen. Schon Mitte der 1980er-Jahre setzte am Eisenberg nämlich der erste Kellerstöckl-Boom ein. Vor allem Vorarlberger und Tiroler kauften die oft desolaten Gebäude und funktionierten sie zu kleinen Feriendomizilen um. Nach und nach verloren allerdings viele von ihnen wieder das Interesse, weil ihnen die Anreise aus dem Westen für die Wochenenden zu weit war.

Apropos Ausblick

Die burgenländische Version des Tiny House – das Wohngefühl spielt sich auf rund 15 Quadratmetern ab – ist auch eine Selbstversorgerhütte. So hätten Familien dank eigener Küche im Kellerstöckl auch im Lockdown gefahrloses Social Distancing betreiben können. Doch eine Ausnahme vom Verbot der touristischen Nutzung gab es für die Häuschen ebenso wenig wie eine rasche unbürokratische Unterstützung.

Die burgenländische Antwort auf den
Tiny-House-Boom: Die drei Weinlofts bei Großpetersdorf kosten zwischen 70 und 145 Euro pro Objekt und Nacht. Mindestaufenthalt drei Nächte
Info: weinlofts.at

Große Auswahl an
Kellerstöckln:
suedburgenland.info/unterkuenfte/kellerstoeckl
Foto: Karin Bonvecchio

Die Corona-Hilfe wurde zunächst nur für Privatzimmer gewährt, nicht aber für Ferienwohnungen, zu denen offenbar auch Kellerstöckl zählen, wie Martina Fank mit Verwunderung feststellen musste. Jetzt, Anfang Juni, blickt man aber wieder zuversichtlich nach vorn und wie schon vor der Pandemie in einen vollen Buchungskalender.

Uhudler-Sprudel

Apropos Ausblick: Fank und Kantauer haben es in ihrem zweiten Kellerstöckl auf die Spitze getrieben mit der burgenländischen Interpretation eines "Kellers": Es ist eine bewohnbare Aussichtswarte, die da in der Mitte des Eisenbergs über der Tiefebene thront. Dabei ist sie vorn vollverglast, sodass man aus der auf einer Empore freistehenden Badewanne weit über die Weinberge bis zum Horizont in Ungarn blickt. Stellt sich nur die Frage: Ist das überhaupt noch ein klassisches Kellerstöckl? Wer einen Spaziergang über den Eisenberg wagt, erkennt auch deren Sinnlosigkeit.

Von der zu schmal geratenen Doppelgarage, wie sie ein großer Ferienhausanbieter als Kellerstöckl vermietet, bis hin zum Luxus-Chalet mit Whirlpool reicht die optische Bandbreite bei diesen Lagerhäusern. Ja, auch zum Lagern des jungen Weins dienten Kellerstöckl früher, wie man bei Fank und Kantauer am gut sortierten Weinregal erkennen kann. Und ihr Uhudler-Sprudel ist übrigens wirklich regional. Er stammt von den Reben vor ihrem Kellerstöckl. (Sascha Aumüller, 4.7.2021)

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Der Aufenthalt wurde von Weinlofts unterstützt.