Pressekonferenzen sind gemeinhin ziemlich langweilig. Die Gastgeber wollen ihre "Message" unters Volk bringen, die Journalistinnen und Journalisten hoffen, Antworten auf wirklich wichtige Fragen zu bekommen. Der dienstägliche Auftritt von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl zum Fall der im Bezirk Donaustadt gefundenen toten 13-Jährigen war aber aus anderen Gründen durchaus interessant – verrieten die Fragen zweier Journalisten doch, zwischen welchen Polen sich die Diskussion abspielt, nachdem bekannt wurde, dass zwei afghanische Teenager tatverdächtig sind.

Ein 16- und ein 18-jähriger Afghane stehen unter dem Verdacht, in der Nacht von Freitag auf Samstag eine 13-Jährige getötet zu haben.
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Der eine wollte von Nehammer wissen, ob möglicherweise traumatisierte junge Flüchtlinge zu wenig unterstützt würden. Der andere, ob man nicht alle straffälligen Ausländer abschieben sollte. Diese Standpunkte spiegeln sich in der Politik: Justizministerin Alma Zadić von den Grünen stellte jüngst die Frage, ob man Abschiebungen in das Bürgerkriegsland Afghanistan nicht sistieren sollte. FPÖ-Chef und Innenminister a. D. Herbert Kickl kam am Dienstag auf eine andere Idee: Er forderte die Aussetzung der Behandlung aller Asylanträge.

Es ist tatsächlich ein sehr komplexes Thema. Auf der einen Seite muss man anerkennen, dass es durchaus ein Problem mit (jungen) Afghanen gibt. Laut Statistik Austria hatten im Jahr 2020 rund 0,49 Prozent der Menschen in Österreich die afghanische Staatsangehörigkeit. Gleichzeitig waren 3,3 Prozent aller gerichtlich Verurteilten Afghanen, ein überdurchschnittlich hoher Wert also. Und wer gelegentlich in Gerichtssälen Strafprozesse verfolgt, erkennt auch, dass unter den Delinquenten durchaus Menschen mit einem – vorsichtig ausgedrückt – archaischen und patriarchalen Weltbild sind.

Populistischer Unfug

Aber: Gelangweilte und frustrierte junge Männer haben in der Geschichte der Menschheit schon immer das höchste Risiko gehabt, straffällig zu werden, unabhängig von der Herkunft. Kann es also die Lösung sein, wie Kickl fordert, die Mehrheit der gesetzestreuen Migrantinnen und Migranten wegen einer Minderheit zu bestrafen und gleich gar niemandem mehr Asyl zu gewähren? Nein, das ist selbstverständlich grober populistischer Unfug.

Gleichzeitig muss es aber Konsequenzen bei Fehlverhalten geben. Das Gastrecht ist in den meisten Kulturen heilig, allerdings nur so lange, als der Gast sich korrekt benimmt. Wer ein Gewaltverbrechen begeht oder wegen mehrerer Vergehen vorbestraft ist, erfüllt dieses Kriterium offensichtlich nicht – wie der 18-jährige Tatverdächtige im aktuellen Fall. Nur: Sein subsidiärer Schutzstatus wurde ihm bereits aberkannt, das ihm zustehende Rechtsmittel der Berufung verhinderte vorerst seine Abschiebung.

Sollte man also die Gesetze ändern und beispielsweise verfügen, dass man trotz Berufung abgeschoben wird und in seinem Herkunftsland auf die Entscheidung warten muss? Auch das wäre eine Bestrafung vieler wegen des Fehlverhaltens Einzelner. Was man aber durchaus fordern kann, ist eine bessere Vernetzung zwischen Justiz- und Innenministerium, um im Einzelfall potenzielle Gefährder schneller zu erkennen und entsprechende Schritte bis hin zur Aberkennung des Aufenthaltstitels und die Abschiebung einzuleiten. Wenn dann die Verfahren durch mehr Personal schneller durchgeführt werden können, ist das sicher auch kein Fehler. (Michael Möseneder, 29.6.2021)