Wer in der Stadt lebt, kommt an Tauben – und ihren Hinterlassenschaften – nicht vorbei. Ihr schlechter Ruf in Sachen Hygiene sei aber ungerechtfertigt, sagt der Vogelforscher.
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Wenige Tiere werden mit solcher Inbrunst gehasst und geliebt wie Stadt- oder Straßentauben: Während sie für die einen Bazillenschleudern mit Flügeln sind, sehen andere in ihnen liebenswerte Geschöpfe, um deren Überleben sie sich auch im Zuge der Corona-Lockdowns Sorgen machten. Versuche, die Anliegen beider Seiten unter einen Hut zu bringen, zeigen beschränkte Wirksamkeit.

Geschätzte 150.000 Stadt- oder Straßentauben gibt es in Wien. Sie alle sind Nachkommen verwilderter Haustauben, die ihrerseits von der Felsentaube (Columba livia) abstammen. Letztere sieht so aus wie die meisten ihrer Verwandten in den Städten, also graublau mit grün-violett schillerndem Hals- bzw. Brustbereich. Auch in der Lebensweise ähneln sie einander, nur dass die Felsentaube Klippen und Felsen besiedelt, während die Stadttaube an Gebäuden brütet.

Als Nahrung dienen der Felsentaube in erster Linie Samen, Knospen und junge Pflanzentriebe, die sie auf Feldern und Brachflächen findet. Wichtigste Futterquelle für Tauben in Städten ist hingegen der Mensch.

Energie zur Fortpflanzung

Das hat Vor- und Nachteile für die Vögel: Einerseits können sie auf eigenständige Nahrungssuche verzichten und die so gesparte Energie in die Fortpflanzung investieren. Unter diesen Umständen kann ein Taubenpaar bis zu zwölf Junge pro Jahr hervorbringen.

Andererseits ist das Futter oft alles andere als artgerecht, und viele Nachkommen sorgen für Überbevölkerung. Beides trägt dazu bei, viele Tauben in der Stadt krank zu machen, wie die Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien (TOW), Eva Persy, betont.

Was also tun gegen ein Übermaß an Tauben in den Städten? Versuche, sie zu vergiften oder abzuschießen, haben in der Vergangenheit keine nachhaltige Reduktion erzielt und sind nach heutigem Tierschutzgesetz in jedem Fall verboten.

Auch das Verfüttern von Verhütungsmitteln, das mancherorts betrieben wird, bewirkt keine dauerhaften Rückgänge, unter anderem deshalb, weil die richtige Dosierung so gut wie unmöglich ist. Ebenso hat die Ansiedlung von Wanderfalken als Fressfeinden, die in manchen Städten versucht wurde, letzten Endes nicht den gewünschten Erfolg erbracht.

Schwierige Beziehung

Die einfachste und effizienteste Methode, um Taubenmassen zu verhindern, sehen Fachleute in einer Reduktion der Fütterungen. Dafür tritt auch die Tierschutzombudsstelle Wien ein, denn damit würde gleichzeitig die Anzahl der nachrückenden Jungtiere sinken.

Das Problem dabei: Nicht nur die Tauben hängen an der Fütterung, sondern auch die Leute, die ihnen das Futter bringen. "Für viele Menschen sind die Tauben das einzig Lebendige, mit dem sie in der Stadt in Berührung kommen", sagt Tierarzt Hans Frey, Leiter der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee in Niederösterreich, der sich privat mit dem Thema befasst.

Mit der Anlage städtischer Taubenschläge versuchen manche Städte, einen gütlichen Mittelweg zu beschreiten: Die Idee ist, den Vögeln kontrollierte Nistmöglichkeiten mit sauberem Wasser und artgerechtem Futter zur Verfügung zu stellen, im Gegenzug aber ihre Eier durch Attrappen zu ersetzen.

Die Stadt Augsburg betreibt zwölf solcher Taubenschläge, aus denen pro Jahr rund 7000 Eier entnommen werden. Allerdings berichtet Eva Persy, dass die Taubenzahl in den letzten Jahren wieder gestiegen ist, und damit auch die Menge an entsprechenden Beschwerden.

Erfahrungen aus Taubenschlägen

Die TOW hat bis zum Frühjahr letzten Jahres einen solchen Taubenschlag im Amtshaus Meidling betrieben, das Projekt aber nach zehn Jahren eingestellt. "Das funktioniert nicht", meint Persy. "Selbst wenn Sie alle Tauben in einer Stadt in solchen Schlägen unterbringen, ziehen aus dem Umland neue nach, die die frei gewordenen Brutplätze an Gebäuden nützen."

Auch Hans Frey sieht in den städtischen Schlägen kein echtes Problemlösungsmodell, wohl aber eine Möglichkeit, Taubenliebhaber davon zu überzeugen, dass die Stadt sich um die Vögel kümmert. So forderte der Wiener Tierschutzverein, während der Lockdowns öffentliche Futterstellen einzurichten: Die ihr ganzes Leben an die Fütterung gewöhnten Tiere würden verhungern, wenn der Nachschub aufgrund von Ausgangsverboten ausbliebe.

Wie weit die Tauben imstande sind, ihr Verhalten an widrige Umstände anzupassen, ist unklar: Einerseits sind sie rasante Flieger, die das Wiener Stadtgebiet in einer Viertelstunde überqueren können und somit durchaus Zugang zu anderen Nahrungsquellen hätten, wenn die gewohnten ausfallen.

Kotbekämpfung

Beobachtungen des TOW-Tierarztes Christian Fellner legen nahe, dass das auch der Fall sein könnte: Als der Schwedenplatz im April 2020 ohne Futter blieb, bemerkte er sehr wohl Tauben, die selbstständig nach Nahrung suchten.

Hans Frey hält es zwar für möglich, dass kleine Innenstadtpopulationen ausharren, bis Futter kommt, macht sich aber keine Sorgen, dass diese verhungern: "Die Menschen, die Tauben füttern, haben eine so enge Bindung an sie, dass sie sich auch von Corona nicht daran hindern ließen."

Was die Verschmutzung durch Taubenkot betrifft, ist man in der TOW bemüht, das Übel an der Wurzel zu bekämpfen: So klärt die Stelle Hausverwaltungen und Bauträger darüber auf, was zu beachten ist, um Tauben an Gebäuden keine Brutplätze zu bieten. Der schlechte Ruf, den Stadttauben in puncto Hygiene haben, ist laut Frey ungerechtfertigt. "Die sind genauso sauber oder schmutzig wie jeder andere Vogel", erklärt er, "und es geht von ihnen auch nicht mehr Gesundheitsrisiko aus."

Sowohl Persy als auch Frey wünschen sich eine weniger polarisierte Diskussion um die Tauben, aber eines sei klar: "Tauben wird es in einer Stadt immer geben", ist Frey überzeugt, "um diesen Konflikt kommen wir nicht herum." (Susanne Strnadl, 30.6.2021)