Im März gab es eine große Protestaktion gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Die Regierung will dennoch daran festhalten.

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Im vergangenen Jahr stellten Menschen aus Afghanistan die zweitstärkste Gruppe unter den Asylwerbern in Österreich. 2020 haben 5121 syrische Staatsbürger einen Antrag gestellt, gefolgt von 3137 Menschen mit afghanischer Staatsbürgerschaft. Insgesamt wurden 15.000 Asylanträge gestellt. Die Zahl der Asylanträge von Afghanen hat gegenüber 2019 jedenfalls zugenommen, noch stärker ist allerdings die Zahl der Anträge von Syrern, Marokkanern und Algeriern gestiegen.

Während Syrier laut Statistik des Innenministeriums eine gute Chance haben, Asyl zu erhalten, ist das bei Afghanen etwa bei der Hälfte der Fall. Allerdings wird dieser Personengruppe relativ oft subsidiärer Schutz gewährt, also eine Art Asylzuerkennung auf Zeit. Auffällig ist, dass der Anteil von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) bei Afghanen sehr hoch ist. 60 Prozent der unbegleiteten Minderjährigen kamen aus Afghanistan. Angaben zum Geschlecht fehlen in der Asylstatistik des Innenministeriums, einer parlamentarischen Anfragebeantwortung zufolge war jedoch der Großteil, nämlich 95 Prozent, männlich.

Protest gegen Abschiebung

Abschiebungen nach Afghanistan gibt es immer wieder. Zuletzt hatte eine solche Abschiebung im März des aktuellen Jahres für Aufsehen gesorgt, als Aktivisten aus Protest die Bundesstraße und die Autobahn Richtung Flughafen blockiert hatten. Abgeschoben wurden der Protestmaßnahme zum Trotz 28 Afghanen, 15 von ihnen aus Österreich. Die anderen stammten aus Schweden, Rumänien und Ungarn. Die Abschiebung wurde von Frontex organisiert und erfolgte in einem eigens gecharterten Flugzeug. Das Innenministerium hatte die Abschiebungen nach Afghanistan verteidigt und unter anderem darauf verwiesen, dass zwölf der 15 Männer rechtskräftig verurteilt waren, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, schweren Raubes, sexueller Belästigung und Suchtmitteldelikten. Bereits im Monat davor gab es eine konzertierte Abschiebung, da sind 17 Afghanen aus Österreich in ihr Herkunftsland gebracht worden.

Die grüne Justizministerin Alma Zadić hatte vor knapp zwei Wochen eine Evaluierung der Abschiebungen nach Afghanistan angeregt und damit für eine empörte Reaktion der ÖVP gesorgt. Bundeskanzler Sebastian Kurz bekräftigte am Dienstag, dass es keinen Abschiebestopp nach Afghanistan und keine Aufweichung der Asylgesetze geben werde. Nach "solchen barbarischen Verbrechen" könne man "nicht zur Tagesordnung übergehen", betonte Kurz: "Ich verspreche, dass wir alles tun werden, dass die Täter hart bestraft werden."

"Frei Haus vor die Tür"

"Kriminelle und integrationsunwillige Afghanen" gehörten abgeschoben, forderte der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Bei allen bereits asylberechtigten Afghanen soll überprüft werden, ob der Asylgrund überhaupt noch bestehe. Der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl machte Innenminister Nehammer und Justizministerin Zadić für die "unfassbare Tat mitverantwortlich". Er werde "definitiv keinen einzigen straffälligen Asylwerber mehr in Niederösterreich dulden". Innenminister und Justizministerin bekämen "alle frei Haus vor die Türe geliefert". Der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek forderte ebenfalls ein hartes Durchgreifen, er verwies darauf, dass 2019 noch 268 Personen nach Afghanistan abgeschoben wurden, im vergangenen Jahr weniger als 85.

Schätzungsweise leben 45.000 Afghanen in Österreich. Der Großteil ist im Jahr 2015 im Zuge der Flüchtlingsbewegung nach Österreich gekommen. Ihr Ansehen ist schlecht, laut Umfragen wird gerade dieser Gruppe eine besonders niedrige Integrationsbereitschaft zugestanden. In der Kriminalstatistik nehmen Afghanen mit 6250 ermittelten Tatverdächtigen (Zahlen aus dem Jahr 2019) gemessen an ihren Bevölkerungsanteil einen sehr prominenten Platz ein. (Michael Völker, 30.6.2021)