Der deutsche Innenminister Horst Seehofer fordert von Bund und Ländern Überlegungen, ob die Integrationsbemühungen verstärkt werden müssen.

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Berlin – Der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht in der tödlichen Messerattacke von Würzburg auch ein Beispiel für gescheiterte Integration. Der "Augsburger Allgemeinen" vom Mittwoch sagte er: "Wenn ein junger Mann sechs Jahre in einem Obdachlosenheim lebt, ohne dass jemand hinschaut und sich kümmert, dann kann ich mit unserer Politik nicht zufrieden sein, da fehlt es am Bewusstsein."

Noch sei die Motivlage des Täters nicht vollständig geklärt, sagte Seehofer. "Wir haben Hinweise auf eine islamistische Gesinnung des Täters. Eine psychische Störung kommt offenbar dazu." Was ihn an dem Fall am meisten beschäftige, sei die Frage, wie es sein könne, dass ein 24-Jähriger, der sich rechtskonform in Deutschland aufhalte, nach sechs Jahren im Land in einer Obdachlosenunterkunft lebe. "Damit können wir uns doch nicht abfinden." Bund und Länder müssten überlegen, ob die Integrationsbemühungen verstärkt werden müssen.

Seehofer warnte zugleich vor einer Bedrohung durch Extremismus und Terrorismus. "Ich will die Menschen nicht in Angst und Schrecken versetzen, aber wir dürfen die Gefahren auch nicht verharmlosen", sagte er. Durch Islamisten, Rechts- und Linksextremisten sowie durch die sogenannten Reichsbürger sei eine Alarmsituation gegeben. "In der Pandemie hat sich das noch verstärkt."

Härteres Vorgehen gegen Orbán

Im Interview spricht sich Seehofer auch für ein härteres Vorgehen gegen Ungarn wegen der Diskriminierung von Homosexuellen aus und plädiert für eine Kürzung von EU-Mitteln. Ministerpräsident Viktor Orbán sei mit dem jüngsten Gesetz zu weit gegangen, sagte der CSU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". "Ich halte die Kürzung von EU-Fördergeldern für eine Möglichkeit, um zu zeigen, dass wir nicht tatenlos zuschauen." Allerdings hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bereits eine Forderung der Grünen nach einer raschen Kürzung der EU-Förderungen für Ungarn zurückgewiesen und vor einer Spaltung der EU gewarnt. Auslöser ist ein Gesetz, das die angebliche Werbung für Homosexualität etwa in Schulbüchern verbietet.

Damit würden zentrale Werte der EU verletzt, kritisierte Seehofer. "Das dürfen und werden wir nicht hinnehmen." Die europäischen Werte müssten entschlossen vertreten werden, das könne auf unterschiedliche Weise geschehen. Seehofer galt lange als Unterstützer des ungarischen Regierungschefs in der Europäischen Volkspartei (EVP), die Orbáns nationalkonservative Partei Fidesz allerdings dieses Jahr verlassen hat.

Orbán regiert mit Fidesz in Ungarn seit 2010. Er hat immer konservativere Positionen eingenommen und präsentiert sich als Verteidiger katholischer Werte gegen einen liberalen Westen. (APA, Reuters, 30.6.2021)