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Seit 1997 findet die gemeinsame Übung im Schwarzen Meer statt. 2020 pandemiebedingt in kleinerem Rahmen.

Foto: Reuters/UKRAINIAN DEFENCE MINISTRY

Auf der Krim haben heftige Unwetter den Kurort Jalta schwer verwüstet. Aber auch vor der Küste schlagen die Wellen derzeit hoch: Am Montag begann das Flottenmanöver Sea Breeze 2021. Beteiligt sind 32 Nationen, vor allem Nato-Länder, aber auch Ägypten, Australien, Brasilien, Japan, Marokko und Moldau. Als Gastgeber fungiert die Ukraine.

Bis zum 10. Juli üben 32 Schiffe, 40 Flugzeuge und Hubschrauber sowie mehr als 5.000 Soldaten im Schwarzen Meer Gefechts- und Landeoperationen. Das Manöver findet seit 1997 statt. Russland hat die Übungen freilich nie goutiert. Es beobachtet die Truppenbewegungen vor seiner Grenze mit Misstrauen.

Schon kurz nach Beginn gab es den ersten ernsten Zwischenfall: Das niederländische Kriegsschiff Evertsen sah sich in neutralen Gewässern plötzlich mit mehreren russischen Abfangjägern vom Typ Su-30 und Bombern vom Typ Su-24 konfrontiert.

Streit um Schiffskurs

Laut dem russischen Verteidigungsministerium sind die Maschinen aufgestiegen, weil die Evertsen plötzlich ihren Kurs wechselte und die Meerenge von Kertsch ansteuerte. Russland beansprucht nach dem Anschluss der Krim die Wasserstraße zwischen Asowschem und Schwarzem Meer als eigenes Hoheitsgewässer.

Die Flugzeuge seien als "Warnung" in die Region beordert worden, um eine Grenzverletzung zu vermeiden. Sie hätten daraufhin "Vorüberflüge in sicherem Abstand vom niederländischen Kriegsschiff durchgeführt", betonte das Ministerium. Als das Ziel, eine Kursänderung der Evertsen, erreicht worden sei, hätten die Kampfflugzeuge wieder abgedreht.

Vorwurf der Scheinattacken

In Den Haag wird der Vorfall anders bewertet: Das niederländische Verteidigungsministerium wirft Moskau Scheinattacken auf die Fregatte vor. Fünf Stunden lang sei die Evertsen in internationalen Gewässern südöstlich der Krim "wiederholt bedrängt" worden. Die mit Bomben und Luft-Boden-Raketen bewaffneten Flugzeuge hätten zudem die "elektronische Ausrüstung gestört", teilte das Ministerium mit. Verteidigungsministerin Ank Bijleveld-Schouten sprach von einem "unverantwortlichen Verhalten" der russischen Streitkräfte.

Tatsächlich sind die Spannungen heuer besonders groß: Schon wenige Tage vor Sea Breeze gab es einen Zusammenstoß zwischen britischen und russischen Militärs. Ein britisches Kriegsschiff wurde von der russischen Flotte aus den Gewässern um die Krim vertrieben. Dabei wurden sogar Schusswaffen von russischer Seite eingesetzt. Vorläufig allerdings nur für Warnschüsse, die paradoxerweise von den Briten angeblich nicht gehört wurden, sie schließlich aber doch zum Abdrehen bewegten.

Wladimir Putin gab sich während seines TV-Marathons – darauf angesprochen – demonstrativ gelassen. Er glaube nicht, dass die Welt am "Rande des Dritten Weltkriegs" gewesen sei, sagte er. "Selbst wenn wir das Schiff versenkt hätten, wäre kein Krieg ausgebrochen, denn die Organisatoren dieser Provokation wissen genau, dass sie einen dritten Weltkrieg nicht gewinnen können", erklärte der Kreml-Chef selbstbewusst. Er versicherte zugleich, dass Russland die Lage völlig unter Kontrolle gehabt habe und dem Westen genau die Reaktion gezeigt habe, die man bereit war zu demonstrieren.

Gerüchte über US-Zerstörer Richtung Krim

Moskau sprach anschließend von einer Provokation. Der Zerstörer sei in russische Gewässer eingedrungen und habe auf die zahlreichen Versuche einer Kontaktaufnahme nicht reagiert. Russland warnte vor den Gefahren, die solch ein Verhalten heraufbeschwören könne.

Die Spannung wird durch Gerüchte hochgehalten. So tauchten nun auch Spekulationen auf, dass der an Sea Breeze teilnehmende US-Zerstörer Ross ebenfalls auf dem Weg Richtung Krim sei. Immerhin dementierten die Organisatoren des Militärmanövers diese Falschmeldung schnell. Die Ross befindet sich demnach weiterhin in der ukrainischen Hafenstadt Odessa.

Umstrittener Status der Krim

Die Durchführung von Sea Breeze in der Nähe der Krim birgt aber durchaus Brisanz, da der umstrittene Status der Halbinsel auch zu unterschiedlichen Interpretationen führt, was als Hoheitsgewässer und was als internationales Gewässer zu gelten hat. Mit einem eigenen Truppenmanöver auf der Krim zeitgleich zu Sea Breeze macht Moskau deutlich, dass es keine Konfrontation scheut. (André Ballin aus Moskau, 30.6.2021)