Chronische Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Schwindel, Kopf- und Muskelschmerzen sind typische Anzeichen für Long Covid.

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Das Tragische am Long-Covid-Syndrom ist, dass es eigentlich eine recht normale postvirale Krankheit ist, sagt Maarte Preller.

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Bei Long Covid denken viele immer noch an anhaltende Lungenprobleme und Schwäche durch Kurzatmigkeit. Dabei ist das Krankheitsbild deutlich breiter, reicht von Muskelschmerzen über Brain Fog bis zum Fatigue-Syndrom und mehr. Doch Leitlinien für das Krankheitsbild und dazu, wie es behandelt werden soll, gibt es noch nicht. Eine, die das vehement fordert, ist Maarte Preller.

Die 33-Jährige hatte im März 2020 Corona, seit August ist sie von Long Covid betroffen. Und da dieses Krankheitsbild damals einfach noch niemand kannte, gab es auch keine Anlaufstellen. Deshalb ist die medizinische Masseurin selbst aktiv geworden und hat die Selbsthilfegruppe Long Covid Austria gegründet – mittlerweile eine der wichtigsten Anlaufstellen für Betroffene. Allein die Facebook-Gruppe versammelt über 1.000 Menschen.

"Die Symptome von Long Covid werden oft als diffus bezeichnet oder als nicht klar abgrenzbar, doch wenn man sich intensiv damit beschäftigt, kann man die Krankheit sehr klar diagnostizieren. Natürlich bin ich keine medizinische Expertin, aber mittlerweile habe ich bald ein Jahr Erfahrung damit", betont Preller. Und kritisiert gleichzeitig, dass viele Ärzte und vor allem die Gesundheitspolitik dem Problem noch viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Denn in der Diagnostizierung und Behandlung trifft man immer noch auf viele Hürden.

Viele fühlen sich nicht ernst genommen

Ein Grundproblem für Preller: "Man wird viel zu oft nicht ernst genommen. Betroffene berichten, dass ihre Beschwerden als emotional getriggert eingestuft werden, ihnen werden dann Beruhigungsmittel oder Antidepressiva verschrieben. Das hilft den Patientinnen und Patienten aber nicht. Dadurch bekommt die Krankheit außerdem einen psychologischen Charakter mit der Folge, dass die medizinische Abklärung weniger gut ist. Der Arzt hat ja den Eindruck, man kann auf der körperlichen Ebene nichts tun."

Dass viele Betroffene Frauen sind, hilft laut Preller auch nicht: "Unsere medizinische Versorgung ist sehr männlich geprägt, es wird immer noch viel zu wenig darauf eingegangen, dass Frauen anders krank sind als Männer. Auch in der Geschichte wurden zahlreiche Krankheiten bei Frauen nicht entdeckt, weil sie als Hysterie abgetan wurden." Tatsächlich sind Frauen häufiger betroffen, vor allem jüngere, wie die Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer bestätigt. Das spiegelt sich auch in Prellers Facebook-Gruppe wider: "80 Prozent sind weiblich, viele relativ jung, sind im Gesundheitswesen tätig, also in Berufen, wo man hart körperlich und mental arbeiten muss, viel Stress hat. Dazu kommt oft eine Doppelbelastung mit Familie und Kindern. Die Zusammensetzung unserer Gruppe ist sicher nicht völlig repräsentativ, aber sie zeigt eine Tendenz, wer besonders betroffen ist."

Kein neues Phänomen

Das Tragische am Long-Covid-Syndrom, so Preller, ist, dass es eigentlich eine recht normale postvirale Krankheit ist: "Fatigue etwa tritt gar nicht so selten nach einer Viruserkrankung als Spätfolge auf. Nur ist es im Normalfall nicht so gehäuft, weil wir nicht in einer Pandemie stecken. Und Frauen sind viel häufiger betroffen, wodurch es wiederum schlechter erforscht ist, wie so viele frauenspezifische Probleme."

Aktuell bemühen sich Preller und ihre fünf Mitstreiterinnen darum, dass die Politik sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzt: "Es werden zwar Leitlinien zum Krankheitsbild und zur Behandlung erarbeitet, aber ich habe den Eindruck, die Erfahrungen von Betroffenen fließen da wenig bis gar nicht ein. Im Ausland ist man da für mein Gefühl schon viel weiter. Es gibt auf jeden Fall immer noch viel zu wenig Anlaufstellen und Aufklärung über die Krankheit. Im Moment passiert da sehr viel über unsere Initiative. Der Bedarf ist eindeutig da, wir bekommen jeden Tag mindestens 30 Mails von Betroffenen. Aber das sollte nicht unsere Aufgabe sein. Das belastet extrem, und diese Arbeit macht uns eigentlich noch kränker, weil sie viel Energie braucht."

Auch ein wirtschaftliches Problem

Deshalb fordert Preller, dass es so rasch wie möglich klare Leitlinien für die Krankheit geben muss, bei denen auch die Sicht der Patientinnen und Patienten einbezogen wird. Dann werde es auch für Betroffene, die entsprechend diagnostiziert werden, einfacher im Umgang mit Versicherung, Arbeitgeber oder Arbeitsmarktservice, so ihre Hoffnung. Neben dem persönlichen Leid der PatientInnen gibt es außerdem eine wirtschaftliche Komponente, die die gesamte Gesellschaft tangiert: "Viele Betroffene sind im erwerbsfähigen Alter und arbeiten in Bereichen, die die Gesellschaft am Laufen halten. Wenn da auf einmal überdurchschnittlich viele chronisch krank werden, kann das zum echten Problem werden. Nicht nur für die Betroffenen, die dadurch massiv armutsgefährdet sind, sondern auch für die Gesellschaft. Diese Arbeitskräfte fehlen ja."

Sie sieht es auch als Anstoß, in der Gesellschaft umzudenken: "Es wird ganz oft erwartet, dass man bis zum Anschlag arbeitet, es gibt wenig Verständnis für chronische Erschöpfung und dass man mit seinen Kräften haushalten muss. Aber so, wie es beim Handy nicht gut ist, wenn man es komplett entlädt, ist das auch für die eigenen Batterien schlecht. Besonders für die jüngeren Betroffenen, die ja im Normalfall viel Energie haben, ist es schwierig, das zu akzeptieren, auch weil von ihnen erwartet wird zu funktionieren. Da muss auch in der Gesellschaft noch viel Umdenken passieren." (Pia Kruckenhauser, 1.7.2021)