Der Freude über ein schönes Tattoo kann schnell eine Ernüchterung folgen. Tattoofarben tragen es in sich: zum Teil sogar Arsen, Quecksilber und Blei.

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Gerade im Hochsommer lassen sie sich in ihrer ganzen Pracht bewundern: die Tattoos. Für viele ist die eigene Haut mittlerweile zur Leinwand geworden. Tattoos sind Ausdruck von Emotionen, Sehnsüchten, Fantasien, Wirklichkeit oder einfach ein Statement an alle, die hinsehen.

Nur ungern denkt man aber darüber nach, welche Chemikalien wir uns durch die Nadel unter die Haut jagen lassen. Denn, so denkt man, die Garantie dafür, dass die bunten Farbenspiele kein unerwünschtes Nachspiel für unsere Gesundheit haben, geben gesetzliche Rahmenbedingungen, denen Tattoofarben unterliegen.

Doch leider sieht die Realität etwas anders aus, wie eine internationale Studie, die im Fachjournal "Contact Dermatitis" veröffentlicht wurde, nun herausfand. Das alarmierende Ergebnis: Neun von zehn gängigen Farben erfüllen ebendiese gesetzlichen Bestimmungen nicht. Und generell steht es um die Studienlage zu Langzeitfolgen durch Tätowierungen schlecht.

Gefährliche Pigmente

Im Zuge einer Untersuchung prüften Chemikerinnen und Chemiker der Universität Graz in Zusammenarbeit mit dem KTH Royal Institute of Technology in Stockholm und der University of Western Ontario 73 häufig verwendete Farben. In jeder zweiten Probe wurden falsche Pigmente nachgewiesen. Mit Chrom und Nickel waren alle belastet. Das macht den Körperkult nicht nur schön, sondern auch gefährlich, sagen Experten.

"93 Prozent der Proben verstießen mindestens gegen ein gesetzlich vorgegebenes Kriterium. 50 Prozent hatten falsche Pigmente als Inhaltsstoffe angegeben", fasst Walter Gössler von der Universität Graz die Ergebnisse zusammen.

Auf einigen Produkten wurde vorab zwar ein Allergietest empfohlen, der sei jedoch gänzlich gegen den Rat von Hautärztinnen und Hautärzten, heißt es. "Im schlimmsten Fall könnte ein solcher Selbsttest dazu führen, dass man Allergien entwickelt", warnt Gössler.

Unterschiede je nach Hersteller

Unter den Farbenherstellern herrschen zwar große Unterschiede. Dennoch haben die Forscherinnen und Forscher zahlreiche schädliche Substanzen entdeckt. Spuren der oft unverträglichen Metalle Nickel und Chrom konnten in allen Proben gefunden werden.

In 61 Prozent der untersuchten Farben wurden sogar mehrere Pigmente festgestellt, die entweder verboten oder als bedenklich eingestuft sind. Arsen, Quecksilber und Blei förderten die Forschenden in jeweils einer Probe zu Tage. Kupfer kam vor allem in grünen und blauen Farben vor und überschritt in drei Proben den Grenzwert. Gössler: "Die häufigsten Verunreinigungen enthielten rote Farbstoffe, die niedrigsten schwarz und weiß."

Die Wissenschafter fordern nun verstärkte Kontrollen bei den Farben – zusätzlich zu den gesetzlichen Bestimmungen. Außerdem sollten Konsumentinnen und Konsumenten über mögliche Risiken besser aufgeklärt werden.

Tätowiermittel-Verordnung in Arbeit

Tatsächlich ist die Verwendung von Farben für permanente Tätowierungen in Österreich bzw. in der Europäischen Union noch nicht explizit und einheitlich geregelt. Es gibt aber eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer gemeinsamen europäischen Lösung und die Europäische Kommission hat die European Chemicals Agency (ECHA) ersucht, Dossiers für die meisten jener Stoffe zu erarbeiten, die in der Empfehlung des Europarates genannt sind. Diese europaweit einheitliche Tätowiermittel-Verordnung, welche die Zusammensetzung der Farben und die Grenzwerte für gewisse Inhaltsstoffe regelt, tritt mit Jänner 2022 in Kraft.

Keine sicheren Farben

Doch was kann man als Tattoo-Williger tun, um an Farben zu kommen, die nicht gesundheitsgefährdend sind? Petra Hirtler von Tattooentfernung Wien betont dazu: "Es kommt, wie fast überall, auf die Dosis an." Die Allgemeinmedizinerin beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Tattoos, der Behandlung von Nebenwirkungen und Komplikationen und mit der Entfernung von Tattoos mit Laser. Das Problem: Es gibt derzeit keine Liste mit garantiert sicheren Tattoofarben, was auch daran liegt, dass die Inhaltsstoffe oft nicht vollständig deklariert werden. Die EU-Kommission veröffentlicht zwar eine sogenannte schwarze Liste mit bedenklichen Tattoofarben. Das bedeutet aber nicht, dass alle anderen Farben unbedenklich sind. Hirtler dazu: "Der europäische Raum wird von Tattoofarben dominiert, die nicht aus Europa stammen. Der Großteil kommt aus den USA, wo es keine Regelung durch die FDA, die Food and Drug Administration, dafür gibt."

Im europäischen Raum werden die Farben aber bereits von akkreditierten Instituten überprüft, bevor sie für den Markt freigegeben werden. Wird eine Farbe als problematisch eingestuft, werden die österreichischen Tattoostudios darüber im Produktsicherheitsmeldesystem Rapex informiert. In Österreich ist prinzipiell gesetzlich festgelegt, dass nur Farben verwendet werden dürfen, die nachweislich mit keinen Gesundheitsrisiken verbunden sind. Sie müssen steril, nicht allergieauslösend, nicht toxisch und im Allgemeinen gut verträglich sein.

Schlechte Studienlage

Und es gibt ein weiteres Problem: Für viele Inhaltsstoffe ist zwar bekannt, dass sie theoretisch krebserregend sind oder Allergien auslösen können. Es existieren allerdings so gut wie keine Studien zu den langfristigen Gesundheitsfolgen. Es ist auch wenig darüber bekannt, was mit den Tattoofarben passiert, sobald sie in die mittlere Hautschicht, die Dermis, eingebracht und dort verstoffwechselt worden sind. Hirtler erklärt: "Ein großer Teil der Pigmentpartikel bleibt ein Leben lang dort. Aber ein Teil wandert über das Lymphsystem zu den Lymphknoten. Wohin sonst die Farbstoffe im Körper gelangen und ob sie dort ein Gesundheitsrisiko darstellen, ist ebenso kaum erforscht."

Prinzipiell sind übrigens die bunten Farben problematischer als Schwarz und Weiß. Denn die enthalten öfter Schwermetalle wie Eisen, Mangan, Kobalt, Blei, Chrom oder auch Nickel. Besonders letzteres löst bei vielen Menschen allergische Reaktionen aus. Ist es aber einmal unter der Haut, lässt es sich kaum mehr entfernen. Hirtler rät daher allen Personen, die eine bereits bestehende Allergie auf Schwermetalle wie Nickel oder Chrom haben, auf ein Tattoo lieber zu verzichten.

Nur in Profihände

Doch nicht nur die Farben, generell kann eine Tätowierung problematisch sein, weiß Hirtler: "Versorgt man ein frisch gestochenes Tattoo nicht angemessen, kann es zu Wundinfektionen und auch zu Wundheilungsstörungen kommen, mit überschießender Narbenbildung, knotenartige Gewebsneubildung kann auftreten, sogenannte sarkoide Granulome." Und manche Farben beinhalten Stoffe, die in der Sonne starke Hautreizungen auslösen können. "Dann kann es passieren, dass die UV-Strahlung Schwellungen, Juckreiz, Stechen, Schmerzen oder Rötungen rund um die Tätowierung auslöst." Die Expertin empfiehlt deshalb, unbedingt immer ausreichend Sonnenschutz aufzutragen.

Und sie betont: "Wichtig ist, dass man sich nur in die Hände von professionellen Tätowierern begibt. In Österreich arbeiten diese vorbildhaft für viele andere Länder nach einer Ausübungsregel. Die beinhaltet auch eine Dokumentationspflicht der erbrachten Leistung und der Chargennummer der verwendeten Farben und Stoffe. Die muss dann über einen Zeitraum von zehn Jahren verfügbar gehalten werden."

Was also klar ist: Wer sich für ein Kunstwerk unter der Haut entscheidet, geht immer ein gewisses Risiko ein. Aber begibt man sich dafür in qualifizierte Hände, kann man es minimieren. (Pia Kruckenhauser, Julia Palmai, 3.7.2021)