Drei Exoplaneten umkreisen den uralten Stern Nu2 Lupi.
Illustr.: ESA

Besonders beim Ablichten beliebter Touristenziele kommt es häufig zum Ärgernis: Kurz bevor man den Auslöser drückt und die Szenerie samt Familie festhält, rennt einem jemand unerwartet ins Bild. Mit einem solchen "Photobombing" in astronomischem Ausmaß haben es vor einiger Zeit auch Wissenschafter zu tun bekommen, die ein nahes Sternensystems mit dem Weltraumteleskop Cheops der ESA ins Visier genommen hatten. Im Unterschied zum fotografischen Urlaubsmalheur waren die Astronomen jedoch sehr erfreut über das Ereignis, immerhin schob sich ein bis dahin noch unbeobachteter und äußerst ungewöhnlicher Exoplanet ins Bild.

Uralter Stern in der Nachbarschaft

Das System, das die Forscher mit Cheops näher in Augenschein nahmen, befindet sich im Sternbild Lupus (Wolf) in etwa 46 Lichtjahren Entfernung von der Erde. Der Stern Nu2 Lupi (ν2 Lup), der sich gerade noch mit bloßem Auge erkennen lässt, ist ein sonnenähnlicher Hauptreihenstern vom Spektraltyp G4V, der aber vermutlich mehr als doppelt so alt ist wie unser Heimatstern.

Damit dürfte Nu2 Lupi einer der ältesten Sterne in der solaren Nachbarschaft sein. Im Jahr 2019 entdeckte man mit dem Instrument HARPS am 3,6-Meter-Teleskop der ESO am La-Silla-Observatorium in Chile durch Messung der Radialgeschwindigkeit des Sterns drei Exoplaneten in dem System.

Zwischen Erde und Neptun angesiedelt

Aus den Messungen schlossen die Astronomen, dass die drei Exoplaneten massemäßig jeweils zwischen Erde und Neptun (17-fache Erdmasse) einzuordnen sind und 12, 28 bzw. 108 Tage für einen Umlauf benötigen. Dann nahm der NASA-Satellit TESS (Transiting Exoplanet Search Satellite) dieses Planetensystem ins Visier und konnte die beiden inneren Planeten, Nu2 Lupi b und Nu2 Lupi c, als Transitplaneten identifizieren, das heißt, dass sie beim Passieren ihres Sterns im Vordergrund diesen kurzzeitig teilweise bedecken.

TESS misst jedoch nur in Beobachtungseinheiten von 28 Tagen, der dritte Exoplanet war dabei nicht in den Daten zu erkennen. Es blieb also unklar, ob dieser weiter außen gelegene Planet überhaupt von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorbeizieht, also ob seine Bahn so geneigt ist, dass ein Transitereignis stattfinden kann. Bei den sechs Beobachtungssequenzen von Cheops zwischen dem 4. April und 6. Juli 2020 erwartete man vier Transits des Planeten b und drei des Planeten c.

Grafik: Details zum Exoplanetensystem Nu2 Lupi.
Grafik: ESA

Premiere und seltener Glücksfall

Bei diesen Beobachtung zog allerdings – für die Astronomen völlig unerwartet – der dritte Exoplant d gleichzeitig mit Planet c am Stern vorbei, "obwohl seine Bahn deutlich weiter außen im Sternensystem verläuft", wie Luca Fossati vom Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz berichtete. Fossati ist Koautor der nun im Fachjournal "Nature Astronomy" erschienenen Studie. Die Chancen, langperiodische Exoplaneten wie Nu2 Lupi d während eines Transits zu sehen, seien "unglaublich gering". Erstmals wurde mit d ein Exoplanet mit einer Periode von mehr als 100 Tagen gesichtet, der an einem Stern vorbeizog, der hell genug ist, um ihn mit freiem Auge zu sehen.

"Aufgrund seiner relativ langen Umlaufzeit ist die Menge an stellarer Strahlung, die den Planeten erreicht, im Vergleich zu vielen anderen entdeckten Exoplaneten mild. Je weniger Strahlung ein Planet erhält, desto weniger verändert er sich im Laufe der Zeit. Daher könnte ein Planet mit einer langen Periode mehr Informationen über seine Entstehung bewahrt haben", sagt David Ehrenreich von der Universität Genf und Missionswissenschafter von Cheops, der ebenfalls an der Studie mitbeteiligt war.

Systeme wie Nu2 Lupi, wo aus Sicht der Erde Planeten vor einem hellen Stern vorbeiziehen, "sind von größter Bedeutung für unser Verständnis, wie Planeten entstehen und sich entwickeln, da wir mehrere Planeten um denselben hellen Stern im Detail vergleichen können", meint die Hauptautorin der Studie, Laetitia Delrez von der Universität Lüttich (Belgien). Die meisten bisher entdeckten Exoplaneten mit langer Periode wurden in der Nähe von Sternen gefunden, die zu schwach sind, um detaillierte Beobachtungen zu ermöglichen.

Ungewöhnliche Wasserwelten

Die hochpräzisen Messungen von Cheops zeigen, dass Nu2 Lupi d etwa 2,5-mal so groß ist wie die Erde und fast 9-mal so massereich, und damit eine sogenannte Super-Erde. Durch die Kombination dieser Messungen mit Archivdaten von anderen Observatorien und numerischen Modellen, die von der Universität Bern entwickelt wurden, konnten Delrez, Gastforscherin an der Universität Genf, und ihr Team die Dichte und Zusammensetzung des Planeten und seiner Nachbarn genau charakterisieren.

"Der innerste Planet ist hauptsächlich felsig, während die beiden äußeren von Hüllen aus Wasserstoff- und Heliumgasen umhüllt zu sein scheinen, unter denen sie große Mengen an Wasser enthalten", erklärt Delrez. Und zwar weit mehr Wasser, als die Erde besitzt: Ein Viertel der Masse jedes Planeten besteht aus Wasser, verglichen mit weniger als 0,1 Prozent im Falle der Erde. Dieses Wasser ist jedoch nicht flüssig, sondern liegt in Form von Hochdruckeis oder Hochtemperaturdampf vor, was die Planeten zumindest für Leben wie wir es kennen unbewohnbar macht. Doch diese Erkenntnisse könnten nur der Anfang sein.

"Jetzt, da wir entdeckt haben, dass alle drei Planeten Transite zeigen und ihre Eigenschaften genau gemessen haben, ist der nächste Schritt, sie mit größeren und leistungsfähigeren Instrumenten als Cheops zu untersuchen, wie dem Hubble-Weltraumteleskop oder seinem Nachfolger, dem James-Webb-Weltraumteleskop. Sie könnten weitere Details aufdecken, etwa die Zusammensetzung der Atmosphäre", sagt Ehrenreich. (red, 30.6.2021)