Die Pandemie hat es lange Zeit überdeckt. Touristen sind ausgeblieben, und die gesamte Nachtgastronomie war gesperrt. So ist es bisher nicht wirklich aufgefallen, dass der Wiener Taximarkt über die vergangenen Monate neu geordnet wurde. Doch das dürfte sich nun ändern. Immer mehr Unternehmer klagen, dass durch einen staatlichen Eingriff der Markt ruiniert worden sei.

Das werde sich auf die Kunden auswirken, denen längere Wartezeiten drohen, wenn nun die Clubs wieder aufsperren, also das Nachtleben in Gang kommt, und sich mehr Touristen in die Stadt wagen.

Woher rührt die Aufregung? Per Gesetz wurde das Taxigewerbe mit Jahresbeginn neu geordnet. Ein großer Teil der Mietwagenbranche wurde auf Druck der Taxler aufgelöst. Das ist wichtig, weil Fahrtenanbieter wie Uber Mietwagen genutzt haben, um ihre Dienste anzubieten. Dort gab es keine Preisbindung für Fahrten wie bei den Taxis. Der zweite Unterschied: Mietwagen durfte jeder mit Führerschein fahren.

Seit Jahresbeginn sind die Regeln strenger. Um weiter fahren zu können, brauchen die alten Mietwagenfahrer einen Taxischein, müssen also eine Prüfung ablegen und über grundlegende Deutschkenntnisse verfügen.

Hier beginnen die Probleme. Taxiprüfungen können nur bei der Wirtschaftskammer abgelegt werden. Dort dominieren die alten Taxiflottenbetreiber, sagt Rudolf Kustritz. Er ist selbst Unternehmer, sein Betrieb Vienna Transfer bietet Fahrtendienste für internationale Kunden an. Kustritz beklagt, dass die Kammer aus einer Mischung von Absicht und Inkompetenz dafür sorge, dass die Zahl zugelassener Taxifahrer in Wien niedrig bleibe.

Wo sind die Campingplätze?

Das beginne bei den Prüfungsmodalitäten, die schikanös seien. Um den Taxischein zu bekommen, müssen Fahrer ihre Ortskunde nachweisen. Nur: Die Prüfungsunterlagen der Kammer, aus denen die Kandidaten Fragen gestellt bekommen, sind heillos veraltet, stammen von 2018. Die Antworten auf viele Prüfungsfragen sind falsch. So kursiert in der Szene ein Dokument, in dem alle Fehler penibel aufgelistet werden. Ganze Seiten sind rot angestrichen. So werden Adressen von Hotels abgefragt, die es nicht mehr gibt, etwa jene des Hotels Kummer, das 2017 geschlossen hat.

An anderer Stelle wird nach der Adresse des Krankenhauses Floridsdorf gefragt, das längst kein Spital mehr ist. Viele Hotelnamen sind falsch: Das Falkensteiner-Hotel am Schottenfeld, dessen Adresse genannt werden muss, heißt inzwischen Max-Brown-Hotel. Bei Fragen nach Routen sind Einbahnen falsch.

Noch ein Beispiel: Gefragt wird einmal nach den Adressen der Campingplätze. Antwort laut Lernunterlagen: im Amtlichen Wiener Straßenverzeichnis. Problem: Dieses wird nicht mehr aufgelegt, ist nicht erhältlich.

Der kalifornische Fahrtenanbieter Uber kann in Österreich nicht mehr auf Mietwagenfahrer zurückgreifen.
Foto: Imago

"Die Frage ist, wozu es Ortskunde in Zeiten von Navigationsgeräten überhaupt braucht", sagt Unternehmer Kustritz. "Aber wenn schon, sollten die Angaben richtig sein. Die sind nicht einmal imstande, die eigene Adresse in der Wirtschaftskammer richtig hinzuschreiben." Tatsächlich: Im Prüfungskatalog wird die Adresse der Fachgruppe Taxi abgefragt und dabei eine alte Adresse als Antwort angegeben.

Zudem gelten die rechtlichen Grundlagen nicht mehr: Bewerber müssen noch immer die alten Regelungen zum Taxi- und Mietwagengewerbe lernen, die ja 2021 außer Kraft gesetzt wurden.

Die meisten fallen durch

Die Durchfallraten sind jedenfalls hoch, beim ersten Antritt kommen etwa 20 bis 25 Prozent der Bewerber durch. Zum falschen Stoff kommt hinzu, dass Termine knapp zu sein scheinen. Von Ende Juni bis Ende September gibt es für Bewerber, die erstmals bei der Prüfung antreten wollen, keine Termine. "Drei Monate Urlaub. Wenn ich das machen würde, wäre mein Betrieb hin", sagt Yvonne Nather.

Sie bietet ein Fahrservice an, das Künstlerinnen chauffiert. Sie sorgt sich, dass sie nicht genügend Fahrer findet, wenn die Festivalsaison in Gang kommt. Früher habe sie Saisonkräfte zwischendurch beschäftigt. Doch jetzt brauchen alle den Taxischein, und vielen sei es zu mühsam, ihn zu erwerben.

Aber selbst wer die Prüfung ablegt, muss nach Erzählungen aus der Branche wochenlang warten, bis das Verkehrsamt den Taxischein ausstellt. Beim Unternehmer Kustritz klingt es ähnlich. Zwölf Fahrzeuge hat er früher im Einsatz gehabt, jetzt sind es vier. Er will wieder aufstocken. Er brauche Fahrer mit Englischkenntnissen und suche vergeblich Personal mit Taxischein.

Taxler haben auf die Neuregelung gedrängt – alles nur, um Konkurrenz loszuwerden?
Foto: APA

Diese Aussagen lassen sich in Zahlen gießen. Uber spricht davon, dass im vergangenen Jahr 3.000 bis 5.000 Fahrer in Wien auf der Straße waren. "Rund 90 Prozent von ihnen können nicht mehr aktiv sein", sagt Uber-Österreich-Chef Martin Essl, weil sie am Taxischein scheitern. Laut Wirtschaftskammer haben seit Jahresbeginn nur 760 Kandidaten die Taxiprüfung abgelegt.

Schwerer zu bewerten ist, wie viele Autos de facto durch die Reform vom Markt verschwunden sind. Mitte 2019 gab es um die 7.700 Miet- und Taxifahrzeuge in Wien. Aktuell sind es knapp 5.000 Taxis. Noch bis Ende August können sich Mietwagen ummelden lassen, die Differenz dürfte geringer werden.

Uber-Chef Essl dazu: "Wir sehen einen Engpass auf uns zukommen. Im Moment ist das Angebot noch zuverlässig, das wird sich aber ändern, wenn die Touristen im Juli und August zurückkommen."

Genügend Zeit

Was sagt die Wirtschaftskammer? Der zuständige Obmann Resul Ekrem Gönultaş, seit September im Amt, bestätigt, dass die Prüfungsunterlagen veraltet sind. Er sagt, der falsche Stoff werde aber nicht geprüft. Mitte Juli soll ein neuer Fragenkatalog kommen, ab Herbst wird er im Einsatz sein. Verknappt die Kammer das Angebot an Fahrern, um Konkurrenten vom Markt fernzuhalten? Gönultaş verneint. Die Reform sei 2020 fixiert worden, interessierte Mietwagenfahrer hätten genug Zeit gehabt, schon lange vor dem Sommer, sich für die Taxiprüfung anzumelden und sie abzulegen.

Uber-Chef Essl dagegen sieht Reformbedarf. Er fordert eine Vereinfachung des Prüfungsstoffs für den Taxischein. Und: Die Obergrenzen bei den Preisen in Wien sollten fallen. Aktuell gibt es einen fixen Tarif, bei vorbestellten Fahrten kann der Preis um 20 Prozent nach oben oder unten abweichen. Ohne Obergrenze hätten Unternehmen mehr Anreiz, Fahrten anzubieten, etwa in den Nachtstunden, sagt Essl, ansonsten drohe die zusätzliche Verknappung. (András Szigetvari, 1.7.2021)