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Seit Mitternacht kann wieder ohne Sperrstunde durch die Nacht getanzt werden.

Foto: Getty Images / Caiaimage

Seit Mitternacht gelten wieder lockerere Regeln: Die Maskenpflicht fällt in vielen Bereichen, FFP2-Masken verschwinden beinahe komplett, Clubs öffnen, die Sperrstunde wird obsolet, und für Veranstaltungen gibt es keine Obergrenzen mehr. Selbst die Abstandsregel ist Geschichte, Ausgangsbeschränkungen kennt man nur noch aus der Erinnerung an schwerere Zeiten. Das fühlt sich beinahe nach einer Normalität an, wie wir sie seit nun schon mehr als 15 Monaten nicht mehr erlebt hatten.

Wien strenger

Ein Bundesland scherte aus dem Lockerungsreigen aus: Schon heute, Donnerstag, soll eine eigene Wiener Verordnung in Kraft treten, die sogenannte Wohnzimmertests aus der Stadt quasi verbannt. Anders als im Rest von Österreich werden "unkontrollierte Antigentests" – sprich alle, die nicht in einer Apotheke oder Teststraße abgenommen werden – nicht mehr als Eintrittskarte im Sinne der Drei-G-Regel anerkannt.

Strenger wird auch bei Kindern vorgegangen: Während der Bund das Alter bei der Drei-G-Regel von zehn auf zwölf erhöht hat, geht Wien in die andere Richtung. Einen negativen Test oder die Bestätigung, dass man genesen ist, brauchen Kinder in Wien ab sechs Jahren – das dritte G fällt für diese Altersgruppe weg. Geimpft wird erst ab zwölf.

Ist Österreich zu locker?

Aber geht es im Rest Österreichs und in all den anderen Lebensbereichen wirklich zu locker zu? Auch im vergangenen Sommer lag plötzlich Freiheit in der Luft, auch da kam das erste Aufatmen und Hoffen, dass bald alles vorbei ist. Anfang Mai 2020 fielen die Ausgangsbeschränkungen, die galten, seit die Pandemie Österreich erreicht hatte. Ende Mai 2020 wurde die Zahl der Personen, die man treffen durfte, von zehn auf 100 erhöht, Mitte Juni durfte die Gastronomie wieder bis ein Uhr öffnen.

Die Neuinfektionszahlen verhielten sich lange ruhig. 43 waren es am 30. Juni 2020 und damit um 16 weniger als am selben Tag ein Jahr später. 175 waren es dann Ende Juli 2020, 272 Ende August, 772 Ende September. Und dann ging es steil bergauf, den Gipfel erreichten die Zahlen mit über 9.500 neuinfizierten Personen am 13. November – das leitete das Ende des damaligen Lockdowns light ein und brachte einen neuerlichen harten Lockdown, der fast zwei Monate lang galt. Man hat den Sommer schlicht verschlafen, sagen Expertinnen und Experten heute über diese Leichtigkeit im Vorjahr. Fast 10.000 Menschen starben mit oder an dem Virus, seitdem sich Leichtigkeit ausgebreitet hatte.

Werden Fehler wiederholt?

Ist Österreich auf dem besten Weg, seine Fehler zu wiederholen? Die jetzigen Öffnungsschritte werden von der Drei-G-Regel begleitet, die Impfungen schreiten voran, doch auf der anderen Seite droht sich die Delta-Variante immer weiter auszubreiten. Laut dem jüngsten Bericht des Corona-Prognose-Konsortiums könnte die ansteckendere Variante in Österreich bereits dominant sein – bei sehr geringen Fallzahlen.

Der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) findet die Öffnungen vertretbar: "Psychologisch wichtig wäre es, in der Kommunikation der Maßnahmen darauf hinzuweisen, dass das möglicherweise nur temporär ist. Sonst entsteht ein falscher Eindruck." Er geht davon aus, dass die Delta-Variante im Herbst FFP2-Masken wieder nötig machen kann.

Und er betont, dass bei den Öffnungen das Contact-Tracing insbesondere in der Nachtgastronomie eminent wichtig ist: "Nur eine einzige Person kann in einer Disco ganz viele weitere anstecken." In dem Fall müsse man alle Anwesenden informieren können. Je besser das geschafft würde und je niedriger die Infektionszahlen seien, "desto länger dauert es im Herbst, bis sich eine neue Welle aufbauen kann".

Internationaler Hoffnungsschimmer

Wobei höhere Infektionszahlen noch nicht automatisch – wie im Herbst 2020 – eine höhere Auslastung der Spitäler und Intensivstationen heißen müssen: Hoffnung geben die Entwicklungen in Großbritannien und Israel, wo man sowohl mit der Delta-Variante als auch bei den Impfungen "weiter" ist als Österreich. Dort stieg die Zahl der Spitalseinweisungen nach Covid-Erkrankungen wegen der Impfungen sehr viel weniger als die Zahl der Infektionen. Das lässt auch bei uns für den Herbst hoffen. (Oona Kroisleitner, Pia Kruckenhauser, Gabriele Scherndl, Klaus Taschwer, 1.7.2021)