Bilanzen unter dem Stethoskop: Die Regierung spielte in der Krise Feuerwehr, dennoch büßten 29 Prozent der Betriebe Eigenkapital ein. Größeren Unternehmen gelang es aber, dieses weitgehend stabil zu halten.

Foto: Imago

Wien – Es war eine Zeit der Entbehrungen. Die Corona-Pandemie hat an den Reserven vieler Betriebe gezehrt. Ihre Finanzpolster sind trotz der Regierung, die mit staatlichen Hilfen Feuerwehr spielte, quer durch die Branchen ausgedünnt.

Der Ruf nach neuen Instrumenten, um die Eigenkapitaldecken in Österreich zu stärken, ist daher Balsam in den Ohren der Unternehmer. Geht es nach Plänen der ÖVP, soll dafür rasch an steuerlichen Schrauben gedreht werden.

Finanzminister Gernot Blümel und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (beide ÖVP) schwebt ein Gegengewicht zur Steuerbegünstigung von Fremdkapital vor. Ihr Ziel ist es, Eigenkapital diesem künftig steuerlich gleichzustellen. Ein Anteil dessen soll dabei als fiktive Betriebsausgabe steuerfrei gestellt werden.

Schutz vor weiteren Krisen

Dem Finanzministerium zufolge würde diese "Impfung" vor weiteren Krisen schützen und zwischen einer halben und einer Milliarde Euro kosten. In Summe ließe sich mit ihr das strapazierte Eigenkapital der Wirtschaft um bis zu 25 Milliarden Euro ausbauen, ist Blümel überzeugt.

Doch wie ist es um dieses wirklich bestellt? Haben die Folgen von Corona eine Spur der Verwüstung in den Bilanzen der Betriebe hinterlassen? Eine aktuelle Analyse des Kreditschützers Creditreform von kleinen und mittelständischen Unternehmen stellt diesen nach wie vor ein überwiegend gutes Zeugnis aus.

58 Prozent der befragten 1500 Betriebe sehen sich bei ihrem Eigenkapital trotz aller Turbulenzen der vergangenen eineinhalb Jahre gut bis sehr gut aufgestellt. Mangelhaft bis ungenügend mit Kapital ausgestattet sind ihren eigenen Angaben zufolge nur weniger als acht Prozent.

Wenig Gewinnentnahmen

Die solide Finanzlage ist den Jahren vor Corona geschuldet, in denen ein Gutteil der Gewinne in den Unternehmen belassen wurde. Noch im vergangenen Frühjahr waren 42 Prozent der österreichischen Betriebe gut kapitalisiert. Das heißt, ihre Eigenkapitalquote betrug mehr als 30 Prozent. Knapp ein Fünftel kam dabei auf weniger als zehn Prozent.

Corona-bedingt büßten seither 29 Prozent der Unternehmen Eigenkapital ein, geht aus der Studie hervor. Bei 64 Prozent der Befragten blieb dieses jedoch unverändert. Mehr als sieben Prozent schafften es sogar, offenbar aufgrund der Förderungen, Kapital aufzupolstern. Was hervorsticht: Unter großen Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern meldet kein einziger gesunkenes Eigenkapital. 40 Prozent berichten sogar über Zuwächse.

Gerhard Weinhofer, Chef der Creditreform, begrüßt die Pläne der Regierung zur Stärkung des Eigenkapitals, da dieses einen Schutzschild gegen Pleiten bilde. Blümels Vorstoß verwundert ihn dennoch, denn Not oder Zeitdruck, um hier Nägel mit Köpfen zu machen, sieht er keinen.

Wer profitiert wirklich?

Gerade Branchen wie Industrie und Bau, an denen viele Arbeitsplätze hängen, seien nach wie vor gut kapitalisiert, sagt er. Infolge der monatelangen Lockdowns in der Bredouille steckten vor allem Dienstleister und der Handel. "Es ist allerdings fraglich, ob sich bei ihren geringen Margen überhaupt Eigenkapital aufbauen lässt."

Das ist Wasser auf Mühlen vieler Kritiker der steuerlichen Begünstigung von Eigenkapital. SPÖ-Finanzchef Jan Krainer warnte mit Blick auf kleine Steuerzahler, deren Sparbücher ohne Zinsen bei den Banken darben, vor einem "verteilungs- und wirtschaftspolitischen Irrsinn".

Krainer malte das Bild einer umgekehrten Vermögenssteuer an die Wand, von der nur jene profitierten, die ohnehin reich an Gewinnen und Kapital seien. Dem Tourismus und der Gastronomie bringe diese Maßnahme wenig, unterstrich die Arbeiterkammer und veranschlagte dafür weit höhere Kosten als das Finanzministerium. Das sozialliberale Momentum-Institut schlug in dieselbe Kerbe: Steuern sparten dabei primär jene, die es nicht nötig hätten.

Lehren aus der Finanzkrise

2008 lag der Anteil an unterkapitalisierten Firmen in Österreich noch bei 23 Prozent, während lediglich ein Drittel mehr als 30 Prozent Eigenkapital aufweisen konnte.

Der Schock der Finanzkrise 2008 zeigte in Europa Wirkung, die Kreditvergabe der Banken wurde restriktiver. Vor allem Österreich agierte vorsichtig. In Deutschland galten vor Corona vergleichsweise nur 30 Prozent der Betriebe als gut kapitalisiert, die Zahl an Pleiten sank dort 2020 weniger stark als hierzulande.

Ende der Steuerstundungen

Geschichte ist mit Ende Juni eine Hilfe der Regierung, mit der Unternehmer Finanzengpässe nach hinten verschieben konnten: Steuerstundungen liefen aus. Allfällige nötige Ratenzahlungen waren bis gestern, Mittwoch, zu beantragen. Die abzustotternden Raten bleiben mit 0,5 bzw. ein Prozent in den ersten drei Monaten jedoch niedrig.

Peter Bartos, Chef des Steuerberaters BDO, rechnet deswegen bis September mit keiner Insolvenzwelle, sieht aber Haftungsrisiko für Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit als Damoklesschwert. Steuerschuld könne auf sie zurückfallen. (Verena Kainrath, 1.7.2021)