In British Columbia wurden "Cooling centres" eingerichtet.

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Vancouver/Washington – Die anhaltende Hitze im Westen Kanadas hat offenbar zu hunderten Todesfällen beigetragen. Von Freitag bis Mittwoch seien in der Provinz British Columbia 486 plötzliche und unerwartete Todesfälle gemeldet worden, teilte die Gerichtsmedizin der Westküsten-Provinz am Mittwoch mit. Diese Zahl werde vermutlich noch steigen. Sie liege 195 Prozent über dem üblichen Durchschnitt eines vergleichbaren Zeitraums. Von einem Zusammenhang mit der extremen Hitze sei auszugehen.

49,6 Grad Celsius zeigte das Thermometer am Dienstag in Lytton (British Columbia) an, wie die Wetterbehörde auf Twitter mitteilte. Das sei ein Allzeit-Temperaturrekord. In der Region wurden klimatisierte Zentren eingerichtet, in denen Menschen Zuflucht vor der Hitze finden können. Die Gerichtsmedizinerin Lisa Lapointe rief dazu auf, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und gefährdeten Personen zu helfen.

Es ist die heißeste Woche in der Geschichte Kanadas.
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Die andauernde Hitze hat auch Waldbrände ausgelöst.
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Heißestes Woche der Geschichte

"Wir befinden uns mitten in der heißesten Woche, die British Columbia je erlebt hat", sagte der Regierungschef der Provinz an der Westküste des Landes, John Horgan. Er rief dazu auf, nach Menschen zu sehen, die gefährdet sein könnten, kalte Kompressen im Kühlschrank aufzubewahren und sich im kühlsten Teil des Hauses aufzuhalten.

Bereits am dritten Tag in Folge waren in Kanada die heißesten Temperaturen im Land seit dem Beginn der Aufzeichnungen gemessen worden. "Vancouver hat noch nie eine derartige Hitze erlebt, und leider sterben Dutzende von Menschen daran", sagte Polizeichef Steve Addison.

In der Stadt Vancouver starben seit Freitag 65 Menschen, darunter zahlreiche ältere Menschen mit Vorerkrankungen, wie die nationale Polizeibehörde RCMP mitteilte. "Wenngleich das noch untersucht wird, spielt die Hitze bei der Mehrzahl der Todesfälle eine Rolle", sagte ein Polizeivertreter. Auch in anderen Gemeinden gab es zahlreiche Tote, zunächst lagen aber noch keine offiziellen Zahlen vor.

Phänomen "Hitzekuppel"

Das Umweltministerium gab Warnungen für mehrere Provinzen heraus, wonach die "anhaltende, gefährliche und historische Hitzewelle diese Woche andauern wird". Schulen und Impfzentren mussten aufgrund der Hitze in dem Gebiet um Vancouver schließen. "Selbst Dubai ist kühler als das, was wir gerade erleben," erklärte David Phillips, leitender Klimatologe des Ministeriums.

Auch in den US-Städten Portland, Oregon und Seattle im Nordwesten der USA wurden die höchsten Temperaturen seit dem Beginn der dortigen Aufzeichnungen im Jahr 1940 gemessen. Klimaanlagen und Ventilatoren waren vielerorts ausverkauft. Menschen suchten zum Teil in Tiefgaragen oder in ihren klimatisierten Autos Schutz vor der Hitze.

Für die extreme Hitze verantwortlich ist das Phänomen der "Hitzekuppel", das heißt, der Hochdruck in der Atmosphäre hält die heiße Luft in der Region fest. Laut den Wetterexperten der "Washington Post" ist die Intensität dieser Hitzekuppel "statistisch gesehen so selten, dass sie im Durchschnitt nur einmal alle paar tausend Jahre zu erwarten" sei.

Der vom Menschen verursachte Klimawandel habe allerdings "diese Art von außergewöhnlichen Ereignissen wahrscheinlicher gemacht", erläuterten die Fachleute. In einem Berichtsentwurf des Weltklimarats IPCC, über den die Nachrichtenagentur AFP vorige Woche berichtet hatte, wird gewarnt, dass eine Erderwärmung von zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter 420 Millionen Menschen zusätzlich dem Risiko von Hitzewellen aussetzen würde.

US-Präsident Joe Biden wandte sich mit Blick auf eine Temperatur von 46 Grad in Portland mit beißender Ironie gegen Klimaskeptiker. "Macht euch keine Sorgen, es gibt keine Klimaerwärmung", erklärte er. "Das existiert nicht. Das ist die Frucht unserer Einbildungskraft." (APA, red, 1.7.2021)