Schauspielerin Maria Happel fühlt sich Reichenau sehr verbunden: Sie hat bereits bei den Festspielen gespielt und wohnt seit einigen Jahren auch im Ort an der Rax.

Foto: Heribert Corn

Für heuer kommt die Rettung zu spät. Der heimische Theatersommer findet zum zweiten Mal infolge ohne die Festspiele Reichenau statt. Vergangenes Jahr fielen sie nur wegen Corona aus, heuer auch und vor allem eines kritischen Rechnungshofberichts vom Jänner wegen. Darin wurde die intransparente Firmenkonstruktion der Festspiele kritisiert, deren Fäden alle in den Händen einer Familie zusammenliefen, nämlich der von Peter und Renate Loidolt. Er Gründer und Intendant der Festspiele seit 1988, sie kaufmännisch Verantwortliche.

Es sei "vergaberechtswidrig, intransparent und unwirtschaftlich" gearbeitet worden, so der Vorwurf des Berichts, dem Land Niederösterreich wurde empfohlen, vom Festival Subventionen zurückzufordern und es nicht weiter zu fördern. Das Intendantenpaar ortete gegenüber dem STANDARD zuerst eine Neidkampagne, im Mai gab es dann seinen Rückzug von den Festspielen bekannt. Dann wurde es still.

Am Donnerstag präsentierte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) der Öffentlichkeit die Rettung für das Sommertheater an der Rax. Der Rückzug der Loidolts sei zu akzeptieren, sie will den Theaterstandort nun "nachhaltig absichern". Gewährleisten soll dies eine "stabile Organisationsstruktur" im Schoß der Niederösterreich Kulturwirtschaft (Nöku, unter deren Dach sich 30 Institutionen wie Landestheater oder Kunsthalle Krems befinden), die für Transparenz sorgen würde, sowie als neue künstlerische Leiterin die Schauspielerin Maria Happel.

"Neue Formen"

Für vorerst drei Jahre bestellt und mit der Option auf weitere zwei Jahre in der Tasche, betonte sie, die selbst oft in Reichenau an der Rax Theater gespielt hat, "neue Formen" finden und Studierende des von ihr geleiteten Max-Reinhardt-Seminars mit etablierten Künstlern zusammenspannen zu wollen. Viel mehr Fixes zur künstlerischen Ausrichtung scheint noch nicht spruchreif. Happel träumt aber von einem an die Theatersaison anschließenden Filmfestival, Kamingesprächen, Lesungen sowieso, das Südbahnhotel würde sie gern bespielen. Der Spielplan 2022 soll erst im Herbst stehen.

Es gibt vorerst ohnehin Dringenderes. Etwa steht man mit der Familie Loidolt noch "in Kontakt, um den Übergabeprozess zu finalisieren", so Paul Gessl von der Nöku, der interimistisch als operativer Geschäftsführer fungieren wird. Der Posten soll dieser Tage ausgeschrieben werden. Weil die Loidolts den Wunsch geäußert hätten, sich aus den Trägerschaften der Festspiele zurückzuziehen und die Pachtverträge für die Spielstätten aufzulösen, erwartet Gessl aber keine Probleme. Markenrechtlich sollte auch alles klappen, seien die Festspiele doch nicht als Marke eingetragen, wobei deren künftige Name noch offen sei.

Die neue Theater Reichenau Betriebs GesmbH ist auch noch nicht gegründet, nicht einmal die Anteilsverteilung zwischen Nöku und Gemeinde steht bisher fest. Nur, dass die Nöku mindestens 51 Prozent halten will. Noch nichts beschlossen ist folglich auch im Reichenauer Gemeinderat, wiewohl die Signale laut Bürgermeister Johan Döller (ÖVP) gut stünden. Wenig verwunderlich, war bei Happels Vorstellung doch mindestens so viel wie von Kunst seitens der Politiker von "Tourismus" in der Region die Rede.

Heikles Erfolgsmodell

Wie viel wird Happel also am Erfolgskonzept, Klassiker von Publikumslieblingen von Burgtheater und Josefstadt spielen zu lassen, ändern können? 45.000 Besucher zog das immerhin zuletzt jährlich in 125 Vorstellungen und sorgte für 85 Prozent Eigendeckung. Veranschlagt wurde basierend auf den Vorjahren ein Budget von 3,5 Millionen, Subventionen sollen dabei die bisherigen 462.000 Euro nicht übersteigen.

Junges Publikum will Happel für das tendenziell alte und hochpreisige Festival trotzdem erschließen. Sie denkt dabei an "Patenschaften", bei denen alleinstehende, wohlhabende Gäste zwei Karten kaufen und eine an etwa Studierende abtreten, die sich in der Pause im Gegenzug mit ihren Gönnern unterhalten.

Nach der Präsentation der Pläne erklärte das Ehepaar Loidolt in einer Aussendung das Ende seiner Ära und kündigte ein Dokumentationsarchiv an. (Michael Wurmitzer, 1.7.2021)