Die Parteichefs und Parteichefinnen dürfen sich ihre "Sommergespräch"-Location bei Puls 4 aussuchen. Moderatorin Manuela Raidl wählte hier die Gloriette.

Foto: Puls 4

Pro und Contra, Wahl-Elefantenrunden, Talk of Town moderiert sie schon seit 2004 auf Puls 4. Erstmals übernimmt Manuela Raidl (42) ab kommendem Montag die Sommergespräche in dem Privatsender. Sie will in dem Gesprächsformat die Menschen zeigen, die in Österreich Spitzenpolitik machen. Aus der Reserve und dem Medientraining locken sollen die Politprofis etwa Spaziergänge, Rubriken, selbstgewählte Locations.

Lou Lorenz-Dittlbacher lädt für den ORF ab 9. August in die Libelle auf dem Wiener Leopold-Museum mit Blick über die Stadt und diesmal live. Servus TV hat keine Sommergespräche. Oe24TV plant seine mit Isabelle Daniel, Niki Fellner und Bürgerfragen ab 29. Juli donnerstags um 21 Uhr.

Puls 4 und Puls 24 zeigen ihre Sommergespräche jeweils montags um 21.15 Uhr. Beate Meinl-Reisinger (Neos) beginnt, am 12. Juli folgt Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), danach Herbert Kickl (FPÖ) und die Regierungsspitze Werner Kogler (Grüne) sowie Sebastian Kurz (ÖVP) dann am 2. August.

STANDARD: Sie führen erstmals die "Sommergespräche" für Puls 4 und Puls 24. Was kann man erwarten?

Raidl: Mich beschäftigt die Frage: Wie kommen wir hinter die Fassade. Und wie schaffen wir es, ein bisschen weiterzudenken. Wir Journalistinnenmüssen versuchen, das Interesse an der Politik wach zu halten. Auf Social Media kam nicht nur einmal auf meine Posts zur Ankündigung der "Sommergespräche": "Ich kann die alle nicht mehr sehen."

STANDARD: Die werden schwer zu gewinnen sein.

Raidl: Mir scheint: Wir sind alle müde. Innenpolitikmüde. In diesem Jahr ganz besonders. Wir haben im vergangenen Jahr einerseits schulmeisterliche Ansprache erlebt und andererseits eine Radikalisierung in der parlamentarischen Diskussion mit Begriffen wie Machtmissbrauch, Kritikunfähigkeit, Einschränkung von Grundrechten, Korruption. Die "Sommergespräche" sind fast so etwas wie ein Therapieangebot für uns alle.

STANDARD: Wie behandeln Sie Politikmüdigkeit?

Raidl: Wir nähern uns dem Thema über die Stars der Politik, ihre Biografien, mit welchem Wertegerüst sind sie aufgewachsen – und wie manifestiert sich das in einer Politik, die uns alle betrifft? Wir versuchen, Politik auf den einzelnen Menschen herunterzubrechen, eine persönliche Ebene zu finden. Wir wollen uns das größere Bild hinter den tagespolitischen Fragen anschauen. Man kann jeden dieser Vorwürfe auf die persönliche Ebene herunterbrechen. Wie nimmt eine Person Kritik an? Wie findet Selbstreflexion statt?

STANDARD: Nun sind die Parteichefs gut darauf trainierte Interviewpartner, die vielleicht von sich selbst nur ein ganz bestimmtes Wunschbild von sich geben wollen. Wie kommt man zu offeneren Antworten und Auskünften?

Raidl: Offen ist auch relativ. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigt sich auf Social Media extrem offen, mit Videos hinter den Kulissen, mit ihren Kindern. Auch da kann man fragen: Ist das authentisch? Natürlich sind alle Gesprächsprofis, natürlich haben sie alle ihre drei Kernpunkte, die sie unterbringen wollen. Wir versuchen, schon anders in das Gespräch einzusteigen.

STANDARD: Mit Lockerungsübungen?

Raidl: Wir gehen mit den Parteichefs und -chefinnen erst einmal ein paar Schritte zur Location und beginnen da unser Gespräch. Und wir lassen sie über ihre Wunschlocation entscheiden.

STANDARD: Wo wollen sie denn reden?

Raidl: Am Montag geht es mit Beate Meinl-Reisinger (Neos) los, sie wollte in den Wiener Burggarten. Es geht um einen Drehort mit persönlicher Relevanz. Und Meinl-Reisinger sagt, der Burggarten war ihr einziger Durchschnaufort in der Nähe. Und wir wissen, dass uns Werner Kogler (Grüne) in Salzburg treffen möchte.

STANDARD: Und Herbert Kickl (FPÖ)?

Raidl: Wir sind von der Rax ausgegangen, aber das scheint jetzt doch nicht so klar. Aber wir versuchen, alles möglich zu machen.

STANDARD: Sebastian Kurz? Ein Berg?

Raidl: Wenn Herbert Kickl die Rax macht, wird das schwierig.

STANDARD: Von der Rax werden Sie nicht live schalten – also aufgezeichnet und geschnitten?

Raidl: Wir zeichnen am Sonntag davor etwa um die gleiche Zeit auf, zu der das Interview dann am Montag ausgestrahlt wird. Und geschnitten nur insofern, dass wir nach dem Spaziergang einen Schnitt machen zur eigentlichen Interviewlocation.

STANDARD: Das Ankommen und Niedersetzen ist nicht so spannend?

Raidl: Wir haben das überlegt und ausprobiert. Aber da ist man schnell beim Bauerntheater: Zufällig sind wir genau am Ende des Satzes hier angekommen...

STANDARD: Die freie Locationwahl und ein bisschen Spazieren zum Einstieg wird vermutlich noch nicht zur großen Offenheit verleiten.

Raidl: Wir haben uns ein paar Rubriken überlegt, die weit weg von den Fragen sind, die Politikern und Politikerinnen üblicherweise gestellt werden. Und ein gutes Mittel ist, die Kommunikation selbst zu thematisieren. Ob es gelingt, wissen wir nach den Sommergesprächen.

STANDARD: Gibt es einen Angstgegner oder eine Angstgegnerin?

Raidl: Dafür mache ich das schon zu lange. Die Herausforderung ist bei jedem und jeder unterschiedlich. Ich schaue mir natürlich Interviewsituationen mit Kolleginnen und Kollegen zur Vorbereitung an und überlege mir, wie würde ich in der Situation reagieren.

STANDARD: Und ist eine oder einer besonders spannend?

Raidl: Herbert Kickl sehen wir gerade in einer neuen Rolle. Der war über viele Jahre der Mann im Hintergrund, dann Innenminister – und jetzt steht er zum ersten Mal in der eigenen Partei ganz oben. Es könnte sein, dass man ihn schon alleine deshalb in verändertem Habitus erlebt. Es ist ja auch nicht ganz unwesentlich für uns alle, wie und wohin sich die FPÖ entwickelt.

STANDARD: Wann waren die Sommergespräche 2021 für Sie gut, ein Erfolg?

Raidl: Ich bin zufrieden, wenn wir das Spitzenpersonal der Politik einmal von einer anderen Seite zeigen können – und wenn es nur authentische Momente sind. Und natürlich ist Interesse an der Politik mein Kernanliegen, das versuche ich auch immer wieder mit Erklärvideos zu wecken. Ich will vermitteln: Es macht Sinn, sich zu engagieren. Man versteht die Welt nur, wenn man die Mechanismen und das Personal an der Spitze kennt. Und wenn ein "Sommergespräch" für eine Schlagzeile oder mehrere gut ist, ist das natürlich auch ein Riesenerfolg. (Harald Fidler, 2.7.2021)